Demnach zeigen die verfügbaren Daten für das frühe, nicht aber für das späte Stadium der Erkrankung Vorteile gegenüber Tamoxifen: Die Patientinnen überleben länger und Rezidive treten später auf. Beim fortgeschrittenen Brustkrebs ist die Datenlage deutlich schlechter. Bis zum 09. Mai sind Stellungnahmen zu diesem Vorbericht möglich.
Vergleich mit anderen Therapien und innerhalb der Wirkstoffklasse
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das Institut beauftragt, mehrere Vergleiche anzustellen: Zum einen sollte das IQWiG die Aromatasehemmer anderen Behandlungsoptionen, insbesondere dem Antiöstrogen Tamoxifen, gegenüberstellen. Zum anderen sollte das Institut prüfen, ob sich die drei zugelassenen Wirkstoffe aus der Klasse (Anastrozol, Exemestan, Letrozol) in Hinblick auf Nutzen oder Schaden unterscheiden.
Studienlage bei frühem Brustkrebs ist gut
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, ist die Studienlage beim frühen Brustkrebs deutlich besser als beim späten: Zwölf der insgesamt 19 Studien, die das IQWiG in die Bewertung einbeziehen konnte, betreffen den frühen Brustkrebs. Erst im Juli 2015 wurden die Ergebnisse einer Studie mit über 4000 Teilnehmerinnen publiziert, die zwei Aromatasehemmer (Letrozol, Anastrozol) verglich.
Beim späten Brustkrebs ist die Datenlage deutlich schlechter. So wurden einige Fragestellungen gar nicht untersucht und die Zahl der Teilnehmerinnen ist erheblich niedriger (rund 3000 vs. bis zu 39.000). Bemerkenswert ist auch, dass hier keine der Studien den Aspekt „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ berücksichtigte.
Die Bewertung stützt sich nicht allein auf publizierte Studien. Denn auf Anfrage des IQWiG haben Hersteller zusätzliche Daten oder Angaben zu Studien geliefert, sodass die Bewertung auf einer vollständigen Datenbasis möglich ist.
Früher Brustkrebs: Bessere Ergebnisse bei Upfront- und Switchtherapie
Beim frühen Brustkrebs sind Aromatasehemmer für fünf verschiedene Therapieregime zugelassen, bei zwei davon zeigen die Daten einen Zusatznutzen gegenüber Tamoxifen: Bei der Upfront-Therapie beginnen die Patientinnen die medikamentöse Therapie mit einen Aromatasehemmer. Bei der Switch-Therapie wechseln sie nach einer zwei- bis dreijährigen Vorbehandlung mit einem Aromatasehemmer auf ein Antiöstrogen.
Vorteil bei Überleben, Rezidivfreiheit und bestimmten Nebenwirkungen
Zugunsten der Aromatasehemmer fallen die Ergebnisse bei drei Endpunkten aus: beim Gesamtüberleben, bei der Rezidivfreiheit sowie bei bestimmten Nebenwirkungen (z. B. schwerwiegende unerwünschte Ereignisse). Andere Nebenwirkungen, insbesondere spezifische unerwünschte Ereignisse, treten je nach Wirkstoff teils häufiger, teils seltener auf als bei Tamoxifen.
Erweiterte Therapie und neoadjuvante Therapie: Insgesamt kein Vorteil
Bei der sogenannten erweiterten Therapie, bei der der einzige hier zugelassene Aromatasehemmer Letrozol nach Abschluss einer fünfjährigen Tamoxifen-Behandlung gegeben wird, zeigen die Daten einen Vorteil nur bei der Rezidivfreiheit. Dem stehen jedoch mehr Abbrüche wegen unerwünschter Ereignisse gegenüber.
Für die neoadjuvante Therapie, bei der Aromatasehemmer der Operation vorgeschaltet werden, gibt es keine Daten. Auch für den Vergleich der Aromatasehemmer untereinander fehlen Daten. Bei der einzigen Studie, die Letrozol gegen Anastrozol testete, gibt es keine relevanten Unterschiede.
Fortgeschrittener Brustkrebs: Kein Anhaltspunkt für Zusatznutzen
Für keines der drei möglichen Therapieregime mit Aromatasehemmern beim späten Brustkrebs bietet einer der Wirkstoffe einen Vorteil: In der Erstlinientherapie gibt es zwar Daten, ein Zusatznutzen gegenüber Tamoxifen lässt sich aus ihnen jedoch nicht ableiten. Für die Zweitlinientherapie, also nach Vorbehandlung mit Antiöstrogenen, und für die Drittlinien-Therapie fehlen relevante Studien.
AMNOG-Bewertungen haben seit 2011 Priorität
Der G-BA hatte den Auftrag zur Bewertung der Aromatasehemmer bereits 2010 erteilt, also noch vor dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Seit Anfang 2011 kommen alle neu zugelassenen Wirkstoffe auf den Prüfstand. Die fristgerechte Bearbeitung dieser Bewertungen hat für G-BA und IQWiG seitdem höchste Priorität. Das ist auch der Grund, weshalb der Vorbericht zu den Aromatasehemmern erst jetzt vorliegt. Er berücksichtigt aber selbstverständlich den aktuellen Erkenntnisstand.
Vergleichende Bewertung auch älterer Wirkstoffe machbar und sinnvoll
Das AMNOG hatte ursprünglich vorgesehen, dass der G-BA nicht nur für neu zugelassene, sondern auch für ausgewählte ältere Wirkstoffe ein Dossier beim Hersteller anfordern kann. Dieser „Bestandsmarktaufruf“ wurde aber Anfang 2014 mit der ersten AMNOG-Reform wieder abgeschafft, vor allem wegen rechtlicher Bedenken, dass spätere Beschlüsse des G-BA erfolgreich beklagt werden könnten. Bis dahin war lediglich eine Wirkstoffgruppe aus dem Bestandsmarkt, die Gliptine, gemäß AMNOG bewertet worden.
„Der Bericht zu den Aromatasehemmern zeigt einmal mehr, dass auch die vergleichende Bewertung von Medikamenten, die schon länger auf dem Markt sind, praktikabel und sinnvoll ist“, kommentiert Institutsleiter Jürgen Windeler den Vorbericht. „Denn sie kann wichtige Informationen über Nutzen und Schaden liefern und so die Qualität der Patientenversorgung verbessern helfen“, so Windeler.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im April 2012 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im November 2012 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Vorberichts gibt eine Kurzfassung.