Kein Antidiabetikum der ersten Wahl
Wirkstoffe aus der Gruppe der Glitazone erhöhen die Empfindlichkeit für Insulin im Fettgewebe, in der Skelettmuskulatur und in der Leber. Der Zucker kann damit wieder vermehrt von Fett und Muskeln aufgenommen werden. Zudem wird die Freisetzung von Zucker aus der Leber gehemmt. Allerdings gelten die als Tabletten verfügbaren Glitazone nicht als Antidiabetikum erster Wahl und sind deshalb nur eingeschränkt zugelassen: In der Monotherapie dürfen sie lediglich dann eingesetzt werden, wenn die Patienten Metformin nicht vertragen oder aus anderen medizinischen Gründen nicht mit diesem Wirkstoff behandelt werden dürfen.
In der Kombinationstherapie sollen Glitazone nur verordnet werden, wenn der Blutzucker durch Metformin oder einen Sulfonylharnstoff allein nicht ausreichend eingestellt ist. Möglich ist auch eine Dreifach-Kombination mit Sulfonylharnstoffen und Metformin. Zugelassen sind Glitazone in diesem Therapieschema aber nur dann, wenn eine vorherige Kombination von Sulfonylharnstoffen und Metformin nicht den gewünschten Erfolg brachte. Pioglitazon kann auch zusammen mit Insulin eingesetzt werden.
Langzeitanwendung nicht genügend erprobt
Ziel des vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragten Berichts war es, den Nutzen einer langfristigen Anwendung von Pioglitazon und Rosiglitazon im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo), zu anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen blutzuckersenkenden Behandlungen sowie die beiden Wirkstoffe untereinander zu bewerten.
Insgesamt identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 7 Studien zu Pioglitazon und 16 Studien zu Rosiglitazon, die sie in ihre Untersuchung einbeziehen konnten. Der Langzeitnutzen und -schaden ist nach ihrer Einschätzung damit allerdings noch nicht ausreichend untersucht.
Denn zu Rosiglitazon liegen bislang nur Ergebnisse von Studien mit Laufzeiten von höchstens 12 Monaten vor, orale Antidiabetika werden aber über Jahre, oft sogar über Jahrzehnte eingenommen. Eine 4-Jahres-Studie zu diesem Wirkstoff (ADOPT-Studie) entspricht nicht dem aktuellen Zulassungsstatus und konnte deshalb nicht bewertet werden.
Nur eine große Langzeitstudie zu Pioglitazon verfügbar
Etwas besser stellt sich die aktuelle Studienlage bei Pioglitazon dar: Zwar gibt es hier eine geringere Anzahl von klinischen Vergleichen. Darunter ist aber auch eine Langzeitstudie (Laufzeit 34,5 Monate) mit rund 5000 Patienten (PROactive-Studie). Sie vergleicht eine Therapieoptimierung mit und ohne Pioglitazon, wobei auch andere Medikamente verabreicht werden konnten (z.B. Metformin oder Sulfonylharnstoff), um den Blutzucker zu senken. Allerdings müssten nach Auffassung des IQWiG auch die Ergebnisse der PROactive-Studie in weiteren klinischen Vergleichen überprüft beziehungsweise bestätigt werden.
Die beiden Glitazon-Hersteller, GlaxoSmithKline (Rosiglitazon) und Takeda Pharma (Pioglitazon), unterstützten die Nutzenbewertung des IQWiG, indem sie umfangreiche, bislang nicht publizierte Daten zur Verfügung stellten.
Keine Belege für Zusatznutzen bei Sterblichkeit und vaskulären Folgekomplikationen
In den vorhandenen Studiendaten fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keine Belege für einen Zusatznutzen der Glitazone in Hinblick auf makro- und mikrovaskuläre Folgekomplikationen des Typ-2-Diabetes (Herzerkrankungen, Schlaganfälle, Augen- oder Nierenschäden) oder auf die Sterblichkeit.
Bei Pioglitazon gibt es allerdings einen Hinweis auf einen Vorteil für den kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität (Sterblichkeit), nicht tödlichem Herzinfarkt (ohne "stillen Myokardinfarkt") und Schlaganfall. Zudem scheinen Patientinnen und Patienten zu profitieren, die bereits einen Schlaganfall hatten. Denn unter Pioglitazon wiederholten sich Schlaganfälle seltener. Diese Hinweise leiten sich aus sekundären Endpunkten der PROactive-Studie ab, für deren primären Endpunkt keine Überlegenheit von Pioglitazon gezeigt werden konnte.
Vorteil der Glitazone bei Unterzuckerungen
Belege für einen Zusatznutzen sieht das IQWiG bei den Unterzuckerungen, und zwar sowohl für Pioglitazon als auch für Rosiglitazon: Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes leiden demnach seltener unter Hypoglykämien wenn sie Metformin und Glitazone einnehmen als bei einer Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen - bei ansonsten vergleichbarer Senkung der Blutzuckerwerte.
Mögliche Nachteile: Herzversagen, Ödeme, Knochenbrüche
Diesem möglichen Zusatznutzen stehen allerdings Hinweise auf höhere Risiken gegenüber: In der PROactive-Studie wurden bei der Therapieoptimierung mit Pioglitazon mehr Fälle von Herzinsuffizienz diagnostiziert, wobei es sich zum Teil um schwerwiegende, zu Krankenhausaufenthalten führende Herzversagen handelte. Außerdem traten Ödeme auf, weshalb die Teilnehmerinnen und Teilnehmer häufiger die Studie abbrachen. Frauen erlitten überdies öfter Knochenbrüche.
Für die Kombination von Pioglitazon und Metformin gibt es zusätzlich einen Hinweis auf häufigere schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Vergleich zu einer Behandlung mit Metformin und Vildagliptin, einem anderen neueren Antidiabetikum. Außerdem scheinen Herzerkrankungen (u.a. Herzinfarkte und Herzschmerzen) im Vergleich zu der Kombination von Sulfonylharnstoff und Metformin häufiger zu sein.
Schaden und Nutzen abwägen
Nach Auffassung des Instituts und der am Bericht beteiligten externen Sachverständigen müssen der potenzielle Nutzen und Schaden der Glitazone sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Um sichere Aussagen über ihre Vor- und Nachteile treffen zu können, sind in jedem Fall mehr Studien von guter Qualität und mehrjähriger Laufzeit nötig.
Das Risikopotenzial der Glitazone wird seit etwa zwei Jahren international zunehmend kontrovers diskutiert. Dabei geht es insbesondere um möglicherweise häufiger auftretende Herzinfarkte unter Rosiglitazon. Es fehlen derzeit noch ausreichend große und methodisch gute Studien, um verlässliche Aussagen über diese Risiken treffen zu können. In den nächsten Jahren werden jedoch mehrere solcher klinischer Vergleiche abgeschlossen werden.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG Mitte Juni 2008 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht Ende November 2008 an den Auftraggeber versandt. Eine Dokumentation der schriftlichen Stellungnahmen wird in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Abschlussberichts gibt folgende Kurzfassung:
http://www.iqwig.de/...