Ergebnisse einer von Privatdozentin Dr. med. Seifert von der Universität Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Studie zeigten, so Weise, dass die Unfallinzidenz bei Männern und Frauen nahezu identisch, die geschlechtsspezifische Risikobereitschaft jedoch höchst unterschiedlich ist.
Auf der "Sensation Seeking Scale", einem Fragenkatalog zur Ermittlung von Risikobereitschaft und -profil, erzielen Frauen den höchsten Punktwert im Bereich "Erfahrungssuche", Männer hingegen in Beziehung zum Begriff "Abenteuerlust". Dies findet seinen Niederschlag in unterschiedlichen Verarbeitungsmustern visueller Wahrnehmungen, möglicherweise zurückgehend auf hormonelle Faktoren: Während der Menstruationsphase mit niedrigem Östrogen- und relativ erhöhtem Testosteronspiegel sinkt die Unfallhäufigkeit beim weiblichen Geschlecht infolge einer Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung. Chronisch hoher Testosteronspiegel führt bei Männern zur Unterschätzung von Risiken. Darüber hinaus existiert eine starke Abhängigkeit des Risikoprofils vom Alter: Je jünger, desto risikobereiter, wobei 18- bis 25-jährige Frauen erstaunlicherweise gegenüber dem männlichen Geschlecht eine erhöhte Risikobereitschaft aufweisen.
Obgleich Männer 3,5 mal so viele Verkehrsunfälle verursachen wie Frauen, liegt das relative Unfallrisiko der Letzteren in bestimmten Altersgruppen sogar höher, wie Weise, Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen anmerkt. Frauen erleiden aber in der Regel leichtere Verletzungen, was die Studie zur Unfallforschung aus der Universitätsklinik Greifswald aufzeigt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass Frauen häufiger innerorts, Männer jedoch mehrheitlich auf längeren Strecken außerhalb geschlossener Ortschaften verunfallen. Beim männlichen Geschlecht sind überwiegend hohe Geschwindigkeit und Missachtung der Vorfahrt, bei Frauen dagegen Vorfahrtsfehler und Fehleinschätzungen beim Überholen ursächlich.
Basierend auf den Erkenntnissen aus der genannten Studie schlägt Prof. Weise vor, bei der Planung und Durchführung präventiver Maßnahmen diese individuellen und geschlechtsabhängigen Verhaltensweisen mit zu berücksichtigen. Letztere könnten in ein noch zu erarbeitendes Konzept für die Durchführung verkehrserzieherischer Maßnahmen implementiert werden, um auf diese Weise die Zahl der Verkehrsunfälle weiter zu senken.