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Die Öffentlichkeitsarbeit der EU - eine Fehlinvestition?

(lifePR) (Sankt Augustin, )
Die neueste Meinungsumfrage “Parlemeter 2017” über die öffentliche Wahrnehmung des EU-Parlaments unter den Bürgern der 28 Mitgliedsstaaten ist eine schlechte Nachricht für die zwischen Brüssel und Straßburg pendelnde Vielvölkerversammlung: Nur 33 Prozent bekunden eine positive Wahrnehmung des EU-Parlaments. Nur 31 Prozent finden, dass sich die EU vorwärts entwickelt, und nur 57% halten die Mitgliedschaft in der EU überhaupt für gut und notwendig. Trotzdem atmet man am Luxemburger Platz im Brüsseler EU-Viertel tief auf. Die Zustimmungswerte hätten auch noch geringer sein können.

Zieht man jedoch bei diesem seit Jahren im Wesentlichen unveränderten Umfragetief den materiellen und finanziellen Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit mit ins Kalkül, mit dem die Institution Dank der aus den Mitgliedstaaten überwiesenen Steuermittel ihre keinesfalls pluralistische Idee von der Zukunft der EU “unter die Leute bringen kann”, dann steht fest: Hier haben wir es mit einer Fehlinvestition zu tun. Wäre das EU-Parlament ein nach unternehmerischen Aspekten geführtes Unternehmen, es hätte schon längst geschlossen werden müssen. Aber es ist ein politisches. Dennoch darf man die Investition für die Öffentlichkeitsarbeit mal hinterfragen. Die Generaldirektion für Kommunikation besteht aus 737 EU-Beamten und verfügt über einen Jahreshaushalt für operative Geschäfte von 92,2 Millionen Euro (Stand 2016). 35 Informationsbüros kommunizieren für das EU-Parlament unmittelbar in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten sowie einigen ausgewählten Metropolen (wie München oder Washington D.C.). In Brüssel, Straßburg und in Berlin gibt es für Besuchergruppen zusätzlich ein “Parlamentarium” zum interaktiven Parlamentsbesuch. Im Parlamentarium Brüssel wird die Legalisierung von Abtreibung als Meilenstein der europäischen Zivilisation vermittelt. Im Informationsbüro in Berlin platzierte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gegen alle Regeln seinen eigenen Pressesprecher. Ein aufwendig renoviertes “Haus der Europäischen Geschichte” gehört ebenfalls zur Werkzeugbox der Öffentlichkeitsarbeiter in Brüssel. Seine inhaltliche Ausrichtung ist umstritten, die Fraktion der Konservativen und Reformer hat bereits in einer Expertenanhörung die sehr vereinfachte Darstellung des Integrationsprozesses kritisiert. Außerdem vergibt das EU-Parlament nicht weniger als vier Preise. Doch all dieser Aufwand hilft nichts: nur ein Drittel der Bürger hat eine positive Auffassung vom EU-Parlament. 

Vielleicht trägt die Institution, so wie sie sich darstellt, ein gerüttelt Maß Schuld an ihrem schwachen Image? Das EU-Parlament vergibt beispielsweise einen “Lux” Preis. Er richtet sich an professionelle Filmemacher und die Kino-Industrie. Der Preisträger wird durch die Europa-Abgeordneten, ihre Assistenten sowie die Beamten der Fraktionen und der Zentralverwaltung ausgewählt, so als wären diese verlässliche Experten der siebten Kunst. Dafür wird ein eigenes Parlamentskino aufgebaut und die drei Filme der Endauswahl zu verschiedenen Tageszeiten gezeigt, zur Mittagspause um 13 Uhr und zum Dienstschluss um 18 Uhr, immerhin. Jeder der drei Filme der Endrunde wird in alle Amtssprachen übersetzt und untertitelt. Zudem  bezahlt das EU-Parlament eine maßgeschneiderte PR-Kampagne in allen 28 Mitgliedstaaten. Dem Preisträger wird im Plenum des Parlaments eine Statue im Wert von 17.000 Euro Statue überreicht. Wozu das alles? Wäre ein Kinofilm wirklich so überzeugend gut, dann hätte die Filmindustrie doch schon aus eigenem Interesse für seine sprachliche Anpassung und eine PR-Kampagne gesorgt. Unterlässt sie es, lohnt es sich weder aus künstlerischen oder anderen ökonomischen Gründen. Warum erledigt dann das EU-Parlament einen Auftrag der Filmindustrie mit einem mittleren siebenstelligen Betrag? Das ist genau die von der EU anderswo bekämpfte Wettbewerbsverzerrung. Und: wie erklärt man diese siebenstelligen Zuweisungen an die Filmindustrie jenen Familien, die aufgrund der Euro-Krise in vielen Regionen Europas am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie das tägliche Leben bestreiten sollen (vermutlich ohne Kinobesuch), oder deren Rentenplanungen aufgrund der chaotischen Euro-Politik völlig aus den Fugen geraten sind?

