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Das AMNOG wirkt … bei Orphan Drugs oft erst später

Bei Orphan Drugs wird das politische Ziel, den Preis am Zusatznutzen auszurichten, erst durch die nachgelagerte reguläre Nutzenbewertung erreicht. Dies zeigt eine aktuelle IQWiG-Auswertung.

(lifePR) (Köln, )
Um die Entwicklung von Arzneimitteln gegen seltene Leiden (Orphan Drugs) trotz wirtschaftlicher Risiken zu fördern, werden diese in Deutschland bevorzugt behandelt: Neue Orphan Drugs müssen erst dann einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nachweisen, wenn sie die 30-Millionen-Euro-Jahresumsatzgrenze (bis November 2022: 50 Millionen Euro) überschreiten. Vorher gilt ihr Zusatznutzen als belegt, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) quantifiziert dann lediglich anhand der (Zulassungs-)Unterlagen das Ausmaß des Zusatznutzens. Ist im Rahmen dieser „eingeschränkten Bewertung“ keine Einordnung in die Kategorien „gering“, „beträchtlich“ oder „erheblich“ möglich, so muss der G-BA dem Wirkstoff immer noch einen „nicht quantifizierbaren“ Zusatznutzen attestieren.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun ausgewertet, welche Auswirkung diese Privilegierung der Orphan Drugs auf die Preise der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat. Ergebnis: Die reguläre Nutzenbewertung nach Überschreiten der Umsatzgrenze im Rahmen des AMNOG-Verfahrens führt in den meisten Fällen zu einer spürbaren weiteren Preissenkung für die Versichertengemeinschaft. Aber die Hersteller profitieren vereinzelt auch von höheren Preisen, wenn IQWiG und G-BA den neuen Wirkstoff in der regulären Nutzenbewertung positiv bewerten.

Erneute Bewertung in Form der regulären Nutzenbewertung führt zu weiterer Preisreduktion

Die aktuelle Analyse des IQWiG bezieht sich auf insgesamt 23 Orphan-Drug-Wirkstoffe, die seit 2011 bis Mitte 2022 sowohl einer eingeschränkten Bewertung als auch regulären Nutzenbewertung unterzogen wurden. Da einige dieser Wirkstoffe für mehrere Anwendungsgebiete zugelassen sind, resultierten daraus zunächst 28 eingeschränkte Bewertungen durch den G-BA. Aus den Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellern im Anschluss an diese eingeschränkten Bewertungen ergab sich hier in 27 Fällen eine Preissenkung gegenüber dem Markteintrittspreis, einmal blieb der Preis konstant. Da für einige dieser Orphan Drugs nach Überschreiten der Umsatzschwelle mehrere zeitgleiche reguläre Nutzenbewertungen zu verschiedenen Anwendungsgebieten durchgeführt wurden, reduzierte sich die Zahl der möglichen Preisänderungen nach den regulären Nutzenbewertungen auf 23. Hieraus ergab sich die folgende Verteilung im Rahmen der GKV-Preisverhandlungen: In 18 Fällen sank der Preis, 2-mal blieb er konstant und 3-mal stieg der Preis.

Die Preisreduktion im Nachgang zur eingeschränkten Orphan-Bewertung bei Marktzugang lag im Mittel bei 14,7 Prozent im Vergleich zum Einstiegspreis in den deutschen Markt. Nach der regulären Nutzenbewertung konnte der GKV-Spitzenverband im Mittel einen weiteren Preisabschlag in Höhe von 12,6 Prozent aushandeln. Der höchste Preisabschlag im Nachgang zur regulären Nutzenbewertung betrug 40,3 Prozent. Preisaufschläge (maximal 14,2 Prozent) zeigten sich ausschließlich nach regulären Nutzenbewertungen.

Die Betrachtung der Jahrestherapiekosten verdeutlicht die durchschnittliche Preisabsenkung der eingeschlossenen Orphan Drugs im Zeitverlauf: Die absolute Höhe der Jahrestherapiekosten sinkt im Median um ca. 30 000 Euro nach der eingeschränkten Bewertung und nach der nachgelagerten regulären Nutzenbewertung nochmalig um ca. 12 000 Euro.

Die Richtung der Preisänderung wird durch den Zusatznutzen bestimmt

„In der Gesamtschau zeigt unsere Analyse, dass bei Orphan Drugs, die zunächst eine eingeschränkte Bewertung durchlaufen haben, eine erneute Bewertung in Form der regulären Nutzenbewertung in den allermeisten Fällen zu einer weiteren Reduzierung der Preise führt“, erläutert Sarah Mostardt, eine der beiden Leiterinnen des IQWiG-Bereichs Gesundheitsökonomie. Dabei beeinflussten die Ergebnisse zum Ausmaß des Zusatznutzens die Preisänderungen entscheidend: „Mit einer positiven Bewertung ist auch eine Preissteigerung möglich“, betont Mostardt.

„Das umfassende Ziel des AMNOG, den Preis eines Arzneimittels vor allem am Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie auszurichten, wird erst durch die nachgelagerte reguläre Nutzenbewertung von Orphan Drugs erreicht“, analysiert IQWiG-Leiter Thomas Kaiser die Ergebnisse der Auswertung und erinnert an ein Vorgängerprojekt, das das Institut im Januar 2022 veröffentlichte: Damals zeigte das IQWiG, dass die Feststellung eines fiktiven Zusatznutzens bei Marktzugang von Orphan Drugs in mehr als der Hälfte der Fälle in der regulären Nutzenbewertung nicht bestätigt wird. „Unsere aktuelle Analyse belegt erneut, dass auch Orphan Drugs eine reguläre Nutzenbewertung durchlaufen können und sollten – und zwar alle“, so Kaiser, der abschließend darauf hinweist, „dass Auswertungen wie diese nicht mehr möglich wären, falls die Hersteller künftig tatsächlich vertrauliche Erstattungsbeiträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen vereinbaren können, so wie es der aktuelle Referentenentwurf für das Medizinforschungsgesetz vorsieht.“

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der vorliegende Bericht wurde in Form eines Arbeitspapiers im Rahmen des Generalauftrags erstellt. Diesen hat der G-BA dem IQWiG im Dezember 2004 erteilt, um die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Instituts zu stärken. Der Generalauftrag ermöglicht es dem IQWiG, eigenständig Themen aufzugreifen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Im Unterschied zu anderen Berichtsformen gibt es keine Fristen für die Publikation von Arbeitspapieren. Das IQWiG hat das Arbeitspapier „Preis- und Kostenentwicklung von Orphan Drugs“ am 18.01.2024 an den G-BA versendet.

Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können.

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