„Ich frage mich, wird jemand diese Bilder nutzen, um einem Kind zu sagen, was es zu tun hat?“ – Betroffene*r
Opfer sexualisierter Gewalt sind zunehmend damit konfrontiert, dass die Täter den Missbrauch dokumentieren und ins Netz stellen. Über eine halbe Million Aufnahmen sexualisierter Gewalt an polizeilich bekannten Opfern wurden in den vergangenen 1,5 Jahren gefunden.
Dieses zweite Verbrechen wirkt wie eine Endlosschleife der Traumatisierung für die Opfer. Es fühlt sich für sie an, „als sei ihr Missbrauch eine öffentliche Tatsache“, die nie mehr gelöscht werden kann. So äußern sich Betroffene aus vier Staaten, die vom „Canadian Centre for Child Protection“ in einer internationalen Studie befragt wurden.
Die Überlebenden waren zum Zeitpunkt der Gewalttaten sehr jung (87 Prozent unter 11 Jahren), sie wurden entweder Opfer der eigenen Familie (82 Prozent) und/oder organisierten Kindesmissbrauchs. In vier von zehn Fällen währte ihr Missbrauch über zehn Jahre. „Innocence in Danger“ war für die Befragung der deutschen Betroffenen verantwortlich.
Das enorme Ausmaß des „zweiten Verbrechens“ macht „Arachnid“ deutlich, ein Programm, das das Internet auf bereits polizeibekannte Missbrauchsabbildungen durchsucht. Der Webcrawler des Canadian Centre verschickt pro Tag über 700 „Notice and Take Down“ Mitteilungen weltweit – das sind Amtshilfeersuchen, um dokumentierten sexuellen Missbrauch (oft und falsch „Kinderpornografie“ genannt) zu beseitigen.
Die Umfrageergebnisse unterstreichen nach der Geschäftsführerin von Innocence in Danger, Julia von Weiler, die Notwendigkeit, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen. „Industrie, Politik und Zivilgesellschaft müssen schnell handeln. Missbrauch wird sonst zur Ware. Die Missbrauchsabbildungen im Netz sind eine Epidemie, welche die Würde von Überlebenden verletzt und die Integrität des Web gefährdet“, sagte die Expertin für Online-Missbrauch von Weiler bei einem Besuch des Canadian Centre for Child Protection in Winnipeg.
Es sei nötig...
- - die Verfügbarkeit von Bildern und Videos sexuellen Missbrauchs von Kindern im öffentlichen Internet zu reduzieren
- Hostinganbieter weltweit zu verpflichten, belegbare Aufnahmen von Opfern zu entfernen
- Psychosoziale Fachkräfte zu befähigen, die besondere Psycho-Dynamik der „Zweites-Verbrechen“-Abbildungen bei Opfern zu verstehen – und die Rolle der Technologie als Treiber, Multiplikator und Profitmodell sexuellen Missbrauchs von Kindern zu durchschauen
- die Zusammenarbeit von Kinderschutz-Organisationen Schulen, Hotlines, Therapeut*innen, Polizei und Industrie zu verbessern
- gut funktionierende transnationale Systeme der Ermittlung und Rechtshilfe einzurichten, um den besonderen Bedürfnissen der „Zweites-Verbrechen“-Opfern gerecht zu werden
- Das Project Arachnid als globale Plattform einzusetzen, um online schnell das Vorhandensein von Missbrauchsdarstellungen zu ermitteln
Im Anhang finden Sie die wichtigsten Ergebnisse der Befragung der „Zweite-Verbrechen“-Überlebenden.
Anhang:
- Ergebnisse der qualitativen Internationalen Befragung Betroffener, deren Missbrauchsdarstellungen verbreitet wurde.
- Fast 70% der Betroffenen befürchteten, von jemandem wegen der Aufzeichnung ihres sexuellen Missbrauchs erkannt zu werden. In der Tat gaben 30 Befragte an, von einer Person identifiziert worden zu sein, die ihre Missbrauchsdarstellungen gesehen hatte.
- 58% der Befragten gaben an, von mehr als einer Person missbraucht worden zu sein. 82% der primären Straftäter*innen, die an Szenarien mit mehreren Täter*innen beteiligt waren, waren Eltern oder Familienangehörige des Kindes.
- 56% der Betroffenen gaben an, dass der Missbrauch vor dem vierten Lebensjahr begann. 87% waren 11 Jahre oder jünger. 42% wurden mehr als 10 Jahre lang missbraucht.
- Mindestens 74 Befragte (fast 50%) waren Betroffene organisierter sexueller Gewalt (Missbrauch, bei dem Kinder von mehreren Straftätern sexuell missbraucht werden).
- 67% der Betroffenen wurde physisch gedroht, unter anderem wurde ihnen gesagt, dass sie sterben oder getötet würden.