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Systemische Therapie bei Erwachsenen: Vorbericht erschienen

Bei bestimmten Störungen zeigen die verfügbaren Studiendaten einen Vorteil

(lifePR) (Köln, )
Ob die Systemische Therapie bei Erwachsenen im Vergleich zu anderen Interventionen oder zu keiner Behandlung einen Nutzen oder Schaden haben kann, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Es ist das erste Mal, dass das Institut ein Psychotherapieverfahren bewertet. Die vorläufigen Ergebnisse liegen nun vor: Demnach zeigen die verfügbaren Studiendaten bei bestimmten Störungen einen Vorteil der Systemischen Therapie. Bis zum 20. September 2016 können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen zu diesem Vorbericht abgeben.

Breite Palette von Konzepten und Techniken

Bei der Systemischen Therapie handelt es sich um eine ausgesprochen vielgestaltige Therapieform – für die theoretischen Konzepte gilt das ebenso wie für die eingesetzten Techniken. So kann es in der systemischen Therapie darum gehen, nicht die einzelne Person oder das Symptom zu betrachten, sondern den Kontext, in dem es auftritt. Primär stehen dann die Beziehungen einer Familie oder Gruppe im Fokus, die ein System aufrechterhalten.

Mittels einer Vielzahl von Techniken wird unter anderem versucht, symptomfördernde Interaktionen und Strukturen, dysfunktionale Lösungsversuche und einschränkende Familienerzählungen infrage zu stellen und ihnen neue, gemeinsam mit dem Patienten zu entwickelnde Interaktionen entgegenzusetzen. Im Idealfall kann das System so verändert werden, dass das Symptom nicht mehr „notwendig“ ist.

Das Verfahren wird mittlerweile sowohl ambulant als auch stationär eingesetzt und ist auf kein bestimmtes Setting eingegrenzt. Es gibt sowohl systemische Einzeltherapie als auch Paar- oder Gruppentherapie.

IQWiG bewertet erstmals Psychotherapieverfahren

Die Systemische Therapie ist bislang keine Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Von der GKV erstattet werden bislang nur die analytische und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sowie die Verhaltenstherapie („Richtlinienverfahren“).

Zwar wurde die Systemische Therapie 2008 vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wissenschaftlich anerkannt. Um in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden zu können, muss aber auch der Nutzen nachgewiesen sein. Deshalb hatte der G-BA das Institut beauftragt, Nutzen und Schaden der Systemischen Therapie zu bewerten, allerdings ausschließlich für Erwachsene. Der Vergleich solle sowohl gegenüber anderen Interventionen als auch gegenüber keiner Behandlung angestellt werden.

Viele Studien passten nicht zur Fragestellung des Berichts

Bei ihrer Recherche fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine relativ hohe Zahl von Studien, die die Systemische Therapie untersuchten. Doch konnte nur ein Teil in die Bewertung einbezogen werden. Das lag unter anderem daran, dass ihre sogenannten Studienpopulationen nicht der Fragestellung des Auftrags entsprachen, etwa wenn sie nicht psychisch Kranke, sondern Schwangere untersuchten, bei denen Angst vor der Geburt mittels Systemischer Therapie reduziert werden sollte.

Zumeist waren die Studien relativ klein: Die größte hatte 326, die zweitgrößte 209 Patientinnen und Patienten randomisiert. Zwar passten insgesamt 40 Studien zur Fragestellung des Berichts, aber nur 31 lieferten verwertbare Daten.

Probleme und Mängel bei der Studiendurchführung

Aufgrund der Art der Therapie handelt es sich um offene, nicht verblindete Studien – bei einer Psychotherapie wissen die Therapeuten natürlich welche Art der Therapie sie jeweils durchführen. Zudem basieren die Ergebnisse zu den meisten Zielkriterien auf subjektiven Einschätzungen der Betroffenen. Auch bei ihnen war häufig nicht klar, ob diese verblindet waren.

Bei einem großen Teil der einbezogenen Studien stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass Mängel bei ihrer Durchführung nicht auszuschließen waren. Unter anderem war nicht immer klar, ob die zufällige Zuteilung der Studienteilnehmer zu einem der Studienarme verdeckt geschah (Allocation Concealment).

Ergebnisse zu neun Störungsbereichen gebündelt

Das IQWiG bündelte die Studienergebnisse zu insgesamt neun „Störungsbereichen“: Angst-und Zwangsstörungen, Demenz, depressive Störungen, Essstörungen, gemischte Störungen, körperliche Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie und affektive psychotische Störungen sowie Substanzkonsumstörungen (Abhängigkeit, Missbrauch).

Unter anderem aufgrund der beschriebenen methodischen Defizite ließ sich aus den Daten in der Gesamtschau, also über alle Endpunkte hinweg, nur bei zwei Störungsbereichen ein „Hinweis“ ableiten, bei allen anderen waren es „Anhaltspunkte“.

Hinweis auf Nutzen bei zwei Störungsbereichen

Weder Vor- noch Nachteile der Systemischen Therapie konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Demenz sowie bei Persönlichkeitsstörungen feststellen. Entweder es gab keine Daten oder sie zeigten keine (relevanten) Unterschiede.

Jeweils einen Hinweis auf einen Nutzen gibt es bei Angst- und Zwangsstörungen sowie bei der Schizophrenie, allerdings gilt dies nur für den Vergleich mit „keine Behandlung“. Gegenüber Beratung und Informationsvermittlung zeigen die Daten bei den Angst- und Zwangsstörungen lediglich einen Anhaltspunkt für einen Nutzen und gegenüber der Psychotherapie fallen die Ergebnisse sogar zuungunsten der Systemischen Therapie aus (Anhaltspunkt für geringeren Nutzen). Bei Schizophrenie fehlen für den Vergleich mit anderen psychotherapeutischen Verfahren Daten, gegenüber Beratung und Informationsvermittlung lässt sich aus den verfügbaren Studienergebnissen kein Nutzen oder Schaden ableiten.

Bei den übrigen fünf Störungsbereichen (depressive Störungen, Essstörungen, gemischte Störungen, körperliche Erkrankungen, Substanzkonsumstörungen) liefern die Daten jeweils Anhaltspunkte für einen Nutzen bei einem oder mehreren Vergleichen.

Aussagekräftige Studien sind machbar

„Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren mögen in mancher Hinsicht schwieriger sein als Arzneimittelstudien, etwa bei der Verblindung“, kommentiert der stellvertretende Institutsleiter Stefan Lange die Ergebnisse des Vorberichts, „aber auch hier sind aussagekräftige Studien machbar, wie die vorläufigen Ergebnisse zur Systemischen Therapie zeigen“, so Stefan Lange.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im Februar 2015 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Die eingegangene Stellungnahme wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im Juli 2015 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.

Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können.

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