Ein praktischer Lösungsweg liegt im realen Umgang mit dem Subsidiaritätsprinzip. Hier zeigt sich, wes Geistes Kind in Brüssel herrscht oder wie die Zentralstaatskultur ausgelegt wird. Das Prinzip wurde in der katholischen Soziallehre durchdacht und formuliert und genießt seit "Rerum novarum" und vor allem seit "Quadragesimo anno" (1931) weltweite Anerkennung, wenigstens theoretisch. 1992 wurde das Subsidiaritätsprinzip in den Maastricht-Vertrag eingeführt und ist mithin offizieller Bestandteil der EU-Politik. Die nationalen Parlamente sollen seine Einhaltung überwachen. In der Praxis klappt das zumindest in Deutschland nicht gut. Ein Grund dafür ist die Sprachhürde: Die EU-Kommission legt die für eine Subsidiaritätsprüfung notwendigen Schriftsätze nur in Englisch vor. Deutsche Übersetzungen fehlen, denn die - auch von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) durchgesetzten - Einsparungen in der EU-Verwaltung führten zu Rationalisierungen bei den Übersetzerdiensten. Fachenglisch verstehen jedoch nur wenige Beamte (altersunabhängig) im Bundestag und Bundesrat bzw. in den Landesparlamenten. Und für amtliche Übersetzungen fehlt die Zeit.
Wer das Subsidiaritätsprinzip ernst nimmt, muss nicht nur den Nationalstaaten, sondern auch den Regionen wesentliche Zuständigkeiten einräumen. Wie sollen andernfalls die untergeordneten Verwaltungseinheiten ihre Aufgaben erfüllen, wenn der Staat bzw. die EU omnipräsent durchregiert? Die vollständige Autonomie Schottlands wurde nicht erreicht, aber London muss die gemachten Zugeständnisse, beispielsweise in der Sozialpolitik, einlösen. Die schottische Regionalregierung kann jetzt ihrerseits beweisen, dass sie Schottland in der Tat besser zum Wohle aller Familien regieren kann, weil sie näher am Menschen ist. Dazu gehört auch, darauf zu achten, dass die Familien als grundlegende gesellschaftliche Einheit in der Tat über sich und ihre Lebensform selbst entscheiden können (echte Wahlfreiheit), und dass die errungenen Zuständigkeiten nicht wieder durch die EU neutralisiert werden. Ein durch neue Zuständigkeiten gestärktes Schottland wäre ein deutliches Signal nach Brüssel, die Subsidiaritätsprüfung durch regionale Parlamente ernster zu nehmen als bisher.
Das ist auch eine Chance für die neue EU-Kommission. Sie kann, ohne das Gesicht zu verlieren, manchen Gesetzesentwurf einfach wieder neu erarbeiten oder ganz verschwinden lassen, sofern er einer Subsidiaritätsprüfung durch Schottland, Flandern, Katalonien, Südtirol, Korsika oder das Baskenland nicht standhalten konnte. Aus diesen Regionen könnte deshalb künftig ein frischer Impuls für die Wiederbelebung des Subsidiaritätsprinzips ausgehen. Zu wünschen wäre es - nicht nur für die Regionen, sondern auch für Europa. Das Signal aus den Highlands sendet noch.