Eine Erscheinung der fortschreitenden Internationalisierung ist auch in der Weinwelt deutlich zu beobachten: der Trend zur Uniformität. Überall wird auf wenige, allseits bekannte Rebsorten gesetzt, die ebenso in Australien wie in Frankreich oder China angebaut werden. Die Produzenten tragen auf diese Weise der Tatsache Rechnung, dass der Weintrinker in der Regel auf zwei Handvoll Rebsorten setzt. Aber auch hier gibt es eine Gegenbewegung, und die heisst «Autochthon». Laut Definition versteht man darunter «…Pflanzen oder Lebewesen, die im aktuellen Verbreitungsgebiet entstanden sind beziehungsweise ohne menschlichen Einfluss eingeführt wurden». Speziell Österreich hat einen grossen Schatz an solchen eigenständigen und nur hier wachsenden Rebsorten. Warum sie in den letzten Jahrzehnten langsam von der Bildfläche verschwunden sind, hat viele Gründe. Stichworte sind Ertragssicherheit, Arbeitsaufwand, Image. Auch Österreich ist keine Insel, die sich vor internationalen Weintrends verschliessen kann. Es scheint aber, dass sich vor allem junge Winzer gerade für die weniger bekannten Rebsorten besonders interessieren. Eigenständigkeit ist vielen wichtiger als Internationalität, in der qualitativen Spitze sind authentische, unverwechselbare Weine gefragt. Das lässt sich mit autochthonen Rebsorten einfacher erreichen. Vor allem, wenn der Ausbau nach wirklich konventionellen, also alten Methoden erfolgt: mit naturnahem Wirtschaften, Vergären auf der Maische, Verzicht auf zugesetzte Hefen. Das könnte die Erkenntnis dieses Profipanels sein: Alte Rebsorten profitieren von alten Ausbaumethoden. Vor 100, 200 oder 300 Jahren gab es noch keine Reinzuchthefen, temperaturgesteuerteVergärung oder Mehrschichtenfiltration. Es scheint deshalb überhaupt nicht abwegig, dass alte, autochthone Rebsorten besser zu dieser wiederentdeckten Art der Vinifikation passen. Im Panel schnitten solche Weine jedenfalls besonders gut ab.
Ratings & Notizen aller Weine
«Wer auf klassische, feinfruchtige Aromen steht, ist beim Rotgipfler gut aufgehoben; Neuburger hat als Speisebegleiter gute Chancen, wenn versucht wird, mehr Säure hineinzubekommen; Zierfandler kann als Ergänzung zu Burgundersorten funktionieren. Kurzum: Alte Rebsorten sind keineswegs altmodisch.»
Michael James Weinhandlung Vinoe, Wien
«Das waren sehr spannende Vertreter der jeweiligen Rebsorte. Die Renaissance der wirklich klassischen Ausbaumethoden mit Maischestandzeit und ohne Filtration bringt spannungsgeladene Weine, die sich auch hervorragend als Speisebegleiter eignen.»
Sebastian Höpfner Chef-Sommelier «Taubenkobel», Schützen am Gebirge
«Dieses Panel hat schon im Kleinen gezeigt, welche enorme stilistische Vielfalt mit autochthonen Rebsorten möglich ist. Auch die im Trend liegenden, etwas ‹schmutzigeren› Ausbaumethoden machen viel Spass, wenn sie aromatisch sauber in die Flasche kommen.»
Nicole Harreisser Redaktion VINUM, Zürich
«Grundsätzlich scheinen sich die autochthonen Rebsorten für unkonventionelle Ausbauarten besonders zu eignen. Nur schade, dass dem Silvaner in seiner eigentlichen Heimat so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mehr als gut gemachte Mittelklasse war leider nicht dabei.»
Leo Quarda Weinjournalist, Wien