Nie zuvor war es Unternehmen möglich, ihre Kunden so abgestimmt zu adressieren wie heute. „Digitale Technologien ermöglichen den Unternehmen einen 360-Grad-Blick auf ihre Kunden“, sagte Dr. Frank Wartenberg, President Central Europe von QuintilesIMS in seinem einführenden Vortrag. In Zukunft könnten Pharmaunternehmen die Kundenansprache auf nahezu individueller Ebene umsetzen. Dies erfordere jedoch tiefgreifende strukturelle Veränderungen: Neben der Vernetzung aller zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle - Stichwort Multichannel Management - geht es darum, die ganzheitliche Orchestrierung der verschiedenen Organisationseinheiten im Unternehmen herzustellen. Eine der großen Herausforderungen bildet dabei die Zusammenlegung aller Kundendaten.
Digitalisierung ermöglicht vorausschauende Analyse von Kundenverhalten
Einen der großen Zukunftstrends bildet Big Data. „Den Unternehmen stehen heute aus Social Media und anderen digitalen Quellen unfassbar große Datenmengen zu ihren Kunden – zunehmend in Echtzeit – zur Verfügung“, sagte Wartenberg. „Gegenwärtig geben uns diese Daten Einblicke in die Ursachen von bestimmten Entwicklungen. In Zukunft aber werden wir Big Data verwenden, um vorausschauend zu handeln und damit bessere Entscheidungen zu treffen.“ Die Instrumente dafür gebe es bereits, so Wartenberg, sie würden von der Pharmaindustrie jedoch noch nicht in dem Maße genutzt wie in anderen Branchen.
Erfolgsfaktor Außendienst für Multichannel Management
Wie Multichannel Management in der Praxis erfolgreich für eine konsequente Kundenzentrierung eingesetzt werden kann, erläuterte Alexander Almerood, Multi Channel Senior Manager beim Biotechnologieunternehmen Amgen, als zweiter Sprecher beim Plenum am Vormittag. In seinem praxisorientierten Vortrag machte Almerood deutlich, dass der Erfolg von Multichannel Projekten wesentlich von der Unterstützung der obersten Führungsebene und des Außendienstes abhänge. Die Einführung von MCM erfordere ein konsequentes Change Management, für das sich ein Unternehmen Zeit nehmen solle, betonte der Referent. Drei bis fünf Jahre seien hier durchaus realistisch. Es gelte insbesondere den Außendienst mit auf die digitale Reise zu nehmen. MCM-Projekte könnten langfristig nur funktionieren, wenn jeder Mitarbeiter im Außendienst davon überzeugt sei.
Außerdem veranschaulichte Almerood die extrem hohe Komplexität von Multi Channel-Kampagnen in der operativen Umsetzung. Es gelte nicht nur verschiedene Kanäle zu bedienen, sondern auch die Kundensegmentierungen zu erfassen. Für die Praxis bedeute dies zum Beispiel die Erstellung von zwanzig unterschiedlich gewichteten Einladungsschreiben für eine Veranstaltung. Multi Channel ermögliche, mit der richtigen Botschaft im richtigen Kanal den richtigen Kunden anzusprechen, so der Referent. Ohne digitale Technologien lasse sich dies operativ nicht bewältigen.
Digital Health stärkt die Rolle der Patienten
Als dritte Sprecherin gab Julia Hagen, Referentin Health & Pharma beim IT-Verband Bitkom e.V. einen umfassenden Einblick in die aktuelle Entwicklung im Bereich Digital Health in Deutschland. Hier setzt das E-Health-Gesetz ab Juli 2017 erstmals den notwendigen Rahmen für die Akteure im Gesundheitswesen – ein überfälliger Schritt, so Hagen: „Die politischen und technischen Rahmenbedingungen hinken dem Bedarf und Bedürfnis nach digitaler Unterstützung im Gesundheitswesen hinterher.“ Denn längst informieren sich Menschen im Internet zu Gesundheitsfragen und nutzen Gesundheitsapps für unterschiedliche Belange. Dieser Trend verändere die Beziehung zwischen Arzt und Patient grundlegend: „Patienten möchten zum Beispiel bei der Therapieentscheidung stärker einbezogen werden“, sagte Hagen. „Gleichzeitig besteht die Gefahr einer ‚Cyberchondrie‘ durch die eigene Gesundheitsrecherche, weil es für Laien oft nur schwer möglich ist, seriöse von nicht-seriösen Quellen zu unterscheiden.“ Auch hier sei die Gesundheitspolitik gefordert, die Medienkompetenz der Bürger entsprechend zu schulen.
Um die Chancen der Digitalisierung für alle Akteure im Gesundheitswesen nutzen zu können, plädierte Hagen für eine schnellere Umsetzung des E-Health-Gesetzes und neue digitale Anwendungen für die Versorgung. Darüber hinaus sei eine Stärkung der Patientenrechte im Hinblick auf die eigenen Gesundheitsdaten nötig und der Aufbau einer Infrastruktur, die den Patienten ermöglicht, ihre Daten außerhalb von Arztpraxen einzusehen. „Digitale Innovationen bergen große Chancen für Patienten, für Ärzte und für das gesamte Gesundheitswesen“, sagte Hagen abschließend. Hier seien auch die Pharmaunternehmen gefordert, die fortschreitende Entwicklung mit Knowhow und Ideen zu unterstützen.
Spezialforen am Nachmittag boten die Gelegenheit für vertiefte Einblicke in Themen wie Multichannel Management, Verarbeitung von Big Data und Einsatz von Social Media zur Analyse von Kundenbedürfnissen.