Demnach ist der Nutzen oder Schaden einer solchen biomarkerbasierten Strategie für diese Patientinnen derzeit nicht belegt: Die Daten aus drei der vier in die Auswertung eingeschlossenen Studien sind so unvollständig, dass sie nicht verwendet werden können. Die vierte Studie allein reicht zur Beantwortung der Fragestellung nicht aus. Anfang 2016 werden jedoch die Ergebnisse dreier weiterer relevanter Studien erwartet, die dann im Abschlussbericht berücksichtigt werden könnten.
Bis zum 08. Dezember 2015 können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen zu diesem Vorbericht abgeben.
Welche Patientinnen profitieren von einer Chemotherapie?
Den Bewertungsauftrag hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G‑BA) dem IQWiG im April 2014 erteilt. Untersucht werden soll der Nutzen eines Einsatzes von Biomarkern für die Therapieentscheidung für Frauen, bei denen bisher unklar ist, ob sie überhaupt ein Rezidiv erleiden würden beziehungsweise ob ihr Krebs auf die Chemotherapie ansprechen würde. Wenn das nicht der Fall ist, ist eine adjuvante Chemotherapie eine unnötige Belastung. Offen ist das bei Patientinnen mit primärem Hormonrezeptor-positivem, HER2/neu-negativem Mammakarzinom, bei denen höchstens drei Lymphknoten befallen sind. Für andere Patientinnen, etwa solche mit HER2/neu-positivem Mammakarzinom oder Fernmetastasen, stellt sich diese Frage nicht.
Mit einer adjuvanten Chemotherapie nach einer erfolgreichen Primäroperation will man mögliche Mikrometastasen ausschalten und so ein Rezidiv verhindern. Etwa 80 Prozent der Betroffenen erleiden aber auch ohne eine solche Chemotherapie in zehn Jahren kein Rezidiv. Allein anhand etablierter Faktoren wie Alter, Lymphknotenstatus und Grading lässt sich die relativ kleine Gruppe der Patientinnen, die wirklich von der Chemotherapie profitieren, nicht sicher bestimmen. Von sogenannten Biomarkern erhofft man sich sichere Aussagen zum differenziellen Nutzen einer solchen Zusatztherapie.
Viele Studienteilnehmerinnen nicht berücksichtigt
Bei der Literaturauswertung erwiesen sich zwei abgeschlossene randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und zwei abgeschlossene Prognosestudien als relevant für die Fragestellung. In allen Fällen wurden archivierte Tumorproben nachträglich mit Biomarkern untersucht und diese Testergebnisse mit dem jeweiligen Verlauf der Erkrankung in Beziehung gesetzt.
In drei der vier Studien beruhen die Ergebnisse auf weniger als 70 Prozent der ursprünglich in die Auswertung einzuschließenden Patientinnen – etwa, weil Proben bereits für andere Auswertungen verbraucht oder für den Test nicht geeignet waren oder weil keine Einwilligung in die erneute Verwendung der Proben vorlag. Die Ergebnisse dieser drei Studien konnten daher nicht für die Nutzenbewertung herangezogen werden.
Fernrezidive: Nach zehn Jahren kein klarer Unterschied
Die vierte Studie hat sowohl auf Studien- als auch auf Endpunkt-Ebene ein hohes Verzerrungspotenzial. In ihr wurde untersucht, ob mit einer bestimmten adjuvanten Chemotherapie ein signifikant höherer Anteil der Patientinnen nach zehn Jahren frei von Fernrezidiven blieb als mit einer anderen Chemotherapie – und zwar getrennt nach niedrigem und hohem EP-Score, dem Ergebnis des Biomarker-Tests EndoPredict. Da sich die Anteile der Frauen ohne Fernrezidiv in keiner der beiden EP-Score-Gruppen zwischen den beiden Chemotherapien signifikant unterschieden, lässt sich aus diesen Ergebnissen keine Aussage über einen Nutzen dieses biomarkerbasierten Tests für die Therapieentscheidung ableiten.
Laufende Studien geben Anlass zur Hoffnung
„Dafür, dass die Hersteller seit Jahren mit großem Aufwand die Werbetrommel für ihre Biomarker-Tests rühren und bei den betroffenen Frauen große Hoffnungen wecken, ist die Datenlage erstaunlich dünn“, kommentiert Stefan Lange, der stellvertretender Leiter des IQWiG. „Sinnvoll wäre es, erst den Nutzen klar zu belegen und dann die PR-Maschine anzuwerfen.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts haben jedoch sechs weitere, noch laufende Studien ausfindig gemacht, die relevante Ergebnisse erwarten lassen – drei davon bereits Anfang 2016: MINDACT, TAILORx und planB.
Nach den ersten Zwischenauswertungen eines Teils der TAILORx-Studie erleiden unter den nur mit Hormonen behandelten Frauen, die einen niedrigen Risikoscore des Tests Oncotype aufweisen, in den ersten fünf Jahren nach der Operation nur gut ein bis gut zwei Prozent ein Rezidiv. Genauer lässt sich der Prozentsatz nicht bestimmen, da die Ergebnisse zu den relevanten Rezidiven nicht patientenbezogen angegeben wurden. Sollte sich dieses Ergebnis als stabil erweisen, sodass man mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen kann, dass die Rezidivrate nach zehn Jahren fünf Prozent oder mehr beträgt, so ließen sich mit dem Test Patientinnen identifizieren, bei denen die zu erwartenden Nebenwirkungen einer Chemotherapie ihren erwarteten Nutzen übersteigen. Damit wäre die Voraussetzung erfüllt, um dem Test einen Nutzen zuzusprechen.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im September 2014 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im Juli 2015 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.