Vollständige KNB mangels Daten nicht für alle Wirkstoffe möglich
Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat das IQWiG bei dieser KNB die Kosten-Nutzen-Relation von Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin im Vergleich zu weiteren derzeit verfügbaren Wirkstoffen und zu Placebo ermittelt. Hier kam die vom IQWiG zusammen mit einem internationalen Expertengremium weiterentwickelte Methode der Effizienzgrenze zum Einsatz. Damit lässt sich ein Preis oder Preiskorridor ermitteln, innerhalb dessen das Medikament als "effizient" gelten kann.
Allerdings war es aufgrund fehlender Daten nicht möglich, für alle Wirkstoffe und alle patientenrelevanten Endpunkte (z.B. Lebensqualität) die Ergebnisse in einer Effizienzgrenze darzustellen und um den Zusatznutzen bereinigte Preise abzuleiten.
Preise deutlich höher als angemessen
Solche zusatznutzenbereinigten Erstattungspreise konnte das IQWiG für die Endpunkte Ansprechen (auf die Therapie) und Remission berechnen. Letztere gilt als erreicht, wenn sich die Symptome soweit verringert haben, dass die Kriterien für eine Depression nicht mehr erfüllt sind.
Das Verhältnis zwischen ihrem Nutzen für die Patienten und dem Betrag, den die Kassen dafür erstatten, weist bei den Wirkstoffen deutliche Unterschiede auf - und das gilt für beide Endpunkte. Bei allen vier Medikamenten liegt der aktuelle Erstattungsbetrag über den aus den jeweiligen Effizienzgrenzen abgeleiteten "angemessenen" Preisen.
Allerdings wurden zwei der bewerteten Arzneimittel, Mirtazapin und Venlafaxin, inzwischen in eine Festbetragsgruppe eingeordnet, wodurch der aktuelle Preis näher an die Effizienzgrenze herangerückt sein dürfte.
Rechtslage hat sich geändert
Unmittelbar entscheidungsrelevant sind die Ergebnisse dieser KNB nicht – weder für die Arzneimittelpreise noch für die generelle Erstattung. Denn seit Erteilung des Auftrags hat sich die Rechtslage geändert: Ursprünglich sollten die Ergebnisse Grundlage für die Entscheidung sein, einen „Höchstbetrag“ für Arzneimittel festzulegen. Dies war Aufgabe des GKV-Spitzenverbandes.
Seit dem AMNOG ist eine KNB vornehmlich für den Fall vorgesehen, dass nach der regelhaften frühen Nutzenbewertung Preisverhandlungen scheitern und auch der Schiedsspruch angezweifelt wird. Dann können Hersteller oder der GKV-Spitzenverband eine KNB beantragen.
Erfolgreicher Probelauf
Trotz der geänderten Rechtslage war es dem Institut wichtig, den Bericht abzuschließen. „Wir wollten testen, ob die von uns favorisierte Methode der Effizienzgrenze tauglich ist und zu belastbaren Ergebnissen führt", erläutert Institutsleiter Jürgen Windeler. "Und dieser Test war erfolgreich“. Hersteller und Kassen zeige der Bericht, was sie von einer KNB erwarten könnten und was nicht.
Herausforderungen bleiben
Zudem hat das IQWiG bei diesem Probelauf wichtige Erfahrungen sammeln und offene Fragen identifizieren können. So ist noch immer strittig, wie verschiedene Aspekte von nutzen" title="Nutzen">Nutzen und Schaden, wie z.B. Nebenwirkungen, gewichtet und zu einer Gesamtaussage aggregiert werden sollen. Eine Möglichkeit ist, hierfür Patientenpräferenzen zu nutzen. Das IQWiG hat deshalb Methoden getestet, wie sich solche Patientenpräferenzen ermitteln lassen.
Darüber hinaus machte sich der Mangel an Daten bemerkbar: Auf der Kostenseite gilt das u.a. für die Abrechnungsdaten der Krankenkassen, die in Deutschland nicht frei verfügbar sind. Aber auch auf der Nutzenseite zeigten sich Lücken: Die Studien, in denen der Nutzen der Antidepressiva getestet wurde, hatten im Durchschnitt nur eine Laufzeit von acht Wochen . Das entspricht aber weder der Versorgungsrealität bei dieser Erkrankung noch dem Zeithorizont, in dem die Selbstverwaltung Entscheidungen über die Erstattung treffen muss.
Wichtiger Baustein für Entscheidungen im Gesundheitssystem
„Trotzdem können die Ergebnisse von KNB ein wichtiger Baustein sein, wenn es darum geht, über Preise zu verhandeln und Entscheidungen über Erstattungen zu treffen", ist sich Jürgen Windeler sicher. "Wir brauchen nun allerdings eine Diskussion darüber, welchen Stellenwert dieser Baustein für Entscheidungen im Gesundheitssystem künftig haben soll. Hier wird auch der neue Gesundheitsminister - oder die Ministerin – gefordert sein.“
Bei der Diskussion müsse es auch darum gehen, wie viel Aufwand man betreiben wolle. Zumindest so lange Kostendaten nicht standardisiert seien, könne dieser Aufwand erheblich sein. „Dank der Erfahrungen, die wir inzwischen gesammelt haben, dürften weitere KNB allerdings deutlich schneller gehen“, meint Windeler.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im November 2012 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Auf Wunsch von Herstellern hatte das IQWiG die reguläre Stellungnahmefrist um vier Wochen verlängert – ein bei Bewertungen des Instituts bislang einmaliger Vorgang. Nach dem Ende dieses Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im September 2013 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen wurden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Abschlussberichts gibt die Kurzfassung.