Mindestmengen-Regelung im Jahr 2017 reformiert
Ob Behandlungsergebnisse besser ausfallen, wenn eine medizinische Maßnahme häufiger durchgeführt wird, diskutiert die Fachwelt bereits seit rund 40 Jahren. Seit 2003 setzte der G-BA für bestimmte planbare stationäre Leistungen erstmals Mindestmengen fest: Kliniken dürfen diese Leistungen seither nur noch dann erbringen und abrechnen, wenn sie die festgelegten jährlichen Mindestmengen erreichen.
Seit 2016 ist für diese Festlegung nur noch eine Studienlage erforderlich, die auf einen „wahrscheinlichen Zusammenhang hinweist“. Der G-BA passte seine Mindestmengen-Regelung im Jahr 2017 entsprechend an und hat das IQWiG nun mit der Überprüfung der Studienlage in acht Indikationen beauftragt.
Daten aus Registern ausgewertet
Dem Auftrag des G-BA entsprechend suchte das IQWiG nach Studien, die entweder belastbare Aussagen zulassen, wie Leistungsmenge und Qualität bei der (autologen oder allogenen) Stammzelltransplantation zusammenhängen, oder die Frage beantworten können, wie sich eine verbindlich vorgegebene Fallzahl pro Klinik und Jahr auf den Therapieerfolg ausgewirkt hat.
Zur ersten Fragestellung konnte das IQWiG vier Beobachtungsstudien (Kohortenstudien) in die Bewertung einbeziehen, die jeweils Patientendaten aus internationalen klinischen Registern zur Stammzelltransplantation bei malignen hämatologischen Erkrankungen ausgewertet hatten. Zur zweiten Fragestellung fehlt bislang Evidenz, sie bleibt deshalb unbeantwortet.
Nur eine Studie hat hohe Aussagekraft
Die Zahl der in die vier Studien einbezogenen Patientinnen und Patienten reicht von 684 bis 107904. Allerdings haben gerade die beiden größten Studien eine geringe Aussagekraft, unter anderem weil unklar ist, nach welchen Kriterien Patientendaten bei der Auswertung berücksichtigt wurden. Die Studie mit der höchsten Aussagekraft wertete Daten von 4285 Patientinnen und Patienten mit akuter oder chronischer Leukämie aus (Loberiza 2005).
Die Daten aller Studien statistisch zusammenzuführen (zu poolen) ist nicht möglich, unter anderem weil die Merkmale der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (z. B. Alter, Geschlecht, Grunderkrankung) zu verschieden oder unbekannt sind.
Bei höherer Leistungsmenge überleben Patienten länger
Was die Sterblichkeit betrifft, zeigt die qualitativ hochwertige Loberiza-Studie, dass die Patientinnen und Patienten nach einer Stammzelltransplantation länger überleben, wenn die Ärztinnen und Ärzte diesen Eingriff bereits häufiger durchgeführt haben. Zwei Studien stützen dieses Ergebnis auch in Hinblick auf die Leistungsmenge der Klinik. Allerdings sind diese beiden Studien unter methodischen Gesichtspunkten weniger aussagekräftig.
Für andere Zielgrößen sind die Zusammenhänge – bei insgesamt niedriger Aussagekraft der Studien – deutlich schwächer ausgeprägt oder gar nicht vorhanden. Für die Abstoßungsreaktionen bei einem fremden Spender (allogene Stammzelltransplantation) oder die Lebensqualität gibt es gar keine Daten in den vier betrachteten Studien.
Ob die Mindestmenge in Deutschland richtig gewählt ist, bleibt offen
„Bei der Sterblichkeit sehen wir für Stammzelltransplantationen einen positiven Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungserfolg“, erläutert IQWiG-Projektleiterin Eva Höfer die Ergebnisse des Berichts. „Welche Auswirkungen allerdings die Festlegung von konkreten Mindestmengen auf die Versorgung, zum Beispiel auf die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten nach Stammzelltransplantationen hat, kann mangels brauchbarer Daten nicht beurteilt werden“, so Höfer. „Ob eine Fallzahl von 25 Fällen pro Klinikstandort und Jahr eine optimale Überlebenschance für die Betroffenen gewährt, bleibt deshalb offen.“
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Der G-BA hatte das IQWiG im Juli 2018 beauftragt, den Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannten Rapid Report zu erarbeiten. Zwischenprodukte wurden daher nicht veröffentlicht und nicht zur Anhörung gestellt. Der vorliegende Rapid Report wurde im Juni 2019 an den Auftraggeber geschickt.