Intensivierte Insulintherapie bei Diabetes
Diabetes mellitus ist eine weit verbreitete Stoffwechselerkrankung, bei der eine gestörte Insulinproduktion (Typ-1-Diabetes), eine gestörte Insulinwirkung (Typ-2-Diabetes) oder eine Kombination von beidem zu chronischer Hyperglykämie, also einem überhöhten Blutzuckerspiegel führt. Ist die Störung stark ausgeprägt, erhalten viele Patientinnen und Patienten eine sogenannte intensivierte Insulintherapie. Dabei spritzen sich die Betroffenen entweder ein- bis zweimal täglich ein langwirksames und zu den Mahlzeiten zusätzlich ein kurzwirksames Insulin, oder eine Insulinpumpe verabreicht ihnen ständig ein kurzwirksames Insulin, dessen Dosis im Tagesverlauf an den Bedarf angepasst werden kann.
Verbesserte Blutzuckerkontrolle erhofft
Bei beiden Formen der intensivierten Insulintherapie messen die Betroffenen in der Regel vier- bis sechsmal täglich ihren Blutzuckerspiegel (Blutglukoseselbstmessung, BGSM), um ihre Insulindosis bedarfsgerecht anzupassen. Nicht alle Patientinnen und Patienten können ihren Blutzuckerspiegel auf diese Weise optimal kontrollieren. Eine verbesserte Blutzuckerkontrolle erhofft man sich von der Real-Time-CGM. Hier misst ein Gerät ständig die Glukosekonzentration - zumeist im Unterhautfettgewebe - und zeigt neben dem aktuellen Wert auch Trends an, sodass die Patienten gegensteuern können, um Hypo- und Hyperglykämien zu vermeiden.
Neben reinen Real-Time-CGM-Geräten gibt es auch Geräte, die die Real-Time-CGM mit einer Insulinpumpe kombinieren. Eines dieser Kombinationsgeräte aus Insulinpumpe und Real-Time-CGM verfügt zudem über eine automatisierte Low-glucose-suspend-Funktion (LGS-Funktion): Die Insulinpumpe unterbricht die Insulinabgabe vorübergehend, wenn der Real-Time-CGM-Wert eine Schwelle unterschreitet, um Hypoglykämien zu vermeiden.
Von einer besseren Blutzuckerkontrolle erhofft man sich auch, langfristige Komplikationen durch die Schädigung kleiner arterieller Blutgefäße vermeiden bzw. verzögern zu können, beispielsweise die diabetische Retinopathie (Erblindung), die diabetische Nephropathie (Nierenschäden) oder die diabetische Neuropathie (Nervenschäden).
Nutzen für Patientinnen und Patienten entscheidend
Wie bei allen seinen Nutzenbewertungen hat das IQWiG die beste verfügbare Evidenz (in diesem Fall randomisierte kontrollierte Studien über mindestens 24 Wochen) daraufhin untersucht, ob sich aus ihnen Belege, Hinweise oder Anhaltspunkte für einen größeren Nutzen oder Schaden der Real-Time-CGM im Vergleich zu anderen Messverfahren ableiten lassen.
Einbezogen wurden die patientenrelevanten Endpunkte Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität, kardiovaskuläre Morbidität, Erblindung, Niereninsuffizienz, Amputation, ketoazidotisches bzw. hyperosmolares Koma, Hypoglykämien und HbA1c-Werte (in gemeinsamer Betrachtung), Symptomatik chronischer Hyperglykämie, sonstige unerwünschte Ereignisse und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Schwangeren wurden zusätzliche patientenrelevante Endpunkte wie Entwicklungsstörungen oder Fehlgeburten untersucht.
Zwölf relevante Studien
Insgesamt wurden zwölf für die Fragestellung relevante Studien identifiziert, an denen 1779 Patientinnen und Patienten teilnahmen - ganz überwiegend Personen mit Typ-1-Diabetes. Zwei Studien schlossen auch schwangere Diabetikerinnen ein.
Die Studien wiesen statistisch signifikante Unterschiede zwischen einer Kombination aus Real-Time-CGM und BGSM einerseits und reiner BGSM andererseits auf.
Verbesserung des HbA1c-Werts ohne Zunahme schwerer oder schwerwiegender Hypoglykämien
Bei der gemeinsamen Betrachtung der schweren oder schwerwiegenden Hypoglykämien und der HbA1c-Werte zeigt sich: Der HbA1c-Wert lässt sich verbessern, ohne dass schwere oder schwerwiegende Hypoglykämien häufiger auftreten als in der Kontrollgruppe. Die Aussagesicherheit reicht dabei je nach Altersgruppe (über/unter 18 Jahre) und Schwere der Hypoglykämie von einem Beleg bis zu einem Anhaltspunkt.
Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen ergibt sich beim Endpunkt Hautreaktionen ein Anhaltspunkt für einen Schaden der Real-Time-CGM. Bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität liefern die wenigen klinisch relevanten Studienergebnisse kein einheitliches Bild, sodass sich aus ihnen kein Anhaltspunkt für einen Vor- oder Nachteil ableiten lässt. Für alle anderen Endpunkte kann entweder mangels statistisch signifikanter Unterschiede oder aufgrund fehlender Daten keine Aussage über einen größeren Nutzen oder Schaden der Real-Time-CGM-BGSM-Kombination gegenüber der reinen BGSM getroffen werden.
Real-Time-CGM-Varianten und Verbindung mit LGS-Funktion: keine Anhaltspunkte
Beim Vergleich verschiedener Varianten der Real-Time-CGM, insbesondere kontinuierlicher versus intermittierender Real-Time-CGM, ergab sich für keinen der untersuchten Endpunkte ein Anhaltspunkt für einen größeren Nutzen oder Schaden einer Variante - wiederum teils wegen fehlender statistisch signifikanter Unterschiede und teils wegen fehlender Daten.
Dasselbe gilt für die Frage, ob eine Real-Time-CGM im Verbund mit BGSM und LGS-Funktion mehr nutzt oder schadet als eine reine BGSM: Für keinen der relevanten Endpunkte lieferten die Studien statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsoptionen.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im April 2013 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im September 2013 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Vorberichts gibt eine Kurzfassung.