Im Auftrag des G-BA identifizierte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zum Chronischen Rückenschmerz und glich deren Empfehlungen mit der geltenden DMP-A-RL ab. Dafür werteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des IQWiG insgesamt 425 Empfehlungen aus elf aktuellen evidenzbasierten Leitlinien aus. Das Fazit der Auswertung: Zu vielen Versorgungsaspekten der derzeit geltenden Anforderungsrichtlinie für das DMP Chronischer Rückenschmerz finden sich in den aktuellen Leitlinien ergänzende und abweichende Inhalte.
Der nun vorgelegte Abschlussbericht des IQWiG dient dem G-BA als wissenschaftliche Grundlage für die Aktualisierung der DMP-Richtlinie Chronischer Rückenschmerz.
Chronischer Rückenschmerz und DMP
Chronische Rückenschmerzen sind weit verbreitet: Rund 16 Prozent der Erwachsenen sind davon betroffen, Frauen häufiger als Männer. Und mit zunehmendem Alter wächst die Zahl der Betroffenen deutlich: Fast ein Viertel der Menschen ab 70 Jahren leidet an chronischen Rückenschmerzen.
In das DMP Chronischer Rückenschmerz können sich Patientinnen und Patienten mit chronischen nicht spezifischen Rückenschmerzen einschreiben lassen. Unspezifisch bedeutet, dass es keine eindeutige Ursache für die Schmerzen gibt, z.B. einen Bandscheibenvorfall.
Chronischer Rückenschmerz wird als Schmerz unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalten mit oder ohne Ausstrahlung und mögliche weitere Beschwerden verstanden, die länger als drei Monate andauern.
Nicht spezifische Rückenschmerzen kommen weitaus häufiger vor als spezifische Rückenschmerzen. Je nach Intensität können chronische Rückenschmerzen Auswirkungen auf die Lebensqualität und die psychische Gesundheit haben, wobei psychische Erkrankungen auch umgekehrt Einfluss auf Schmerzen nehmen können. Chronische nicht spezifische Rückenschmerzen sind in ihrer Genese oft multikausal, sodass in der Therapieplanung somatische (pathomorphologische, funktionelle), psychische und soziale Faktoren berücksichtigt werden sollten. Vor Aufnahme in das DMP Chronischer Rückenschmerz ist es wichtig, im Rahmen der Anamnese und Diagnostik spezifische Ursachen für Rückenschmerzen, beispielsweise einen Bandscheibenvorfall auszuschließen.
Eine hinreichende Diagnostik und Behandlung chronischer nicht spezifischer Schmerzen ist also komplex und erfordert eine enge Zusammenarbeit von medizinischem Personal aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Versorgungsebenen. Deshalb ist es hilfreich, die Behandlung von Betroffenen effektiv zu steuern und unnötige Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zu vermeiden – wie im DMP Chronischer Rückenschmerz: Das DMP soll eine Versorgung der Betroffenen sicherstellen, die Folgeschäden und Verschlechterungen von chronischem Rückenschmerz so weit wie möglich verhindern und die Lebensqualität verbessern.
Diskrepante Empfehlungen in Leitlinien und in der DMP-Richtlinie Chronischer Rückenschmerz
Der Abgleich von 425 Empfehlungen aus den elf eingeschlossenen Leitlinien ergab, dass zahlreiche Aspekte des DMP Chronischer Rückenschmerz von den aktuellen Leitlinienempfehlungen abweichen und entsprechend sollte die geltende DMP-Richtlinie Chronischer Rückenschmerz aktualisiert werden: So haben sich Leitlinienempfehlungen in Bezug auf die Diagnostik und die Prüfung der Aufnahmekriterien fürs DMP, eine individuell differenzierte Therapieplanung, therapeutische Maßnahmen mit Verlaufskontrolle und Kooperation über die Versorgungebenen hinweg sowie Schulung von Versicherten weiterentwickelt. Zudem identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusätzliche Versorgungsaspekte, die bisher nicht im DMP thematisiert werden wie eine Kombinationsbehandlung von Physiotherapie und Psychotherapie und digitale medizinische Anwendungen.
Zum Ablauf der Berichterstellung
Der G-BA hat das IQWiG am 12. Juli 2023 mit einer Leitliniensynopse zur Aktualisierung des DMP Chronische Rückenschmerzen beauftragt. Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hat das IQWiG im Februar 2024 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Bis Mitte März konnten schriftliche Stellungnahmen eingereicht werden. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Bericht überarbeitet und im Mai 2024 als Abschlussbericht an den G-BA versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen zum Vorbericht werden zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. In die Bearbeitung des Projekts hat das Institut einen externen Sachverständigen eingebunden.