Um herauszufinden, ob auch ein Screening der Allgemeinbevölkerung oder weiterer Risikogruppen von Vorteil wäre, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im September 2016 mit Nutzenbewertungen von Screenings auf Hepatitis B bzw. C hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte beauftragt. Die nun vorliegenden Vorberichte zeigen: Mangels aussagekräftiger Evidenz sind keine sicheren Aussagen zum Nutzen oder Schaden möglich. Bei Hepatitis C könnte ein Screening für bestimmte Gruppen sinnvoll sein.
Impfung nur für Hepatitis B, kurative Therapie für Hepatitis C
In Deutschland werden jährlich einige tausend Fälle von Hepatitis B gemeldet. In den letzten Jahren steigen die Zahlen – teils aufgrund einer veränderten Falldefinition, teils vermutlich durch Zuwanderung von Menschen aus Ländern mit höherer Verbreitung des Virus. Akute Infektionen heilen zu mehr als 95 Prozent spontan aus und werden meist nicht behandelt. Nistet sich das Virus jedoch im Körper ein, besteht die Gefahr von Leberschäden, etwa einer Zirrhose oder einem Karzinom. Chronisch Erkrankte erhalten Alpha-Interferon und ggf. Nukleotid-/Nukleosidanaloga, die die Virusvermehrung hemmen, aber nicht zu einer Heilung führen. Es gibt eine Impfung gegen Hepatitis B, die bei Kindern, Jugendlichen und Personen aus Risikogruppen von den Kassen bezahlt wird.
Hepatitis C wird in Deutschland ebenfalls einige tausend Mal im Jahr gemeldet. Die akute Erkrankung wird viel häufiger chronisch, nämlich in 50 bis 90 Prozent der Fälle. Auch eine chronische Hepatitis-C-Infektion kann später zu einer Leberzirrhose oder einem Leberkarzinom führen. Anders als bei Hepatitis B lässt sich die Infektion nicht durch eine Impfung verhindern. Seit einigen Jahren gibt es aber mit den sogenannten direct-acting antivirals (DAAs) Therapien, die bei einem Großteil der Patienten nach heutigem Kenntnisstand die Viren komplett aus dem Körper beseitigen.
Keine Evidenz zu Vorteilen vorverlagerter Behandlung
Bei ihrer systematischen Literaturrecherche haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG keine Studien gefunden, die etwas über den Nutzen oder Schaden eines Hepatitis-B-Screenings oder einer aufgrund dessen vorverlagerten Behandlung aussagen. Für Hepatitis C fanden sie acht randomisierte kontrollierte Studien, in denen die Behandlung in einem Studienarm gegenüber dem anderen um bis zu 16 Wochen vorverlagert wurde. Dieser Zeitabstand ist aber viel kleiner als die zu erwartende Vorverlagerung der Diagnose und Therapie durch ein Screening. Angesichts des langsamen Verlaufs einer chronischen Hepatitis C lassen sich aus diesen Studien keine Aussagen über den Nutzen eines Screenings ableiten.
Aktuelle Leitlinien, die sich für ein Screening auf Hepatitis C aussprechen, enthalten plausible Annahmen zu den möglichen Vor- und Nachteilen eines Screenings von Risikogruppen und jenen Geburtsjahrgängen, auf die ein hoher Anteil aller Hepatitis-C-Infektionen entfällt. Die Empfehlungen für ein Screening von Risikogruppen auf Hepatitis B fußen dagegen auf Annahmen, die nicht nachvollziehbar sind.
Nutzen und Schaden für wen?
Bei Tests auf Hepatitis B oder C können neben richtig-positiven und richtig-negativen Befunden auch einige falsch-positive oder falsch-negative Testergebnisse auftreten. In den Vorberichten wägen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG sorgfältig ab, welche Vor- und Nachteile die Getesteten in diesen vier Kategorien haben können und wie häufig diese Vor- und Nachteile auftreten.
Falsch-positive Testergebnisse sind kaum zu erwarten, da ein Screening auf Hepatitis B oder C aus mehreren Schritten besteht, sodass fälschlich positive Befunde rasch korrigiert werden. Die vermutlich seltenen falsch-negativen Testergebnisse führen dazu, dass die Diagnose nicht oder erst später gestellt wird, was dem Status quo entspricht. Richtig-negative Testergebnisse sind mit großem Abstand die häufigsten Resultate und haben für die Getesteten keine nennenswerten Vor- oder Nachteile.
Unter den richtig-positiven Befunden kann es neben Personen, die von einem Hepatitis-C-Screening profitieren, auch solche geben, bei denen das nicht der Fall ist. Einige Patienten entwickeln zum Beispiel trotz einer früheren Therapie Spätfolgen. Andere hätten ohne ein Screening überhaupt nie von ihrer Erkrankung erfahren, weil diese nur langsam voranschreitet oder sich sogar spontan zurückbildet. Wie groß der Anteil der Infizierten ist, die aufgrund eines Screenings früher behandelt würden und davon stärker profitieren würden als von einer später einsetzenden Therapie, lässt sich nicht sicher ermitteln. Bei einem Hepatitis-B-Screening ist der Nutzen für die Betroffenen noch unsicherer, da der Nutzen der antiviralen Therapie mit Alpha-Interferon und Nukleotid-/Nukleosidanaloga unklar ist.
Hepatitis-C-Screening für Risikogruppen sinnvoll?
Auch die Auswirkungen der Screenings auf Bevölkerungsebene bleiben unklar. Zwar legen Modellierungsstudien nahe, dass die Verbreitung von Hepatitis B durch die Impfung und von Hepatitis C durch ein Screening verringert werden kann. Aber wie stark der Effekt eines Screenings unter welchen Voraussetzungen wäre, auch im Vergleich zu alternativen Präventionsmaßnahmen, lässt sich nicht sagen. Bei Hepatitis B könnte er beispielsweise durch die steigende Impfquote in der Bevölkerung mit den Jahren kleiner werden.
Bei Hepatitis C ließe sich der größte Effekt vermutlich durch ein gezieltes Screening von Risikogruppen erzielen, etwa Menschen, die sich Drogen injizieren. Es kann jedoch sein, dass gerade diese Menschen für ein Screening schlecht zu erreichen sind oder im Falle eines positiven Befunds nicht optimal therapiert würden. Daher bleibt offen, wie stark diese Gruppe von einem Screening profitieren oder wie stark die Verbreitung von Hepatitis C dadurch zurückgehen würde. Diese Fragen könnte man aber in einer Studie klären.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Berichtspläne hatte das IQWiG im Dezember 2016 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit Würdigungen und den überarbeiteten Berichtsplänen im Frühjahr 2017 publiziert. Stellungnahmen zu den jetzt veröffentlichten Vorberichten werden nach Ablauf der Fristen gesichtet. Sofern sie Fragen offenlassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Im Anschluss erstellt das IQWiG die Abschlussberichte.