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Wird der Islam nach 2070 zur größten Religion der Welt?

Entscheidend ist die Entwicklung in Afrika / Hohe Zuwachsrate der Christen in China / Von Emma Green

(lifePR) (Sankt Augustin, )
Gewappnet mit riesigen Datenmengen prognostizierendie Forscher des Pew Research Centers, dass es nach 2070 mehr Muslime als Christen auf der Welt geben wird. "Durch die Datenerfassung zur Zukunft der Religionen erfahren wir viel über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionsgruppen, die es heute gibt,"sagt Conrad Hackett, der leitende Demograph des neuen umfassenden Berichts. Die Forscher studierten Volkszählungsdaten, Studien und Bevölkerungsregister aus 234 Ländern, um so die zukünftige Größe der Religionsgemeinschaften der Welt abschätzen zu können. Sie raten den Lesern allerdings, die Daten mit Vorsicht zu interpretieren - es gibt immerhin eine ganze Seite zum Haftungsausschluss - bieten jedochEinblicke in das, was Demographen am besten wissen, nämlich wie sich Völker durch Geburten-, Todes- und Migrationszahlen über die Jahre definieren und entwickeln.

Die Ergebnisse sind faszinierend. So gehen die Forscher zum Beispiel davon aus, dass die muslimische Bevölkerung bis zum Jahr 2050 doppelt so schnell wachsen wird wie die übrige Weltbevölkerung - hauptsächlich aufgrund der Tatsache, dass Muslime grundsätzlich jung sind und eine hohe Fertilitätsrate aufweisen. Der Großteil der Muslime wird dann so wie heute auch in Asien und der Pazifikregion zu finden sein(auch wenn der Islam die vorherrschende Religion im Nahen Osten ist, leben dort nur zwanzig Prozent der Muslime). Die Lebenserwartung der Muslime wird zwar über die nächsten vier Jahrzehnte ansteigen, allerdings werden Muslime im Schnitt immer noch früher sterben als Angehörige anderer Religionen, autochthone und animistische Religionen eingeschlossen. Juden hingegen leben am längsten. Im Jahr 2050 wird ihre Lebenserwartung bei 85 Jahren liegen - im Vergleich zu 75 Jahren bei der muslimischen Bevölkerung. Laut Hackett liegt der Grund dafür in der hohen Konzentration der jüdischen Bevölkerung: rund 80 Prozent der Juden leben in Israel und den USA, beides hoch entwickelte Länder.

Aber vielleicht ist die bedeutendste Erkenntnis, dass der Islam in den kommenden Jahrzehnten das Christentum als größte Religionsgemeinschaft der Welt sukzessive ablösen könnte. (A.D.R.: Auch in den islamisch geprägten Ländern des Nahen und Mittleren Ostens zeigen die Geburtenraten ein stark fallende Tendenz, in manchen Ländern wie dem Iran oder den Vereinigten Arabischen Emiraten sind sie sogar schon unter den Generationenersatz gesunken. Gleichzeitig führen hohe Geburtenraten in Schwarzafrika zu einem sehr raschen Bevölkerungswachstum und ebendort breitet sich der Islam aus (Zur Geburtenentwicklung im Nahen und Mittleren Osten: iDAF-Nachricht der Woche, 2014/3. Zu den UN-Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Afrika.

Betrachten wir die Situation in Europa. Dort war das Christentum historisch bedingt immer die größte Religion. Heute ist es die einzige Region, in der die Anzahl an Christen in den nächsten Jahren voraussichtlich sinken wird. 2010 gehörten 75 Prozent der europäischen Bevölkerung dem Christentum an; für das Jahr 2050liegen die Erwartung eher bei 65 Prozent. Grundsätzlich geht man von einer sinkenden europäischen Gesamtbevölkerung aus.

Die muslimische Bevölkerung Europas hingegen wird mit einem zu erwartenden Zuwachs von 28 Millionen Menschen über die nächsten vierzig Jahre erheblich größer. Muslime werden zwar hier weiterhin in der Minderheit sein und bis zum Jahr 2050 nur rund zehn Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung ausmachen. In Anbetracht der wachsenden Präsenz des Islam und der daraus resultierenden sozialen und politischen Konflikte könnte sich diese Veränderung aber durchaus als folgenschwer erweisen.

