Für Polygamisten und Polyamoristen stellt sich die Frage, ob es zulässig sein kann, aufgrund der Anzahl der Ehegatten einen Unterschied zu machen. Polyamorie gibt es in den verschiedensten Variationen. Üblicherweise ist es eine ménage à trois, eine Frau, die mit zwei Männern lebt, aber es können auch zwei Paare sein, die zusammen leben - oder nahezu jede andere Konstellation. Allerdings besteht die Anhängerschaft der Polyamorie auf dem Unterschied zur Polygamie. Diese ist in der Regel patriarchalisch und religiös. Polyamore Beziehungen hingegen sind von säkularer Natur, wobei die Frau oft im Mittelpunkt steht. Laut den Polyamoristen leben in den USA 500.000 Familien offen in polyamoren Beziehungen. Eine aktuelle Befragung des Loving More magazine ergab, dass fast zwei Drittel dieser Familien eine rechtliche Anerkennung anstreben würden, wenn dies möglich wäre. Mehr als 90 Prozent waren der Ansicht, dass ihre Beziehungen dieselben Rechte, Privilegien und Pflichten haben sollten wie die traditionelle Ehe. Politisch aktive Polyamoristen beklagen ihre Benachteiligung im Hinblick auf Wohnraum, Beschäftigung und das Sorgerecht für Kinder.
"Es wäre schön..., Haushalte zu haben, in denen unsere Partner vor dem Gesetz gleich sind und sogar noch einen Schritt weiter im Hinblick auf Rente, Erbrecht und Vermögensteilung," sagt Zoe Duff, die Vorsitzende der Canadian Polyamory Advocacy Association. Zur Zeit sind Mehrfachbeziehungen allerdings genauso (un-)beliebt wie homosexuelle Beziehungen vor zwanzig Jahren. Sie gelten als anrüchig. Laut einer Meinungsumfrage, betrachten 59 Prozent der Amerikaner Homosexualität als moralisch vertretbar, während nur 14 Prozent Polygamie und sechs Prozent Ehebruch gutheißen. Es wäre für einen in einer öffentlich polyamoren Beziehung lebenden Politiker undenkbar, gewählt zu werden. Aber werden die Amerikaner in zwanzig Jahren offener sein? Das ist nicht unwahrscheinlich. Polyamoristen haben aus dem jahrzehntelangen Kampf für die gleichgeschlechtliche Ehe gelernt. Die bewährten Strategien der Schwulenaktivisten werden nun zu den Strategien der Polyamoriebewegung.
Positive Darstellung in den Medien
Die Medienberichterstattung zum Beispiel ist provokativ aber positiv. Showtime, ein Kabel-Fernsehsender von CBS, hat eine Reality Serie namens "Polyamory: Married and Dating" aufgesetzt, die in Südkalifornien spielt und in der die Charaktere Mehrfachbeziehungen führen. Die zweite Staffel beginnt am 15. August. Infolge des Urteils des Verfassungsgerichts haben Zeitschriften wie Washingtonian, Slate und Salon Berichte über die Normalität der Polyamorie veröffentlicht. Sie stellen diese Art von Beziehung als Herausforderung, aber auch als Bereicherung dar. Eine Dame in einem Salon-Artikel sagte: "Wie in jeder anderen Beziehung auch [brauchen wir]: Kommunikation, Ehrlichkeit, Vertrauen und Respekt. Kompromissfähigkeit kann auch ganz hilfreich sein. Aber vor allem zelebrieren wir die Individualität jedes einzelnen und versuchen nie einander zu unterdrücken oder zu kontrollieren. Unser Leben ist angenehm und friedlich... Wenn meine Tochter über gleichgeschlechtliche Ehe oder polyamore Beziehungen spricht, schaut sie immer ganz fassungslos und sagt, "Ich verstehe nicht, wie jemand etwas gegen Menschen haben kann, die einander lieben und niemandem etwas zuleide tun." Und ich wünsche mir eine Welt, in der jeder in der Lage ist, es so simpel zu sehen wie sie."
So geboren
Der Homo sapiens sei nicht von Natur aus monogam, wenn es nach den Befürwortern der Polyamorie geht, und Treue nahezu unmöglich in der heutigen Gesellschaft. Die Autorin Meghan Laslocky behauptete kürzlich auf CNN, dass gerade einmal drei bis fünf Prozent der Säugetierarten monogam lebten. Eine genauere Betrachtung der Liebesbeziehungen bei Vögeln zeige, dass monogame Arten wie die Unzertrennlichen (Agapornis) und Pinguine außereheliche Affären eingehen. Wissenschaftler behaupten ein "Untreue-Gen" entdeckt zu haben. "Ob jemand es schafft, monogam zu leben, hängt sowohl von der Biologie als auch von der Umwelt ab," sagt Laslocky. Es gewinnt die Ansicht an Boden dafür, dass die Vorliebe für Mehrfachbeziehungen keine Frage des Lebensstils, sondern vielmehr genetisch bedingt sei. Dies ist eines der gewichtigsten Argumente für die Neudefinition von Ehe im Sinne von Homosexuellen. Wenn sie nichts für ihre Neigung können, ist es folglich diskriminierend, ihnen das Recht auf Eheschließung zu verweigern. Dasselbe Argument gilt für Polyamoristen.
