Medikation nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie
Sowohl Lisdexamfetamin (kurz für Lisdexamfetamindimesilat) als auch die vom Gemeinsamen Bundessauschuss (G-BA) festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie Atomoxetin sind jeweils zugelassen als Teil einer therapeutischen Gesamtstrategie (multimodale ADHS-Therapie). Gemäß der jeweiligen Fachinformation umfasst eine solche Behandlungsstrategie in der Regel psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen. Die Fachinformation zu Lisdexamfetamin sieht darüber hinaus eine pädagogische Betreuung als "essenziell" an und psychosoziale Maßnahmen als "im Allgemeinen notwendig".
Überdies sind beide Wirkstoffe als Stimulanzien bei ADHS gemäß Arzneimittelrichtlinie des G-BA nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von ADHS überhaupt verordnungsfähig.
Der Hersteller benennt zwar in Übereinstimmung mit dem G-BA Atomoxetin als zweckmäßige Vergleichstherapie, legt aber keine relevante Studie für den Vergleich mit Lisdexamfetamin vor.
ADHS-Wirkstoffe nicht zulassungskonform eingesetzt
In der einzigen vorgelegten Studie (SPD489-317) wurden Lisdexamfetamin und Atomoxetin ausschließlich als Arzneimitteltherapie betrachtet - ohne in eine therapeutische Gesamtstrategie eingebettet zu sein. Das ist weder inhaltlich sinnvoll noch entspricht es der Zulassung und deckt in der Folge auch die zweckmäßige Vergleichstherapie nicht ab.
So fehlte beispielsweise das Angebot zur Teilnahme an psychologischen, pädagogischen oder sozialen Maßnahmen. Für die Kinder (und Eltern) war auch keine Beratung vorgesehen, um gegebenenfalls Maßnahmen anzupassen oder andere, geeignetere Maßnahmen zu ergreifen.
Darüber hinaus war es in der Studie nur eingeschränkt möglich, eine bereits aufgenommene nichtmedikamentöse Therapie fortzuführen: Nur 8 % der Kinder und Jugendlichen wurden nichtmedikamentös weiterbehandelt. Insgesamt hatten ohnehin nur rund 22 % der Studienteilnehmer zuvor überhaupt eine nichtmedikamentöse ADHS-Behandlung erhalten.
Kurzzeitstudie unzureichend
ADHS ist eine chronische Erkrankung, für die laut Fachinformation von Lisdexamfetamin eine medikamentöse Behandlung über eine längere Zeit erforderlich sein kann. Die Studie SPD489-317 hatte eine Behandlungsdauer von insgesamt neun Wochen und war damit auch zu kurz, um Aussagen zu einem Zusatznutzen zu ermöglichen.
Die vom Hersteller vorgelegte Studie ist also aus mehreren Gründen ungeeignet und ein Zusatznutzen von Lisdexamfetamin ist deshalb nicht belegt.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.
Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Lisdexamfetamindimesilat zu finden.