Relativ seltene Krebsart: 2.500 Neuerkrankungen jährlich in Deutschland
Weichteilsarkome sind bösartige (maligne) Tumoren, deren Gewebsstruktur den Weichteilen des menschlichen Körpers ähnelt, zumeist dem Muskel-, Fett- oder Stützgewebe. Oft gehen sie auch von diesen Weichteilen aus. Auftreten können die Tumoren allerdings überall im Körper. Am häufigsten betroffen sind die unteren Extremitäten, also die Beine. Dabei handelt es sich um eine relativ seltene Krebsart: Für Deutschland schätzt man die Zahl der jährlich neu diagnostizierten Erkrankungen auf 2500. Nicht in die Bewertung aufgenommen wurden Studien zu Patienten mit einem Tumor aus der "Ewing-Sarkom-Gruppe", bei der die Unterscheidung zwischen Weichteil- und Knochentumor nicht ganz eindeutig zu treffen ist.
Vielfach tritt ein Weichteilsarkom zunächst als schmerzlose Geschwulst in Erscheinung. Beschwerden verursachen kann es u.a. dann, wenn Druck auf andere Organe entsteht, was deren Funktionsfähigkeit einschränken kann. Lebensbedrohlich wird der Tumor, wenn er in andere Organe einwächst oder Absiedlungen (Metastasen) in anderen Teilen des Körpers bildet ("Hochrisikopatienten").
Tumoren treten häufig erneut auf
Für Patienten mit lokal begrenzten Weichteilsarkomen ist die chirurgische Operation die Standardbehandlung. Patienten mit Fernmetastasen werden dagegen standardmäßig einer Chemotherapie unterzogen. Ziel ist dabei, die Krebszellen abzutöten.
Auch wenn die Chemotherapie scheinbar erfolgreich ist, tritt die Erkrankung jedoch bei sehr vielen Patienten nach kurzer Zeit erneut auf. Deshalb wird in bestimmten Fällen empfohlen, eine Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation unmittelbar anzuschließen. Die erhöhte Dosis soll auch die bisher im Verborgenen überdauernden Krebszellen erreichen - so ist jedenfalls die Annahme für dieses experimentelle Verfahren. Möglicherweise sind die Krebszellen aber resistent gegenüber der Chemotherapie und das unabhängig von der Höhe der Dosis.
Autologe Stammzelltransplantation: Stammzellen stammen vom Patienten
Durch eine solche Hochdosis-Chemotherapie werden aber in der Regel neben den Tumorzellen auch die lebenswichtigen blutbildenden Stammzellen geschädigt. Deshalb werden den Patienten zuvor Stammzellen entnommen, um sie ihnen nach der Behandlung wieder zurück zu übertragen. Diese Stammzellen siedeln sich zumeist im Knochenmark wieder an und bringen dort die Blutbildung erneut in Gang. Stammen die übertragenen Stammzellen vom Patienten selbst, spricht man von einer autologen Stammzelltransplantation. Die allogene Stammzelltransplantation, bei der die Spende von einem anderen Spender stammt, wurde vom IQWiG nicht untersucht.
IQWiG untersucht Nutzen für Hochrisikopatienten
Im Mittelpunkt des jetzt vorgelegten IQWiG-Berichts stehen "Hochrisikopatienten": Das sind Patientinnen und Patienten, die an einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Weichteilsarkom erkrankt sind. Um den Nutzen der autologen Stammzelltransplantation zu bewerten, haben das IQWiG und seine externen Sachverständigen verglichen, wie sich die Therapieergebnisse von Patienten mit und ohne eine solche Stammzelltransplantation anhand der derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Literatur darstellen.
Auch Studien ohne Vergleichsgruppe berücksichtigt
Stammzelltransplantationen bei Weichteilsarkomen sind - wie die Erkrankung selbst - relativ selten. Das europaweite Knochenmarksregister (European Group for Blood and Marrow Transplantation, EBMT) weist beispielsweise für das Jahr 2005 insgesamt nur 69 autologe Stammzelltransplantationen aufgrund der Diagnose Weichteilsarkom aus. Angesichts der niedrigen Fallzahlen und der erwartbar geringen Zahl klinischer Studien insgesamt schränkten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Suche nicht auf bestimmte Studientypen ein.
Obwohl Studien ohne Vergleichsgruppe, wie beispielsweise Fallberichte, in der Regel mit einer hohen Ergebnisunsicherheit behaftet sind, wurden sie in diese Nutzenbewertung einbezogen. Denn unter bestimmten Bedingungen können sie dazu beitragen, dramatische Effekte oder unerwünschte Ereignisse zu erkennen.
Alle Studien anfällig für Verzerrungen
Insgesamt haben die Wisssenschaftlerinnen und Wissenschaftler 105 Arbeiten in die Bewertung mit einbezogen. Lediglich 5 Studien hatte ein vergleichendes Design, d.h. es gab jeweils eine Gruppe mit einer Behandlung mit und ohne autologer Stammzelltransplantation. Bei keiner dieser 5 Studien waren die Patientinnen und Patienten nach dem Zufallsprinzip einer der beiden Gruppen zugeteilt worden, d. h. es handelte sich um nicht randomisierte Studien. Bei den übrigen 100 Studien handelte es sich um Fallserien oder Einzelfallbeschreibungen.
Aufgrund ihres Design und der Qualität ihrer Durchführung waren alle Studien in hohem Maße anfällig für Verzerrungen. Zum Teil kamen sie zu widersprüchlichen Ergebnissen. Auch aus den vergleichenden Studien lassen sich deshalb keine belastbaren Ergebnisse ableiten.
Patienten über unsichere Datenlage informieren
Trotz der breit angelegten Recherche nach geeigneten Studien reicht die derzeit verfügbare Evidenz somit nicht aus, um einen möglichen zusätzlichen Nutzen oder Schaden der autologen Stammzelltransplantation bei Weichteilsarkomen daraus ableiten zu können.
Aus Sicht des IQWiG ist es deshalb derzeit nicht vertretbar, diese Therapieform außerhalb von kontrollierten klinischen Studien einzusetzen. Mit Hilfe dieser Studien ließen sich auch die derzeitigen Wissenslücken am besten schließen und so die Patientensicherheit erhöhen. Bei diesen klinischen Vergleichen müsste es sich nicht ausschließlich um randomisierte Studien handeln. Es müsste allerdings sichergestellt sein, dass die Therapieergebnisse wirklich vergleichbar sind.
Für unabdingbar halten es die Expertinnen und Experten des IQWiG, dass Patientinnen und Patienten vor einer Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie eingehend über die derzeit noch unsichere Datenlage informiert werden.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG Anfang März 2009 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im September 2009 an den Auftraggeber versandt. Da keine schriftlichen Stelllungnahmen eingegangen waren, fand auch keine mündliche Erörterung statt.