„Wohin und wie weit man blicken mag, zwischen Religion und Naturwissenschaft findet sich nirgends ein Widerspruch. Religion und Naturwissenschaft schließen sich nicht aus, wie manche glauben, sondern sie ergänzen und bedingen einander“ (Max Planck).
„Ein tiefer Naturwissenschaftler vermag sich nicht vorzustellen, dass die ungemein feinen Zusammen- hänge, die er erschaut, von ihm zum ersten Mal gedacht werden. Nein: Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlose Vernunft. – Die gängige Vorstellung, ich sei Atheist, beruht auf einem großen Irrtum. Wer sie aus meinen wissenschaftlichen Theorien herausliest, hat diese kaum verstanden“ (Albert Einstein).
„Wenn jemand aus der unbezweifelbaren Tatsache, dass die Welt existiert, auf eine Ursache für ihre Existenz schließen will, dann widerspricht diese Annahme unserer wissenschaftlichen Erkenntnis in keinem einzigen Punkt. Kein Wissenschaftler verfügt auch nur über ein einziges Argument oder irgendein Faktum, mit dem er einer solchen Annahme widersprechen könnte. Auch dann nicht, wenn es sich dabei um eine Ursache handelt, die – wie sollte es anders sein – offensichtlich außerhalb dieser unserer dreidimensionalen Welt zu suchen ist“ (Hoimar von Ditfurth). Da von Ditfurth ausdrücklich sagt, dass er persönlich nicht an die Existenz eines Schöpfergottes geglaubt hat, ist dieses Zitat vielleicht besonders aufschlussreich (vgl. Im Anfang war der Wasserstoff, 1972, S. 134).
Zusammengefasst: „Niemand kann behaupten, er ‚wisse‘ im eigentlichen Sinn, dass es Gott nicht gibt. In diesem Sinn ist die Behauptung eines ‚wissen- schaftlichen Atheismus‘ widersinnig, gestern ebenso wie heute und morgen“ (J. Ratzinger, Auf Christus schauen, Freiburg, 2007 S. 9).
Eine zweite Bemerkung möchte ich noch vorausschicken: Sowohl von seiner Mentalität als auch von seiner Lebensgeschichte her existiert beim Autor eine nachhaltige und chronische Allergie gegenüber jedem Versuch, den Lieben Gott – wie die alten Griechen es in ihrem Theater taten – immer dann als deus ex machina auf die Bühne des (historischen, physikalischen oder biologischen) Weltgeschehens zu zitieren, wenn sich die Fäden unseres Begreifens wieder einmal verheddern. Gott als Retter in der Not der eigenen Unwissenheit und die eigene Unwissenheit als Retter des Lieben Gottes: Das erinnert mich allzu sehr an die Marx’sche Sicht von Religion als Opium des Volkes. Eine fundamentalistische Weltsicht, die – durch welche Hintertür auch immer – versucht, Gott und die Religion aus den verbleibenden Nischen noch unerklärter Naturphänomene abzuleiten, bedeutet gleichermaßen für meinen gesunden Menschenverstand wie für meinen Glauben eine Zumutung. ….
Dafür, dass es dieses kleine Buch gibt, ist nicht zuletzt ein guter Freund, der lange Jahre Philoso- phieprofessor in Münster war, verantwortlich. Als ich ihm die alten Papiere wenige Wochen vor seinem Tod zu lesen gab, hat er mich überredet, sie nicht in der Schublade liegen zu lassen. Und den letzten Rippenstoß gab schließlich das tröstliche Wort von Chesterton: „Was es wert ist, getan zu werden, ist es wert, auch unvollkommen getan zu werden.“
Die Überlegungen dieser Seiten konnten und wollten – auch nicht durch die Hintertür – so etwas wie einen „Beweis“ für die Existenz Gottes erbringen. Ein „Gott“, der auf logische Schlussfolgerungen, scharfsinnige Argumentationen und menschliches Begreifen reduziert werden könnte, durch den der Mensch also nicht – und immer wieder neu – vor eine zutiefst personale Entscheidung gestellt würde, wäre ein kompliziertes Gedankending, ein logisches Konstrukt, aber nicht „der lebendige Gott“ (vgl. Hebr 10,31), der „Vater, der Allmächtige“, der Schöpfer und Herr der Welt (vgl. das Apostolische Glaubensbekenntnis).
