mit großer Sorge beobachten wir die anhaltende Diskussion um die Definition des Begriffes der Verbandmittel. Diese wurde mit der Verabschiedung des HHVG im April 2018 im §31 Absatz 1a SGB V derart festgelegt, dass Verbandmittel Hauptwirkungen haben, zu denen die Bedeckung oberflächengeschädigter Körperteile und das Aufsaugen von Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen zählen. In den Anmerkungen zum HHVG wird betont, dass die Eigenschaft als Verbandmittel nicht entfällt, wenn die Materialien darüberhinausgehende Eigenschaften haben, die der Wundheilung dienen, beispielsweise die Wunden feucht halten, sie reinigen, geruchsbindend oder antibakteriell wirken.
In der praktischen Umsetzung des Gesetzes nahm der G-BA allerdings den Standpunkt ein, dass Materialien mit Zusatznutzen diesen in einem gesonderten Verfahren nachzuweisen hätten.
Da dies der Absicht des Gesetzgebers mehr Sicherheit in der Erstattungsfähigkeit von Verbandmitteln zu erreichen widersprach, kam es zur Auseinandersetzung zwischen G-BA und dem Ministerium für Gesundheit.
Im Kabinettsentwurf zum GSAV soll dieser Konflikt dadurch entschärft werden, dass die Zusatznutzen nur physikalischer Natur sein dürfen und „ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen“.
Sollte sich diese Definition durchsetzen, würden alle Verbandauflagen, die wirksame Stoffe in die Wunde abgeben, aus der Verordnungsfähigkeit ausscheiden. Sie müssten in gesonderten Verfahren ihre Wirksamkeit nachweisen.
Wir, die Initiative Chronische Wunden sind die größte deutsche Fachgesellschaft im Bereich der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Nach unseren Curricula wurden bereits mehr als 42.000 Ärzte und Pflegekräfte zu Wundexperten geschult. Unser Ziel ist eine individuelle Therapie die dem Betroffenen Lebensqualität zurückgibt und Wunden besser abheilen lässt. Auch wenn die kausale Therapie, unserer Ansicht nach entscheidend ist, hat doch die lokale Therapie (also die Anwendung von Verbandmaterialien) eine große Bedeutung, insbesondere für die Lebensqualität der Patienten.
Wir befürchten, dass mit Verabschiedung des Gesetzes im Sinne des Kabinettsentwurfes, bewährte Verbandmittel den Betroffenen nicht mehr zur Verfügung stehen und es zu Versorgungsengpässen kommt. Insbesondere der Wegfall antimikrobiell wirksamer Verbandmittel birgt die Gefahr des Einsatzes von lokal angewandten, oder von nicht nötigen stationären Behandlung im Krankenhaus. Systemische Antibiotika würden vermehrt eingesetzt, was den erklärten Zielen der Bundesregierung zur Reduktion der Antibiotikagabe widerspräche.
Die Initiative Chronische Wunden fordert daher, dass der aktuelle Kabinettsentwurf zu §31a SGB V im Sinne der Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 53/1/19 S. 19 vom 4.3.2019) abgeändert wird. Letztlich würden damit die bereits in den Kommentaren zum HHVG enthaltenen Zusatznutzen in den Gesetzestext aufgenommen. Die offenbar noch erforderliche Präzisierung würde so zu klaren Regelungen in der praktischen Umsetzung führen. Die Verunsicherung der unter vielen Belastungen leidenden Patienten mit chronischen Wunden sowie ihrer Behandler muss beendet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand der Initiative Chronische Wunden
Veronika Gerber, Prof. Dr. med. Knut Kröger, Prof. Dr. med. Joachim Dissemond
Björn Jäger, Anke Bültemann, Dr. med. Christian Münter