Dagegen erscheint es fast anekdotisch, dass im Wissenschaftlichen Dienst nun ein eigens eingerichtetes Referat “Europäischer Mehrwert” die “Kosten des Nicht-Europas” bestimmt und analysiert. Damit hat sich das EU-Parlament seine eigene Rechtfertigungs-Abteilung geschaffen, um mit den Fußnoten wissenschaftlicher Analysen und Berechnungen seine Daseinsberechtigung als eine EU des Wohlstands und Friedens zu untermauern. Kritiker werden aber fragen: Ist nicht auch dieser Versuch der Selbstdarstellung ist zu offensichtlich, als dass er glaubhaft sein könnte? Denn vor allem das Argument der Bürgernähe stellt die EU ja selbst in Frage. Außerdem misst sie meist mit zweierlei Mass, je nach Parteibuch. Das trägt nicht zu ihrer Wertschätzung bei, bei allem Kommunikationsaufwand. Als der französische Innenminister (und spätere Regierungschef) Manuel Valls mit der Billigung von Staatschef François Hollande Tränengas auf friedliche Familien mit Kinderwagen bei der “Demo für Alle” in Paris ausströmen liess, beschäftigte das den UNO-Menschenrechtsrat in Genf und den Europarat in Strassburg, nicht jedoch die EU, inklusive Parlament in Brüssel. Das galt wie selbstverständlich als innere Angelegenheit Frankreichs, die sozialistische Regierung hatte freie Hand. Als am Sonntag des Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien die spanische Polizei ziemlich robust gegen Demonstranten vorging, erklärte die EU diese unverhältnismässige und eigentlich eher von Erdogan bekannte Polizeigewalt ebenfalls zur inneren Angelegenheit Spaniens. Kein Wunder, mit Mariano Rajoy  hat ein hochrangiges Mitglied der christdemokratischen EVP  Regierungsverantwortung in Madrid. Wenn jedoch die konservative Regierung in Polen mit breiter Unterstützung der Bevölkerung eine seit Jahren anstehende Justizreform durchführt, dann wird eiligst die EU vorstellig und führt eine Privatfehde gegen eine unliebsame Regierung, die nicht Mitglied in einem der großen beiden europäischen Parteiblöcke ist. Ähnlich verhält es sich mit Ungarn. Natürlich, es gibt übergeordnete politische Gründe für das Verhalten der EU gegenüber den Separatisten in Katalonien oder der Sozialisten in Frankreich. Ein kritisches Wort über das Verhalten der Polizei hätte aber, unabhängig von  Grundsatzfragen, der EU gut angestanden und ihr Image aufgewertet.

Angesichts der beständig schwachen Umfragewerte hat das EU-Parlament jetzt noch einmal zu einer Runderneuerung seiner Generaldirektion Kommunikation angesetzt. Damit will die Institution die Meinungshoheit im langsam einsetzenden EU-Wahlkampf zurückgewinnen. Kritische Meinungen werden freilich totgeschwiegen. Aber gerade das wird sich auf die Umfragen auswirken und wahrscheinlich auch auf die Wahlen im Frühjahr 2019. Bis dahin werden wir weiter genau hinschauen, was sich in Brüssel so alles tut und wer zu was eine Bemerkung macht.

Zur Erinnerung: Mehrfach wurden wir gebeten, die Identität des Briefeschreibers aus Brüssel preiszugeben. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit von Informanten und Redaktion. Sie erinnert an die sogenannten Junius letters, in denen ein Pseudonym namens Junius in der Zeitschrift Public Advertiser in London vom 21. Januar 1769 bis zum 12. Mai 1772 Briefe über die  Geschehnisse am Hofe und im Parlament veröffentlichte. Darin wurden die Machenschaften in der Königsfamilie, von Ministern, Richtern und Abgeordneten satirisch und mit Sachkenntnis der internen Vorgänge und Intrigen aufgespießt. Die Junius-letters gelten als erster Beleg des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechts.

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