In Deutschland sind derzeit ungefähr 1,2 Millionen Menschen von Demenz betroffen und jährlich werden etwa 200.000 Personen neu diagnostiziert.[3] Aufgrund des demografischen Faktors wird davon ausgegangen, dass sich die Anzahl dementieller Patienten weiterhin erhöhen wird. Da verschiedene internationale Studien eine erhöhte Koinzidenz von Demenz und Frakturen belegen, ist davon auszugehen, dass auch mit einem Anstieg der Brüche zu rechnen ist. Diese sind im höheren Alter oftmals kompliziert und die Betroffenen erholen sich nur schwerlich oder gar nicht mehr davon. Neuere Studien für Deutschland gab es zu dieser Thematik bislang nicht.
Forscher von IMS Health gingen nun speziell der Frage nach, ob sich eine Demenz bei Patienten auf das Sturzrisiko für Hüftknochenfrakturen auswirkt, welche Rolle die Medikation dabei spielt, und ob es einen Unterschied danach gibt, ob die Betroffenen im privaten häuslichen Umfeld oder aber in einem Heim leben. Dazu analysierten die Forscher Diagnoseinformationen auf Basis der Datenbank IMS® Disease Analyzer[4]. In die Auswertungen flossen die Therapieverläufe von über 53.000 Patienten zwischen 65 und 90 Jahren aus 1.072 hausärztlichen Praxen ein, die erstmals eine Demenzdiagnose in einem definierten Dreijahreszeitraum erhalten hatten und deren Behandlung seit Diagnosestellung bis zu drei Jahre nachverfolgt werden konnte. Die Untersuchung wurde im Vergleich mit einer nach relevanten Merkmalen selektierten und gleich großen Kontrollgruppe durchgeführt. Im Mittel waren die einbezogenen Patienten 81 Jahre alt und überwiegend (61 %) weiblich. Der Anteil der Patienten mit und ohne Demenz, die in einem Heim lebten, unterschied sich zwischen Studien- und Kontrollgruppe signifikant (18 % ggü. 3 %).
Mehr Brüche in Studien- als in Kontrollgruppe
In der dreijährigen Beobachtungsphase nach der Erstdiagnosestellung traten bei der Studiengruppe der Demenzpatienten signifikant mehr Knochenbrüche auf als in der Kontrollgruppe (über 5 % ggü. knapp 1 %). Bewohner von Heimen waren mehr als doppelt so häufig betroffen (9,2 %) wie Menschen im privaten häuslichen Umfeld. Dieser Effekt verstärkt sich noch bei einer bestehenden Osteoporose.
Bei Untersuchung verschiedener Einflussfaktoren erwies sich eine Demenz als größter Risikofaktor für Hüftknochenbrüche. Antidementive Arzneien hatten keinen signifikanten Einfluss auf das Risiko einer Hüftknochenfraktur[5], ebenfalls nicht Antidepressiva[6]. Antipsychotika erhöhten das Sturzrisiko kurzfristig[7] und minderten es über eine längere Einnahmezeit[8].
"Die Ergebnisse bestätigen für den deutschen Versorgungsalltag Erkenntnisse aus internationalen Studien zum Zusammenhang zwischen Stürzen und Hüftknochenbrüchen bei älteren Patienten mit einer Demenz. Vor allem bei der Alzheimer-Krankheit als der am stärksten verbreiteten Hauptform erhöht sich das Sturzrisiko um ein Mehrfaches im Vergleich zu nicht-dementiellen Patienten. Das in unserer Studie festgestellte höhere Sturzrisiko bei in Heimen lebenden Demenzpatienten könnte damit zu erklären sein, dass diese Patienten sich in einem schwereren Krankheitsstadium befinden als solche, die im privaten häuslichen Umfeld leben. Die schwerere Krankheitsausprägung geht auch mit einer stärkeren motorischen Dysfunktion einher. Um die Alltagsversorgung von Demenzpatienten zu verbessern, bedarf es einer individuell ausgerichteten Behandlung und Therapie, wobei eine interdisziplinäre fachärztliche Zusammenarbeit wichtig ist, um die mit Knochenbrüchen assoziierte Komorbidität zu reduzieren" resümiert Prof. Dr. Karel Kostev, Forschungsleiter bei IMS Health.
[1] World Health Organization: 10 facts on dementia. http://www.who.int/... , abgerufen am 16.03.2016
[2] Wang H-K, Hung C-M, Lin S-H, Tai Y-C, Lu K, Liliang P-C, Lin C-W, Lee Y-C, Fang P-H, Chang L-C, et al.: Increased risk of hip fractures in patients with dementia: a nationwide population-based study. BMC Neurology 2014, 14: 175.
[3] Tunstall: Germany dementia statistics. http://www.alzheimers-support.com/... , abgerufen am 16.03.2016
[4] IMS® Disease Analyzer ist eine Datenbank von IMS Health, die anonymisierte Therapie- und Behandlungsverläufe zeigt. Dadurch lassen sich Krankheitsund Therapieverläufe über viele Jahre darstellen. IMS® Disease Analyzer beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von mehr als 2.500 niedergelassenen Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland, die mit EDV-Systemen ausgestattet sind.
[5] In einem Verschreibungszeitraum von unter zehn Monaten
[6] Bei einer Einnahme von weniger als einem halben Jahr
[7] Anwendung innerhalb eines Monats
[8] Mehr als zehn Monate