Im Gegensatz zum atheistischen Glauben an die absolute Selbstmächtigkeit der Materie, an das restlose Von-Selbst des Kosmos, der Naturgesetze und der Evolution ist der christliche Glaube kein Sachproblem, keine Frage einer Relation von mir zum unvernünftigen, gefühllosen Weltall. Der christliche Glaube ist auch keine „Option für so etwas wie einen geistigen Grund der Welt. Seine zentrale Formel lautet nicht: ‚Ich glaube etwas‘, sondern ‚ich glaube an dich‘ (J. Ratzinger, Einführung in das Christentum, 1968, S. 52). Der Glaube an Gott besteht im Ja zu einer zutiefst persönlichen Beziehung zwischen dem Du Gottes und meinem Ich. …. Um zum Glauben an Gott zu finden, bedarf es der Selbstmitteilung, des Sich-Schenkens Gottes an den Menschen und es bedarf des Ja zu diesem Geschenk, der freien Selbstüberantwortung des Menschen an den sich schenkenden Gott. Der Glaube an Gott ist weder machbar noch erdenkbar, noch erfühlbar, noch ertrotzbar. Er ist Gnade, ist – wie die Liebe – reines Geschenk. Den Glauben kann man nicht zustande bringen. Man kann ihn nur erbitten, ihn sich schenken lassen, ihn dankbar staunend annehmen.
Und so ist für das Glaubenkönnen die Freiwilligkeit, das bewusste „Ja“ einer persönlichen Entscheidung unabdingbar. Es wird unmöglich sein, zu einem lebendigen Glauben an Gott zu finden, solange die Gottesfrage einem nicht wirklich wichtig geworden ist, solange man nicht den ehrlichen Wunsch hat zu glauben, nicht tatsächlich glauben will. „Gott spricht so laut, dass derjenige, der ihn wirklich hören will, ihn früher oder später auch zu hören vermag; aber zugleich spricht er meist so leise, dass der, der Gott nicht hören will, ihn auch nicht hört“ (S. Kierkegaard). …. Der Glaube an „Gott, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ sprengt nicht nur die Grenzen von Wahrnehmung und Evidenz, er sprengt auch die Grenzen menschlicher Verstandeseinsicht. Es ist nun einmal unmöglich, dass ich das Fundament, auf dem ich mit meiner ganzen eigenen Existenz stehe, den Boden, der mich trägt, meinerseits – mit meinen kleinen Händen – zu umfassen, in den Griff zu nehmen, zu begreifen vermag.
Aber bei aller Übervernünftigkeit ist der christliche Glaube an keiner Stelle widervernünftig. Gott und all seine Werke sind zutiefst wahr und vernünftig (vgl. Joh 1,14; 14,6). …. Die Grundmaxime eines der großen christlichen Denker, Thomas v. Aquin, lautet: „Ich würde nicht glauben, wenn ich nicht einsehen würde, dass es vernünftig ist zu glauben.“
Am Ende dieser Spaziergänge steht für mich die Überzeugung: Dann und nur dann, wenn das kreative Handeln eines allmächtigen und allwissenden Gottes nicht ausgeschlossen wird, stellt sich die Evolution, so, wie die Wissenschaft sie mir zeigt, als vernünftig und glaubwürdig dar. Dasselbe noch einmal mit schon mehrfach zitierten Gedanken namhafter Naturwissenschaftler verdeutlicht:
„Der erste Trunk der Naturwissenschaft macht vielleicht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“ (Werner Heisenberg, Nobelpreis 1932).
„Jedem tiefen Naturwissenschaftler muss eine Art religiösen Gefühls naheliegen, denn er vermag sich nicht vorzustellen, dass die ungemein feinen Zusam- menhänge, die er erschaut, von ihm zum ersten Mal gedacht werden. Nein: Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlose Vernunft“ (Albert Einstein, Nobelpreis 1921).
„Leute, die wenig von Wissenschaft wissen und Leute, die wenig von Religion verstehen, mögen sich manchmal streiten. Und dann meinen die Zuschauer: Da streiten sich Wissenschaft und Glaube. Aber in Wirklichkeit streiten sich nur zwei Halbgebildete“ (Robert Millikan, Nobelpreis 1923).
„Meine Studien und Forschungen haben mich dahin gebracht, dass ich so ziemlich den Glauben eines bretonischen Bauern habe. Ich zweifle aber nicht: Hätte ich noch weiter studiert und geforscht, so würde ich es bis zum Glauben einer bretonischen Bäuerin gebracht haben“ (Louis Pasteur).
