Als Zwischenschritt sollte die bisherige Broschüre zügig überarbeitet werden. Sein Ergebnis hat das Institut am 20. April veröffentlicht. Der Bericht enthält zum einen die Textentwürfe zu einem Einladungsschreiben und zur überarbeiteten Broschüre. Zum anderen erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausführlich, wie sie die darin enthaltenen Informationen erarbeitet haben.
Nutzerinnen-Testung mit über 1000 Frauen
Primäres Ziel war dabei, Nutzen und Schaden für eine möglichst breite Gruppe verständlicher darzustellen und deutlicher zu betonen, dass die Teilnahme an der Mammografie freiwillig ist. Zunächst hat das IQWiG die Informationsbedürfnisse und Einstellungen von Frauen zum Thema Mammografie aus qualitativen Studien und Surveys, also Umfragen, ermittelt.
Eine eigene Nutzenbewertung der Mammografie hat das Institut nicht vorgenommen. Vielmehr stützt es sich auf publizierte systematische Übersichtsarbeiten. Denn die grundlegenden Studien zu Nutzen und Schaden des Brustkrebs-Screenings sind seit Jahren bekannt und wurden schon von mehreren Wissenschaftlergruppen systematisch ausgewertet.
Die daraus gewonnenen Ergebnisse flossen in Textentwürfe ein, die abschließend einer Nutzerinnen-Testung mit 1000 Frauen im Alter zwischen 45 und 70 unterzogen wurden. In einer Online-Befragung wurden die Teilnehmerinnen unter anderem zu Verständlichkeit und Akzeptanz befragt. Die Mehrzahl der Frauen verstand, dass die Materialien auf eine informierte, freiwillige Entscheidung zielen, und empfand sie als verständlich und informativ.
Zahlenangaben zu Brustkrebssterblichkeit und Überdiagnosen
Die Anforderung, verständliche Materialien für eine breite Zielgruppe zu erstellen, erforderte eine Reihe von Vereinfachungen, vor allem im Umgang mit Unsicherheiten. "Sichere Zahlen gibt es nicht", sagt IQWiG-Ressortleiter Klaus Koch. "Um die Unsicherheit schon in den Zahlenangaben selbst auszudrücken, haben wir sie als Spannen formuliert."
Demnach können von 1000 Frauen, die 10 Jahre lang am Screening teilnehmen, ein bis zwei Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden. Dem stehen als wesentlicher Schaden sogenannte Überdiagnosen gegenüber: Bei der Mammografie werden gelegentlich bösartige Veränderungen gefunden, die ohne Früherkennung nie aufgefallen wären oder Beschwerden bereitet hätten. Die Diagnose zieht aber für die Frauen und ihre Angehörigen Konsequenzen nach sich. Etwa 5 bis 7 von 1000 Frauen müssen mit einer solchen Überdiagnose rechnen.
Genaues Ausmaß von Nutzen und Schaden sind umstritten
Das IQWiG rechnet damit, dass die Zahlen Widerspruch auslösen. Denn es gibt einen seit Jahren zum Teil erbittert geführten Expertenstreit darum, ob es nun 0,5, 1 oder 5 von 1000 Frauen sind, die einen Nutzen haben, und 5, 10 oder 12 von 1000, die eine Überdiagnose erhalten. Die Unterschiede hängen unter anderem davon ab, welche Altersgruppe man betrachtet und ob man für einen Zeitraum von 10 oder 20 Jahren schätzt.
"Für jede Schätzung gibt es mehr oder weniger gute Argumente. Was richtig und falsch ist, lässt sich hier wissenschaftlich nicht festlegen", sagt Koch. "Wichtiger ist uns deshalb, dass den Frauen die Größenordnung verständlich vermittelt wird." Denn es gibt zu viele Frauen, die den Nutzen der Mammografie bis zu 100-fach überschätzen und von Überdiagnosen noch nichts gehört haben.
Screening nicht für 20-Jahres-Zeitraum untersucht
In keiner der bisher vorliegenden Studien wurde ein Screening, wie es in Deutschland angeboten wird, über einen Zeitraum von 20 Jahren erprobt. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten. "Man kann unter Annahmen schätzen, was 20 Jahre Mammografie bringen. Oder man kann beschreiben, was man über 10 Jahre weiß. Das IQWiG hat sich in diesem Projekt für letzteren Weg entschieden", sagt Koch.
G-BA wird über finale Fassung der Texte beschließen
Das IQWiG hat seinen in Form eines Rapid Report erarbeiteten Bericht am 20. März 2015 an den Auftraggeber versandt. Der G-BA nutzt die Entwürfe zur Erstellung seiner Fassungen, die dann die G-BA-Prozesse durchlaufen. Dabei kann es sein, dass die Texte noch verändert werden, bevor sie deutschlandweit verbindliche Grundlage für die Einladung zum Mammografie-Screening werden können.
Die Arbeit des Instituts an den Infomaterialien zur Mammografie ist mit den jetzt vorgelegten Textentwürfen noch nicht beendet. Das IQWiG wird die Broschüre bis zum Herbst in einem zweiten Schritt zu einer Entscheidungshilfe erweitern. Sie wird dabei durch ein Instrument ergänzt, das Frauen helfen soll, sich über ihre Präferenzen und deren Gewichtung klar zu werden.