Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat deshalb das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, ein solches Einladungsschreiben sowie eine Entscheidungshilfe zu entwerfen. Die Entwürfe für beide Dokumente liegen nun vor. Interessierte Personen und Institutionen können bis zum 14. März 2017 Stellungnahmen dazu abgeben.
Künftig Einladung durch Krankenkassen
Vorgaben einer 2013 verabschiedeten Gesetzesänderung folgend, wird die Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs derzeit vom G-BA reformiert: Angelehnt an die Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs soll ein „organisiertes Programm“ aufgebaut werden, zu dem die jeweilige Krankenkasse ihre Versicherten künftig schriftlich einlädt.
Eine zentrale gesetzliche Anforderung an das neue Screening-Modell ist, dass es Versicherten eine informierte Entscheidung ermöglichen soll. Dazu sollen die Vor- aber auch die Nachteile der Früherkennung allgemein verständlich, umfassend und ausgewogen dargestellt werden.
Zu den Eckpunkten des Auftrags gehört, dass Frauen zwischen 20 und 60 Jahren alle fünf Jahre angeschrieben und altersbezogen über das Screening informiert werden. Frauen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren können weiterhin jährlich eine zytologische Untersuchung, den sogenannten Pap-Test, durchführen lassen. Frauen ab 35 Jahren wird künftig eine Kombination aus HPV- und Pap-Test angeboten, die alle drei Jahre in Anspruch genommen werden kann.
Die Entscheidung, für Frauen ab 35 den Pap-Test durch die Kombinationsuntersuchung als Kassenleistung zu ersetzen, basiert auch auf einer bereits 2013 abgeschlossenen positiven Nutzenbewertung des IQWiG.
Gebärmutterhalskrebs lässt sich früh erkennen
Als Hauptursache des Zervixkarzinoms gilt eine Infektion mit bestimmten HPV, die sich dauerhaft in Schleimhautzellen festsetzen und die Entwicklung von Zellveränderungen, sogenannten Dysplasien, fördern können. Meist bilden sich Dysplasien von selbst zurück, aus ihnen kann sich aber auch Krebs entwickeln. Dysplasien können bei Untersuchungen entdeckt und durch eine sogenannte Konisation entfernt werden. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass ein Krebs entsteht.
Das Risiko für Gebärmutterhalskrebs hängt auch vom Alter ab, am höchsten ist es bei 35- bis 55-Jährigen. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4700 Frauen, 1500 bis 1600 sterben daran. Vor 30 Jahren waren es fast doppelt so viele. Als einer der Gründe für diesen deutlichen Rückgang wird die flächendeckende Einführung des Screenings angesehen, bestehend aus einem jährlich angebotenen Pap-Test.
Erster Schritt: Was wollen Adressatinnen wissen?
In einem ersten Schritt haben die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler qualitative Studien recherchiert und ausgewertet, die der Frage nachgingen, welche Informationsbedürfnisse Frauen in den jeweiligen Altersgruppen haben.
In einem zweiten Schritt haben sie die Texte für das Einladungsschreiben sowie für die Entscheidungshilfe verfasst. Aufgrund des unterschiedlichen Früherkennungs-Angebots hat das IQWiG zwei altersspezifische Entscheidungshilfen (20-34 Jahre, über 35 Jahre) im Umfang je einer 20-seitigen DIN-A5-Broschüre erarbeitet.
Auch Ärztinnen und Ärzte in Nutzertest einbezogen
Alle Texte wurden einem Nutzertest unterzogen, und zwar sowohl mit potenziellen Empfängerinnen als auch mit medizinischen Expertinnen und Experten: In drei Gruppendiskussionen mit weiblichen Testleserinnen im fraglichen Alter sowie sechs Einzelinterviews mit Ärztinnen und Ärzten wurden die Materialien daraufhin geprüft, ob sie verständlich sind, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und wo sie verbessert werden sollten.
Auf Basis der Ergebnisse des Nutzertests wurden die jetzt im Vorbericht veröffentlichten Versionen der Materialien erstellt.
Auch Nachteile kommunizieren
Wie fast jede medizinische Maßnahme hat auch das Zervixkarzinom-Screening Nachteile. Auch darüber müssen die Frauen im Bilde sein, andernfalls wäre ihnen eine informierte Entscheidung nicht möglich.
Zum einen sind die Tests nicht fehlerfrei, d. h. Frauen können einen auffälligen Befund bekommen, der sie psychisch belastet, auch wenn sich später herausstellt, dass sich dahinter nichts Ernsthaftes verbirgt. Zum anderen kann es zu sogenannten Überbehandlungen kommen, d. h. es werden auch solche Dysplasien entfernt, die sich nie zu einem Tumor entwickelt hätten. Dabei ist der operative Eingriff mit Risiken verbunden. So treten etwa Frühgeburten nach einer Konisation häufiger auf.
Vor- und Nachteile auf Basis einer Modellierung beschrieben
In Entscheidungshilfen reicht es nicht aus, Vor- und Nachteile allgemein zu beschreiben, wenn möglich sollten sie auch quantifiziert werden. Zahlenangaben helfen den Betroffenen, Vorteile und Nachteile besser abzuwägen. Idealerweise stammen die zur Quantifizierung nötigen Daten aus zuverlässigen Studien.
Zu den Effekten des in Deutschland geplanten Screening-Angebots gibt es solche Studien aber nicht. International gibt es keinen Zweifel, dass ein Screening das Risiko verringern kann, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken und zu sterben. Unklar ist aber, wie groß die Reduktion ausfällt. Statt auf eine Quantifizierung ganz zu verzichten, hat das IQWiG deshalb eine Modellierung in Auftrag gegeben.
„Wie bei jeder Modellierung mussten wir vereinfachende Annahmen treffen, sodass die Szenarien, die wir für die Frauen errechnet haben, zwangsläufig mit Unsicherheiten behaftet sind“, erläutert Klaus Koch, Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation im IQWiG. In der Broschüre sind diese Angaben als „Hochrechnungen“ oder „Schätzung“ gekennzeichnet und es werden teils Spannen angegeben.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
In die Bearbeitung des Projekts sind sowohl externe Sachverständige in beratender Funktion eingebunden als auch externe Dienstleister, die den Nutzertest durchführten. Mit der Modellierung wurde eine externe Wissenschaftlergruppe beauftragt.
Der Berichtsplan, in dem das Vorgehen beschrieben wird, wurde im Oktober 2015 auf der Website des Instituts publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen. Daran anschließend werden die Materialien bei Bedarf überarbeitet und erneut einem Nutzertest unterzogen. Danach wird der Abschlussbericht erstellt und an den Auftraggeber weitergeleitet.