Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke als Beispiel für Überversorgung
Die Bertelsmann-Stiftung hatte zunächst in einer Presseveröffentlichung vom 5.11.2019 die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Früherkennung als ein Beispiel für die Überversorgung im deutschen Gesundheitswesen benannt. Bei Frauen ohne Risiko berge die Untersuchung eine erhebliche Gefahr für falsch-positive Befunde und unnötige Operationen. Nur bei etwa 10 Prozent der operierten Frauen läge tatsächlich Eierstockkrebs vor. Als Quelle für diese Aussage hatte die Bertelsmann-Stiftung auch auf die IQWiG-Website gesundheitsinformation.de verwiesen.
Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) – vereint im German Board and College of Obstetics an Gynecology, GBCOG – haben daraufhin das IQWiG in einer Pressemitteilung vom 6.11.2019 heftig kritisiert. Die vom IQWiG bereitgestellte Gesundheitsinformation sei überholt. Nach neuen Studien werde bei jeder zweiten Operation der Eierstöcke nach verdächtigen Ultraschallbefund eine bösartige Veränderung gefunden.
Gesundheitsinformationen des IQWiG sind aktuell
Der Vorwurf, die Gesundheitsinformation des IQWiG „Ist eine Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Eierstockkrebs sinnvoll?“ (1) beruhe auf veralteten Studien, ist falsch. Die vom „Board“ der Frauenärzte selbst in der Pressemitteilung als heute relevante „Folge-Untersuchung“ benannte Studie aus dem Jahr 2016 (2) ist auch eine zentrale Quelle der IQWiG-Information und als solche zitiert. Aus ihr stammt auch der zentrale Befund, dass nur bei jeder zehnten Eierstockoperation nach verdächtigem Ultraschallbefund in der Früherkennung ein bösartiger Tumor gefunden wurde. Die Autorinnen und Autoren schreiben: „Auf jeden Fall von im Screening entdeckten Eierstock- und Bauchfellkrebs […] kamen 10 Fälle (1634 falsch-positive Ergebnisse; 164 Fälle von Eierstock- und Bauchfellkrebs) von Frauen in der USS-Gruppe, die einen chirurgischen Eingriff aufgrund falsch-positiver Ergebnisse hatten.“ Dies entspricht einer Rate von 10 Prozent.
Aussagen der Frauenärzte beruhen auf Studie mit 131 Frauen
Das Board der Frauenärzte schreibt in seiner Pressemitteilung, dass bei jeder zweiten Operation der Eierstöcke nach einem verdächtigen Ultraschallbefund Eierstockkrebs entdeckt werde. Diese Aussage bezieht sich auf eine Studie, die die Erfahrungen einer einzelnen brasilianischen Klinik mit 131 Frauen beschreibt (3). „Wir sind offen gesagt erschrocken, dass das Board der Frauenärzte diese Studie anführt, um die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien mit über 200.000 Frauen (2,4) infrage zu stellen“, sagen Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Klaus Koch, Leiter des IQWiG-Ressorts Gesundheitsinformation.
Die Information des IQWiG zur Früherkennung von Eierstockkrebs ist ein gutes Beispiel für die generelle Arbeitsweise: Für die Gesundheitsinformationen recherchiert das Institut systematisch in der Literatur nach verlässlichen Studien (insbesondere nach systematischen Übersichten), die den aktuellen Stand des Wissens zu einer Frage zusammenfassen. Deshalb ist der Vorwurf, die Information des IQWiG zur Früherkennung von Eierstockkrebs beruhe auf veralteten Informationen, haltlos.
Appell an die Frauenärzte, selber Studien zu initiieren
„Auf Basis der aktuell vorliegenden Studien muss man sagen: Die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung verbessert die Heilungschancen nicht“, betont IQWiG-Leiter Windeler. „Und wenn der Eierstockkrebs mit den heute zur Verfügung stehenden hochauflösenden Ultraschallgeräten tatsächlich besser erkannt werden kann, wie es die Frauenärzte immer wieder behaupten, dann kann man doch in qualitativ hochwertigen Studien prüfen, ob dies für die Frauen auch von Vorteil ist. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass die deutschen Frauenärzte selbst eine solche Studie zur Früherkennung von Eierstockkrebs initiieren. Bis heute haben der Berufsverband und die Fachgesellschaft jedenfalls nichts unternommen, um die Evidenzlage zur Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zu verbessen.“
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