"Im wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream hat durch die Ereignisse der vergangenen Monate in einer Hinsicht ein Umdenken eingesetzt: Kaum jemand behauptet noch, der Staat solle den Markt nur spielen lassen, und schon würde sich alles zum Guten wenden. Es ist klar geworden, dass das grenzenlose Gewinnstreben einer beschränkten Finanzelite ganze Volkswirtschaften in ernsthafte Schwierigkeiten bringen kann.
Doch über diese wichtige Erkenntnis hinaus opfern Ökonomen und Politiker noch immer vieles auf dem Altar von Wachstum und Beschäftigung. Nur unter den Vorzeichen einer sehr dogmatischen Wachstumsideologie kann überhaupt nachvollzogen werden, warum massenhaft Staatsgelder für die Vernichtung gut funktionierender Ressourcen (über zehn Jahre alte Fahrzeuge) eingesetzt werden.
Alle wissen, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten wieder ansteigen wird. Aber leider gibt es noch zu wenig Entscheidungsträger, die in der gegenwärtigen Entwicklung eine Chance sehen, die bisherigen wirtschaftspolitischen Leitbilder grundlegend zu überdenken. Solange man für eine ökonomische Flaute oft noch das gleiche Wort benutzt wie für abgrundtiefe persönliche Trauer - Depression - so lange werden wir noch einen langen Atem haben müssen, wenn wir auf einen Wertewandel hoffen. Es wäre sehr viel wichtiger, durch geeignete Rahmenbedingungen etwas gegen die zahllosen persönlichen Depressionen zu tun als mit aller Kraft zu versuchen, das Wirtschaftswachstum zurückzuholen." Dr. Stefan Mann
Dr. Stefan Mann (Jahrgang 1968) ist promovierter Volkswirt und Agrarwissenschaftler. Er leitet in der Schweiz eine Forschungsgruppe zu agrarpolitischen Fragen und publiziert zu grundlegenden sozioökonomischen Themen. Er ist aktives Mitglied der Quäker, ist verheiratet und hat drei Kinder. Stefan Mann ist ein Urenkel des Schriftstellers Thomas Mann.