Zwar sind auch in Europa und darüberhinaus die Faktoren Alter, Fertilitätsraten und Migration am wichtigsten für die zu erwartende Bevölkerungsveränderung. Allerdings spielen Konversionen auch eine Rolle, wenn auch nur geringfügig. So wird trotz der christlichen Tradition der weltweiten Missionierung das Christentum voraussichtlich global 66 Millionen Anhänger durchAusstieg oder Konversionen verlieren. Diese Zahl ist netto zu sehen, sie spiegelt sowohl die Konversion vom Christentum als auch zum Christentum wieder. Ein erheblicher Anteil dieser Konvertiten wird wohl konfessionslos bleiben. Diese Gruppe der Konfessionslosen wird voraussichtlich um 61 Millionen Menschen wachsen. Dieses Wachstum wird allein durch "Religionsaussteiger"verursacht. Auf natürliche Weise durch Geburtenüberschüsse wird diese Gruppe nicht wachsen, weil die Geburtenraten von Konfessionslosen dafür zu niedrig sind.

Die Abbildung weiter unten verdeutlicht: Männer machen mit 60 Prozent den Großteil der zu erwartenden Aussteiger aus dem Christentum aus. Laut Hackett ist dies darauf zurück zu führen, dass Frauen eine höhere religiöse Bindung aufweisen als Männer. Außerdem ist anzumerken, dass dieser Geschlechterunterschied in Bezug auf Konversionen zwar für das Christentum gilt, nicht jedoch für den Islam: In einigen muslimischen Ländern, so Hackett, gibt es grundsätzlich kaum religiösen Wechsel zum Teil aufgrund der gravierenden sozialen und rechtlichen Konsequenzen, die Konvertiten zu fürchten hätten. (So steht der Abfall vom Glauben im Isam nicht selten sogar unter Todesstrafe, A.d.R.)

Diese Daten scheinen die Theoriezu untermauern, dass sich die Welt auf einem unausweichlichen, historischen Weg zur Säkularisierung befinde. Aber das ist nur eine westliche Sicht der Entwicklung. Die Anzahl an Religionslosen wird in den kommenden Jahrzehnten zwar voraussichtlich moderat steigen, aber die Weltbevölkerung wird schneller wachsen als ihr religionsloser Anteil. Die meisten nicht-religiösen Menschen leben in China, Japan und den USA, eine beachtliche Zahl auch in Europa - allesamt Länder mit relativ alter Bevölkerung und niedrigen Geburtenraten. In vierzig Jahren wird der Anteil an Religionslosen weiterhin nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen - etwas weniger als noch in 2010.

Eine offene Frage bleibt, wie sich Religiosität in China entwickeln wird. Laut Hackett gibt es zurzeitnicht sehr viele verlässliche Daten bezüglich Religionszugehörigkeit im bevölkerungsstärksten Land der Erde. Die meisten bevölkerungsrelevanten Informationen kommen von der Regierung, die seit den 1960er Jahren jeder Form organisierter Religion mehr oder weniger ablehnend gegenübersteht. Auch wenn die Mehrheit der Chinesen religiös ist, würden sie auf einem Fragebogen der Regierung wohl eher keine Angaben zu ihrem Glauben machen, sagt er. Professor Fenggang Yangvon der Purdue University berichtet, dass die Menschen in China gläubiger würden. Er gehe davon aus, dass aufgrund der Wachstumsrate des Christentums der Anteil an Christen in China von 5 Prozent in 2010 auf 67 Prozent im Jahr 2050 ansteigen könnte. Wäre dies wirklich der Fall, würde dies eine erhebliche Verschiebung der christlichen Bevölkerung in der Welt bedeuten.

Sowohl für das Christentum als auch für den Islam stellt Schwarzafrika das größte Potenzial dar - mit extrem hohen Fertilitätsraten sowie einer zu erwartenden Verdopplung der Bevölkerung innerhalb der nächsten vierzig Jahre. Die Anzahl an Christen wird sich voraussichtlich ebenfalls verdoppeln und somit über 1,1 Milliarden Menschen erreichen. Die muslimische Bevölkerung soll um erstaunliche 170 Prozent auf 670 Millionen zulegen. Hauptsächlich aufgrund dieser Entwicklung gehen Forscher davon aus, dass zwei Drittel der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 Christen oder Muslime sein werden.

Die Welt ist auf dem besten Wege, in Bezug auf Religion homogener und nicht vielfältiger oder säkularer zu werden. Theorien zur Säkularisierung basieren auf der Vision einer Welt, die kulturell durch den Westen geprägt ist. Und es mag stimmen, dass die USA und Europa in den nächsten Jahren etwas weniger religiös werden. Aber was die schieren Zahlen angeht, schrumpft der Westen und damit auch das Ausmass der Säkularisierung. Der Rest der Welt ist jedenfalls auf einem anderen Weg.
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