Trotz unterschiedlicher Beurteilung der Chancen und Risiken, die mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) beim gegenwärtigen Stand gesehen wurden, war als gemeinsamer Nenner zu erkennen, dass das AMNOG eine Gesetzesreform darstellt, die grundlegende Neuerungen mit sich bringt und die pharmazeutischen Hersteller vor vollkommen neue Herausforderungen hinsichtlich ihrer Strategien in Forschung, Nutzenbewertung, Preisverhandlung und Markterschließung für innovative Präparate stellt.
Chancen und Risiken des AMNOG
Sowohl die Plenumsvorträge des ersten Konferenztages als auch die Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik, Industrie und Krankenkassen am zweiten Tag machten deutlich, dass zumindest beim gegenwärtigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens noch viele Unklarheiten, vor allem hinsichtlich der geplanten Nutzenbewertung von Arzneimitteln, bestehen. Daher wird wesentlich von der konkreten Ausgestaltung abhängen, wie die Einschätzung und Bewertung der Reform bei Leistungserbringern wie Kostenträgern ausfällt.
Dass sich beim heutigen Stand Risiken, aber auch Chancen durch das AMNOG abzeichnen, verdeutlichte Prof. Cassel von der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen. Mit dem AMNOG werde eine neue Bewertungs- und Erstattungslogik eingeführt. Im ersten Jahr nach Markteinführung gebe es eine freie Preisbildung und damit zunächst grünes Licht für Innovationen. Die schnelle Nutzenbewertung innerhalb von 90 Tagen biete bei aller Unsicherheit für Ärzte und Patienten Orientierung, was ein Präparat leisten könne. Nach einem Jahr bestehe auch die Chance für einen Neuantrag zur Nutzenbewertung. Damit erfülle das AMNOG zwei zentrale Funktionen, nämlich die der Information wie auch der Bewerkstelligung einer Grundlage für die Erstattung von Innovationen mit oder ohne Zusatznutzen. Problematisch könne sich für die Industrie allerdings eine Nutzenbewertung von Präparaten des Bestandsmarktes auswirken, welche der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt beantrage. Denn teure Forschung zu finanzieren werde immer schwieriger, wenn aus dem Bestandsmarkt nicht mehr genug zu erwirtschaften sei, um hierfür eine tragfähige Basis zu haben.
Wenn eine Nutzenbewertung für Medikamente keinen Zusatznutzen ergäbe, so sei die vorgesehene Einordnung in das Festbetragssystem dennoch nicht sinnvoll, da die Gruppen zu heterogen sein.
Eine neue Option und Chance, auch wenn kein Zusatznutzen anerkannt werde, stellten jedoch dezentrale Verträge dar, die z.B. auch an regional unterschiedliche Versorgungsbedarfe anbinden. In Zukunft würden für Unternehmen drei Elemente wichtig: Versorgungsforschung, um zu sehen, wie sich innovative Produkte weiterentwickeln, die Gestaltung des Versorgungsgeschehens i.S. von "Managed Care" sowie Vertragsmanagement.
Berücksichtigung von Versorgungsforschung bei Kosten-Nutzenbewertungen - Beispiele aus der Praxis
Der therapeutisch bedeutsame Zusatznutzen, um den es in den vorgesehenen Nutzenbewertungen des AMNOG hinsichtlich Erstattung und Preisbildung geht, erscheint bislang noch nicht eindeutig definiert wie Karin Berger von IMS HEALTH erklärte. Es sei davon auszugehen, dass sog. patienten-relevante Endpunkte (z.B. Lebensqualität, Gesundheitszustand, Patientenzufriedenheit) stärker berücksichtigt werden, da klinische Endpunkte (z.B. Mortalität, Morbidität) nicht mehr ausreichend seien. Dazu seien Versorgungs-Outcomes-Forschung und retro- sowie prospektive Beobachtungsstudien notwendig. Detlef Schröder-Bernhardi von IMS stellte an drei Beispielen aus Kundenprojekten vor, wie Patientendaten als empirisches Fundament zur Kosten-Nutzen-Bewertung dienen können. Dabei wurde deutlich, wie Versorgungsforschung von IMS HEALTH Pharmaunternehmen mittels prospektiver und retrospektiver Beobachtungsstudien bei der Marktzugangssicherung unterstützen kann.
Veränderung von Geschäftsmodellen - Bedarf an neuen Dienstleistungen
Die mit dem AMNOG vorgesehenen Maßnahmen bedeuten für die pharmazeutische Industrie eine Veränderung ihrer Geschäftsmodelle, wodurch auch ein Bedarf an neuen Dienstleistungen entsteht wie Dr. Ralf Zeiner von IMS erläuterte. Das Spektrum erstreckt sich dabei von Modellierungen der Auswirkungen von Herstellerrabatten, auch in hochspezialisierten Segmenten wie etwa onkologischen Zubereitungen, über das Design und die Durchführung von Studien zur Versorgungsforschung bis hin zu integrierten Lösungen verschiedener Informationsquellen, die für das Vertrags- und Versorgungsmanagement relevant sind.
Fazit
Die Beiträge verdeutlichten insgesamt die Vielschichtigkeit der geplanten Maßnahmen des AMNOG und ließen an manchen Stellen noch erheblichen Präzisierungsbedarf erkennen. Es wurde verschiedentlich anerkannt, dass das neue Gesetz interessante Ansätze beinhaltet, jedoch noch eine konsequente Weichenstellung fehlt und Nachjustierungen wohl notwendig werden.