Die polyamore Lebensweise wird als heilsame, aufopferungsvolle Art der Liebe dargestellt. Die meisten Polyamoristen haben damit zu kämpfen, nicht eifersüchtig zu werden, wenn ein Partner eine neue Liebesbeziehung eingeht. Diese Exklusivität wird jedoch als egoistisch und dagegen anzukämpfen als Beweis dafür erachtet, dass Polyamorie weit mehr als nur sexuelle Freizügigkeit bedeutet. Theoretiker behaupten, sie fuße auf einer erhabenen, ethischen Vision bestehend aus "fünf Prinzipien: Selbsterkenntnis, radikale Ehrlichkeit, Konsens, Selbstbeherrschung und der Vorrang von Liebe und Sex vor anderen Emotionen wie zum Beispiel der Eifersucht." Wenn gleichgeschlechtliche Ehe rechtsgültig wird, kann man sich gut vorstellen wie verlockend diese Rhetorik werden könnte.
Einen Rechtsfall konstruieren
Ebenso wie der Fall der gleichgeschlechtlichen Ehe auf der Ablehnung diskriminierender Gesinnungen basiert, argumentieren die polyamoren Rechtswissenschaftler, gestützt auf eine Reihe wissenschaftlicher Forschung zur Homosexualität, dass Satzungen geändert werden müssen, um eine größere Bandbreite an sexuellen Vorlieben abzudecken. Ann E. Tweedy, von der Hamline University School of Law, argumentiert in University of Cincinatti Law Review, dass Polyamorie eine Art sexuelle Orientierung sei: "Schutz vor Diskriminierung für Polyamoristen ist berechtigt, denn Polyamorie scheint zumindest auf moderate Weise in die Identität mit einzufließen, Polyamoristen sind erheblicher Diskriminierung ausgesetzt und nicht-monogame Lebensweise ist ein Grund für Ungleichbehandlung in der amerikanischen Kultur. Außerdem hat Polyamorie die wichtigsten Eigenschaften mit einer sexuellen Orientierung im herkömmlichen Sinne gemein, so dass es durchaus Sinn macht, Polyamorie als Teil dieser zu betrachten." Darüber hinaus betont Tweedy, dass Polyamoristen und deren Kinder aufgrund ihres Lebensstils oft gemobbt, stigmatisiert und beleidigt würden. Eine rechtliche Anerkennung ihrer Beziehungen würde helfen, dies zu ändern.
Kinder sind optional
Kinder werden nahezu gar nicht in der Literatur über Polyamorie erwähnt. Die polyamore Lebensweise ist ganz der Liebesaffäre, der Annehmlichkeit und der sexuellen Befriedigung gewidmet. Die Kinder, die in Medienberichten flüchtig erwähnt werden, stammen meist aus der ersten Ehe. Die Argumentation zu Gunsten der Polyamorie bezieht sich nur auf die Zufriedenheit der Erwachsenen, nicht aber auf den Anspruch nach einer sicheren und fürsorglichen Umgebung für Kinder. Anwälte können daher glaubhaft argumentieren, dass die rechtliche Anerkennung niemandem schaden würde, vor allem da polyamore Beziehungen bei erfolgreichen Geschäftsleuten, die sich die Umstände einer glücklichen Kindheit leisten können, zu florieren scheinen.
Schliddern wir also geradewegs auf die rechtlich anerkannte Polyamorie zu? Alles hängt vom Erfolg der Kampagne für die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Viele Leute in polyamoren Konstellationen sowie viele, wenn nicht die meisten, homosexuellen Paare sind gegen die polyamore Ehe. Sie glauben das wäre zu restriktiv. Für diejenigen jedoch, die sich nach sozialer Anerkennung und Respekt sehnen, ist die Ehe eine politische Notwendigkeit. Wie ein Poly Blogger es ausdrückte: "Wenn man das Rahmenwerk von Grundrechten und sozialer Akzeptanz als rutschigen Abhang betrachtet, hat man die Debatte bereits verloren, sobald man den Mund aufmacht. Kein Wunder also, dass man nicht verstanden wird. Auf einem eisigen Abhang auszurutschen, ist schmerzhaft und führt unwiderruflich nach unten. Stattdessen sollte man das Bild der aufsteigenden Treppe verwenden. Jeder Schritt ist ein bewusster, aufwändiger, sorgsam gewählter Fortschritt in Richtung einer menschlicheren, gerechten und aufgeklärten Welt."
Zuerst erschienen am 6. August 2013 in:
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