Das Ergebnis: Nach umfangreicher Recherche des IQWiG und nach einem öffentlichen Stellungnahmeverfahren zeigen sich große Evidenzlücken. So liegen für unter 50-Jährige weder gezielte Screening-Studien noch Daten vor, aus denen sich Erkenntnisse zum Darmkrebs-Screening in der Gesamtbevölkerung bei über 50-jährigen auf Jüngere übertragen und so indirekte Schlussfolgerungen ziehen ließen.
Falls die Darmkrebsfrüherkennung bei Personen unter 50 Jahren mit familiärem Darmkrebsrisiko trotz der spärlichen Evidenz in Deutschland breiter angewendet oder grundsätzlich eingeführt werden sollte, empfiehlt das IQWiG die begleitende Evidenzgenerierung, zum Beispiel durch einen Vergleich mit der Situation in einem anderen Land, in dem kein solches Risikogruppenscreening etabliert ist. Wie eine solche Begleitevaluation ausgestaltet sein sollte, um aussagekräftige Evidenz liefern zu können, beschreibt das IQWiG ausführlich in seinem Abschlussbericht.
„Krebs ist nicht gleich Krebs – deshalb darf man nicht so tun, als ob der Nutzen des familiären Darmkrebsscreenings klar sei“, betont Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nicht medikamentöse Verfahren beim IQWiG: „Es ist also keineswegs ‚logisch‘, dass auch jüngere Menschen mit familiär erhöhtem Risiko von Darmkrebsfrüherkennung profitieren. Und es kann durchaus sein, dass eine Darmkrebsfrüherkennung dieser Personengruppe keine Vorteile bietet. Doch das lässt sich nur durch gute begleitende Studien untersuchen – mehr Forschung dazu ist dringend nötig.“
Zu viele Forschungsfragen sind offen
Gegenwärtig wird die organisierte Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland ab einem Alter von 50 Jahren angeboten und nicht spezifisch für bestimmte Risikogruppen. Deshalb haben Personen mit familiärem Darmkrebsrisiko unter 50 Jahren gegenwärtig keinen Anspruch auf Teilnahme an der organisierten Darmkrebsfrüherkennung. Bei Personen mit familiärem Darmkrebsrisiko ist mindestens ein Verwandter oder eine Verwandte 1. oder 2. Grades (Mutter, Bruder, Kusine, Tante, Großvater etc.) an Darmkrebs erkrankt, ohne dass eine konkrete genetische Ursache bekannt ist. Dann ist das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, doppelt bis vier Mal so hoch wie bei Personen ohne Darmkrebs in der Familie (siehe dazu auch die frühere IQWiG-Bewertung S11-01 LINK).
Was zum Nutzen und Schaden einer Darmkrebsfrüherkennung bei Personen mit familiärem Darmkrebsrisiko unter 50 Jahren bekannt ist – dazu hat das IQWiG nach Studien gesucht, die Screening und kein Screening an Personen unter 50 mit familiärem Darmkrebsrisiko vergleichen. Darüber hinaus recherchierte das Institut auch Studien dazu, ob bei Personen mit oder ohne familiäres Risiko ein Darmkrebs ähnlich entsteht, ähnlich verläuft, ähnlich gut diagnostiziert oder ähnlich gut behandelt werden kann.
„Direkte Evidenz fehlt aber, um die zentrale Frage zu beantworten, und es zeigen sich kaum Hinweise für die Übertragbarkeit von Vorteilen des bisherigen Darmkrebs-Screenings auf Menschen unter 50 mit familiärem Darmkrebsrisiko; trotz der intensiven Recherche. Wir haben alle relevante Datenquellen weltweit vergeblich durchsucht, aber die Datenlücken sind gravierend“, so die Bilanz von Daniel Fleer, Bereichsleiter für Nutzenbewertungen von nicht medikamentösen Verfahren beim IQWiG, „die Daten sprechen weder für noch gegen die Übertragbarkeit“.
Zum Ablauf der Berichterstellung
Der G-BA hat das IQWiG im November 2023 mit der Bewertung der Früherkennung von Darmkrebs bei Personen mit familiärem Risiko beauftragt. Die vorläufigen Ergebnisse, den Vorbericht, hatte das IQWiG im August 2024 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens hat das Projektteam den Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im November an den Auftraggeber versandt. Die eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.