Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat deshalb das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, ein solches Einladungsschreiben sowie eine Entscheidungshilfe zu entwerfen. Die Entwürfe für beide Dokumente liegen nun vor. Interessierte Personen und Institutionen können bis zum 21. Juli 2016 Stellungnahmen dazu abgeben.
Künftig Einladung durch Krankenkassen
Vorgaben einer 2013 verabschiedeten Gesetzesänderung folgend, wird die Darmkrebs-Früherkennung derzeit vom Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) reformiert: Angelehnt an die Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs soll ein „organisiertes Programm“ zur Darmkrebs-Früherkennung aufgebaut werden, zu dem die jeweilige Krankenkasse ihre Versicherten künftig schriftlich einlädt.
Eine zentrale gesetzliche Anforderung an das neue Screening-Modell ist, dass es Versicherten eine informierte Entscheidung ermöglichen soll. Dazu sollen die Vor- aber auch die Nachteile der Früherkennung allgemein verständlich, umfassend und ausgewogen dargestellt werden.
Zu den Eckpunkten des Auftrags gehört, dass Männer ab dem Alter von 50 und Frauen ab 55 Jahren zwei Koloskopien im Mindestabstand von 10 Jahren in Anspruch nehmen können. Zudem können sie ihren Stuhl auf nicht sichtbares Blut untersuchen lassen, wobei ein neues, immunologisches Verfahren (iFOBT) zum Einsatz kommt.
Darmkrebs lässt sich früh erkennen
Wie jede Reihenuntersuchung richtet sich auch die Darmkrebs-Früherkennung an Personen, die keine Hinweise auf Darmkrebs haben.
In diesen Untersuchungen sollen zum einen langsam wachsende, gutartige Darmpolypen erkannt werden, bevor sie „bösartig“ werden. Zum anderen sollen Karzinome identifiziert werden, bevor sie Beschwerden bereiten und Absiedlungen (Metastasen) bilden. So kann insgesamt die Sterblichkeit (Mortalität) und die Erkrankungshäufigkeit nebst ihren Folgekomplikationen (Morbidität) gesenkt werden.
Erster Schritt: Was wollen Adressaten wissen?
In einem ersten Schritt haben die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler qualitative Studien recherchiert und ausgewertet, die der Frage nachgingen, welche Informationsbedürfnisse Männer und Frauen in den jeweiligen Altersgruppen haben.
In einem zweiten Schritt haben sie die Texte für das Einladungsschreiben sowie für die Entscheidungshilfe verfasst. Vor allem aufgrund der Unterschiede beim Erkrankungsrisiko hat das IQWiG für Männer und Frauen jeweils eigene Entscheidungshilfen im Umfang einer 20-seitigen DIN-A5-Broschüre erarbeitet.
Auch Ärztinnen und Ärzte in Nutzertest einbezogen
Alle Texte wurden einem Nutzertest unterzogen, und zwar sowohl mit potenziellen Empfängern als auch mit medizinischen Experten: In vier Gruppendiskussionen mit männlichen und weiblichen Testlesern im fraglichen Alter sowie acht Interviews mit Ärztinnen und Ärzten wurden die Materialien daraufhin geprüft, ob sie verständlich sind, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und wo sie verbessert werden sollten.
Auf Basis der Ergebnisse des Nutzertests wurden die jetzt im Vorbericht veröffentlichten Versionen der Materialien erstellt.
Auch Unsicherheit muss kommuniziert werden
Die Darstellung der Vor- und Nachteile ist bei der Darmkrebs-Früherkennung noch anspruchsvoller als bei der der Mammografie zur Brustkrebsfrüherkennung. „Das Angebot beinhaltet mit dem immunologischen Stuhltest und der Koloskopie zwei verschiedene Testmethoden, deren entscheidende Vor- und Nachteile bislang nur abgeschätzt werden können“, sagt Klaus Koch. „Auch diese Unsicherheit muss kommuniziert werden“.
In den Texten werden deshalb zu den Vor- und Nachteilen zum Teil breite Zahlenspannen benannt. Ein Beispiel: Bezogen auf einen Zeitraum von zehn Jahren erkranken von 1000 Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren ohne Früherkennung acht an Darmkrebs; mit Früherkennung sind es drei bis sieben.
Im Nutzertest hat sich gezeigt, dass diese Darstellung der Vor- und Nachteile bezogen auf 1000 Personen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das persönliche Risiko gut verdeutlichen kann.
Risiken und Nachteile oft nicht bewusst
Da einige Nutzerinnen und Nutzer ihr Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, aber vorher höher eingeschätzt hatten, führte diese neue Information dazu, dass sie den Sinn der Untersuchung hinterfragten. Manche empfanden die Materialien sogar als abratend. Um diesen Eindruck so weit wie möglich zu vermeiden, wurden die Formulierungen noch einmal kritisch überarbeitet.
„Vermutlich wird sich die Wahrnehmung aber nicht völlig vermeiden lassen“, sagt Klaus Koch. „Wir bewegen uns nämlich im einem Umfeld, in dem wir alle regelmäßig Kampagnen zur Darmkrebs-Früherkennung ausgesetzt sind, in denen die realen Risiken und Nachteile oft unerwähnt bleiben.“
Zum Ablauf der Berichtserstellung
In die Bearbeitung des Projekts sind sowohl externe Sachverständige in beratender Funktion eingebunden als auch externe Dienstleister, die den Nutzertest durchführten.
Der Berichtsplan, in dem das Vorgehen beschrieben wird, wurde im Oktober 2015 auf der Website des Instituts publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Daran anschließend werden die Materialein bei Bedarf überarbeitet und erneut einem Nutzertest unterzogen. Danach wird der Abschlussbericht erstellt und an den Auftraggeber weitergeleitet.