Enfortumab Vedotin ist bereits seit April 2022 für die Behandlung vorbehandelter Erwachsener mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom zugelassen. Seit September 2024 ist Enfortumab Vedotin in Kombination mit Pembrolizumab auch für die Erstlinientherapie des nicht operablen oder metastasierten Urothelkarzinoms zugelassen. In einer Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob die Kombination diesen Patientinnen und Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie bietet.
Demnach verspricht die Kombination von Enfortumab Vedotin mit Pembrolizumab insbesondere jenen Patientinnen und Patienten mit einem Urothelkarzinom Vorteile beim Gesamtüberleben, für die eine Therapie mit der Platinkomponente Cisplatin ungeeignet ist. Für diese Patientengruppe sieht das IQWiG einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen. Es ist das erste Mal, dass das Institut in dieser Indikation das höchste Ausmaß-Label vergibt.
Bei Patientinnen und Patienten, für die eine Cisplatin-basierte Therapie infrage kommt, besteht ebenfalls ein Zusatznutzen. Dieser ist allerdings nicht quantifizierbar.
Studienergebnisse lassen sich trotz Unsicherheit interpretieren
Der Hersteller reichte Daten aus einer laufenden Studie ein, an der Patientinnen und Patienten mit nicht operablem oder metastasiertem Urothelkarzinom teilnehmen, für die eine platinhaltige Chemotherapie infrage kommt. Sie wurden im Verhältnis 1:1 zufällig einer Behandlung mit Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab oder Cisplatin plus Gemcitabin (wenn eine Cisplatin-basierte Therapie möglich war) bzw. Carboplatin plus Gemcitabin (wenn eine Cisplatin-basierte Therapie nicht möglich war) zugeteilt.
Laut Studienplanung ist im Vergleichsarm für Patientinnen und Patienten, die im Anschluss an die Chemotherapie progressionsfrei waren, keine regelhafte Erhaltungstherapie mit Avelumab vorgesehen. Eine Erhaltungstherapie mit Avelumab ist jedoch Teil der Standardtherapie.
Die Situation ist allerdings nicht trivial: Die für die Bewertung vorliegende Studie startete im März 2020 zu einem Zeitpunkt, als Avelumab noch nicht zur Erhaltungstherapie im vorliegenden Anwendungsgebiet zugelassen war. Die Zulassung erfolgte erst kurz nach Studienbeginn – im Juni 2020 für die USA und im Januar 2021 für Europa. Der Hersteller reagierte auf diese Entwicklung und passte seine Studienplanung dahin gehend an, dass er Avelumab zwar nicht als Teil der Studienmedikation ergänzte, aber explizit die Möglichkeit einer Erhaltungstherapie bei lokaler Verfügbarkeit im Vergleichsarm beschrieb. Des Weiteren erstellte der Hersteller für die Bewertung sogenannte Sensitivitätsanalysen für den Endpunkt Gesamtüberleben, die den fehlenden Einsatz von Avelumab bei einem Teil der Patientinnen und Patienten im Vergleichsarm hinreichend adressieren. Dies ermöglicht die Interpretation der Studienergebnisse für die frühe Nutzenbewertung von Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab.
Deutlicher Überlebensvorteil
Der Vorteil der Behandlung mit Enfortumab Vedotin in Kombination mit Pembrolizumab wird insbesondere beim Gesamtüberleben deutlich: Für Patientinnen und Patienten mit einem Urothelkarzinom, für die eine Cisplatin-basierte Therapie nicht geeignet ist, zeigt sich ein erheblicher Vorteil, auch in allen vom Hersteller vorgelegten Sensitivitätsanalysen. Daraus lässt sich ableiten, dass dieser große Vorteil auch besteht, wenn Avelumab bereits bei Studienbeginn verfügbar gewesen wäre. Darüber hinaus zeigen sich Vorteile bei einzelnen Endpunkten der Morbidität und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie Vorteile, aber auch Nachteile, bei spezifischen Nebenwirkungen.
„Erstmals attestieren wir in diesem Therapiegebiet einer Wirkstoffkombination einen erheblichen Zusatznutzen“, erläutert Katrin Nink, Bereichsleiterin Onkologie (solide Tumoren) im IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung. Ausschlaggebend sei vor allem der Überlebensvorteil bei jenen Blasenkrebs-Betroffenen, für die eine Cisplatin-basierte Therapie nicht infrage kommt.
G‑BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G‑BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G‑BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.