Der Glaube an ein grundloses Aus-sich-Selbst des Kosmos und an das Von-Selbst der Naturgesetze, der Evolution und des Lebens stellt sich für das Lebensgefühl vieler Menschen von heute ganz selbstverständlich als die zeitgemäße, vernünftige, wissenschaftliche und plausible Weltanschauung dar. Und ich muss gestehen, dass das für mich (unreflektiert … eben fraglos) lange Zeit wohl auch nicht viel anders gewesen ist. Es gab da eine Verwerfung (ehrlicher müsste man sagen: eine Art Bewusstseinsspaltung) zwischen dem, was ich als „offenbar wissenschaftlich erwiesen“ akzeptierte (schließlich hörte man nichts anderes … und „davon verstand ich ja nun einmal nichts“) und meinem christlichen Glauben. Beide Bereiche besaßen quasi ihr Eigenleben (wenn man böse wäre, müsste man wohl sagen: ihre Schubladen). Aber weder für ein erwachsenes Menschsein noch für ein glaubwürdiges Christsein ist eine solche Schizophrenie akzeptabel. „Nein! Es darf kein Doppelleben geben. Wenn wir Christen sein wollen, können wir diese Art von Bewusstseinsspaltung nicht mitmachen. Es gibt nur ein einziges Leben, aus Fleisch und Geist, und dieses einzige Leben ist von Gott erfüllt, dem unsichtbaren Gott, dem wir in den ganz sichtbaren und materiellen Dingen begegnen“ (Josemaría Escrivá, Gespräche, Köln 1992, Nr. 192).
Wenn man darangeht, sich klarzumachen, wie viel irrationale Gläubigkeit ein voraussetzungsloses Von-Selbst des Kosmos, der Naturgesetze und der Evolution vom ersten H-Atom bis zum Menschen dem gesunden Menschenverstand abverlangt, dann verschiebt sich das Bild von der Schlüssigkeit, Selbstverständlichkeit und Plausibilität des neodarwinistischen Evolutionismus allerdings erheblich. Es fällt nun einmal gar nicht leicht zu glauben, dass die Gesetzmäßigkeiten, die für die DNA, für ihr Entdrillen, ihren Reparaturmechanismus und ihre Müllentsorgung, für die Existenz und die Verschlüsselung der Erbinformation, für den Bombardierkäfer, das menschliche Auge, die Vogelfeder … und, und, und … letztlich verantwortlich zeichnen, ihre Existenz restlos und ausschließlich einem blinden, vernunftlosen, rein materiellen Zufallsgeschehen verdanken sollen … Im selben Ausmaß jedoch, wie sich der materialistische Glaube an das totale Von-Selbst des Kosmos, der Naturgesetze und der gesamten Evolution als wenig vernünftig, als leichtgläubig erweist, stellt sich die einzige Alternative, der Glaube an die Notwendigkeit einer aller Materie vorausgehenden vernünftigen, schöpferischen Erst-Ursache, d. h. der Glaube an „Gott, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde“, als vernünftig und verantwortbar dar: als ein Glaube, bei dem man – auch und gerade als kritisch denkender Mensch von heute – gut schlafen kann.
Von so viel irrationaler Gläubigkeit, wie sie Anhänger eines atheistischen Evolutionismus benötigen, um – wie etwa der Mikrobiologe Ernest Kahane in dem berühmt gewordenen Vortrag, den er am 15.3.1975 vor den Wissenschaftlern des Cern in Genf gehalten hat – zu bekennen: „Es ist absurd zu glauben, dass eine lebende Zelle von selbst entstehen kann; aber dennoch glaube ich daran, denn ich kann es mir nicht anders vorstellen“… Oder wie der berühmte Anatom Arthur B. Keith, wenn er erklärt: „Der Evolutionismus ist unbewiesen und unbeweisbar, aber die einzige Alternative dazu ist der Schöpfungsakt eines Gottes und das kann nun einmal nicht sein“ … Von so viel Gläubigkeit fühlt sich mein gesunder Menschenverstand so definitiv und nachhaltig überfordert, dass er zu dem Schluss kommt: „Es ist unglaublich, wie viel man glauben muss, um ungläubig zu sein“ (M. Faulhaber).
Peter Blank, Alles ganz von selbst? Naive Fragen zur Evolution. Fe-Medienverlag, Kißlegg, 2018, 179 Seiten, hier 7ff und 168 ff.