Demnach gibt es bei Patientinnen, für die Taxane oder Anthrazykline nicht mehr infrage kommen, Anhaltspunkte dafür, dass Eribulin ihr Leben verlängern kann. Es ist aber unklar, um wie viele Wochen oder Monate es sich dabei handeln kann. Bei Patientinnen, die erneut mit Taxanen oder Anthrazyklinen behandelt werden können, zeigt sich kein Überlebensvorteil. Gleichzeitig ist mangels geeigneter Daten nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass Eribulin einen höheren Schaden in Form von Nebenwirkungen hat. In der Gesamtschau kommt das IQWiG deshalb zu dem Ergebnis, dass ein Zusatznutzen von Eribulin nicht belegt ist.
G-BA legt zweckmäßige Vergleichstherapie fest
Laut Rechtsverordnung muss sich die Nutzenbewertung am Zulassungsstatus orientieren. Und das betrifft sowohl den aktuell zu bewertenden neuen Wirkstoff als auch die in der Vergleichsgruppe eingesetzten Therapien.
Eribulin ist zugelassen für Patientinnen, bei denen nach mindestens zwei Chemotherapien eine weitere Progression eingetreten ist. Die Vortherapien sollen ein Anthrazyklin und ein Taxan enthalten haben, es sei denn diese Behandlungen waren ungeeignet. Als zweckmäßige Vergleichstherapien bestimmt hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entweder eine Monotherapie mit Capecitabin, 5-Fluoraouracil oder Vinorelbin oder aber eine erneute anthrazyklin- oder taxanhaltige Therapie, sofern die Patientinnen dafür infrage kamen.
Zwar schließt sich der pharmazeutische Unternehmer dieser Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie an, lässt durch die Formulierung seiner Fragestellung und der Einschlusskriterien des Dossiers aber auch andere Therapien als Vergleichstherapie für Eribulin zu.
Eine Studie in Bewertung einbezogen
Für die frühe Nutzenbewertung lag eine relevante Studie vor, eine Zulassungsstudie für Eribulin (EMBRACE). In dieser Studie wurden allerdings auch Wirkstoffe eingesetzt, die nicht Teil der zweckmäßigen Vergleichstherapie sind. 18% erhielten sogar eine Therapie, die in Deutschland für diese Indikation gar nicht zugelassen ist (Gemcitabin-Monotherapie).
Insgesamt wurden nur 69% der Patientinnen in der Vergleichsgruppe gemäß den Vorgaben des G-BA behandelt. Dennoch zieht der Hersteller in seinem Dossier die Ergebnisse aller Patientinnen (Gesamtpopulation) heran. Dies ist ein Vorgehen, dem das IQWiG nicht folgen kann.
Kein Überlebensvorteil, wenn Taxan oder Anthrazyklin weiter möglich wäre
In der Studie wurden Daten zum Gesamtüberleben und zu Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse), nicht jedoch zur Lebensqualität erhoben, so dass zu diesem letztgenannten Aspekt per se keine Aussagen möglich sind.
Was die Überlebenschancen betrifft, liegen separate Daten zu der Teilpopulation vor, die mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie behandelt wurden. Wie deren Auswertung zeigt, überlebten in der Studie Patientinnen, die erneut mit Taxanen oder Anthrazyklinen behandelt werden können, in der Eribulin-Gruppe nicht länger als diejenigen, bei denen diese Alternativen eingesetzt wurden. EinZusatznutzen ist somit nicht belegt.
Anhaltspunkt für Lebensverlängerung, wenn Taxan oder Anthrazyklin nicht mehr infrage kommen
Anders ist das Bild bei den Patientinnen, für die Taxane oder Anthrazykline nicht mehr infrage kommen: Hier zeigte sich ein Überlebensvorteil, zumindest bei einem ersten Auswertungszeitpunkt. Bei einem zweiten, späteren Auswertungszeitpunkt gab es dagegen keine statistisch signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Behandlungsgruppen. Um wie viele Wochen oder Monate Patientinnen mit Eribulin länger lebten, lässt sich nicht genau berechnen. Der Unterschied betrug in der Studie aber nicht mehr als wenige Monate.
Das IQWiG leitet aus diesen Daten bei Patientinnen, die nicht weiter mit Taxanen oder Anthrazyklinen behandelt werden können, zunächst einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen ab, der nicht quantifizierbar ist, höchstens aber "beträchtlich" sein kann.
Keine getrennten Angaben zu Teilpopulation bei Nebenwirkungen
Anders als beim Zielkriterium Gesamtüberleben lagen bei den Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse) lediglich Daten zur Gesamtpopulation vor, aber keine getrennten Daten zu der Teilpopulation, die mit einer der vorgegebenen zweckmäßigen Vergleichstherapien behandelt worden war. Um einen Eindruck vom möglichen Schaden zu gewinnen, hat das IQWiG in seiner Bewertung die Daten zur Gesamtpopulation ergänzend untersucht.
Demnach war die Gesamtrate der unerwünschten Ereignisse und die Rate der schweren unerwünschten Ereignisse in der Eribulin-Gruppe jeweils statistisch signifikant höher als in der Vergleichsgruppe. Das IQWiG leitet daraus ab, dass ein größerer Schaden von Eribulin auch für die in der Dossierbewertung interessierende Teilpopulation nicht hinreichend sicher auszuschließen ist.
Negative Effekte könnten positive Effekte aufwiegen
In der Gesamtschau kann das IQWiG aus den verfügbaren Daten keinen Zusatznutzen von Eribulin ableiten. Das gilt auch für die Untergruppe der Patientinnen, für die Taxane oder Anthrazykline nicht mehr infrage kommen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die negativen Effekte (schwere Nebenwirkungen) die positiven Effekte (Überleben) aufwiegen. Bei den Patientinnen, die weiter mit Taxanen oder Anthrazyklinen behandelt werden könnten, ist nicht auszuschließen, dass Eribulin sogar mehr schadet als nützt.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Das Vorgehen zur Ableitung einer Gesamtaussage zum Ausmaß des Zusatznutzens stellt einen Vorschlag des IQWiG dar. Über das Ausmaß des Zusatznutzens beschließt der G-BA, der ein förmliches Stellungnahmeverfahren eröffnet hat.
Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.
Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Eribulin zu finden.