„Die Themen Umweltschutz und Klimawandel haben Konjunktur. Es ist ein regelrechter Kulturkampf entbrannt zwischen denen, die nicht bereit sind, ihren Lebensstil zu verändern, und denen, denen es nicht schnell genug gehen kann mit der Deindustrialisierung und Dekarbonisierung. Beide Seiten rüsten auf, radikalisieren sich zusehends. Es dreht sich eine schneller werdende Aggressions- und Gewaltspirale.
Beide Seiten nehmen ein Argument für sich in Anspruch: einen drohenden Wohlstandsverlust. Wo die einen sagen, man könne sich manche Investition in Nachhaltigkeit derzeit nicht leisten, weil das Geld jetzt dringender dafür gebraucht würde, um insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten zu unterstützen, sagen andere, dass gerade das Nichtstun in Sachen Nachhaltigkeit genau diese Armut in den kommenden Jahren massiv verschärfen würde. Kurzfristiges gegen langfristiges Denken, schneller Aktionismus versus aggressiven Aktivismus.
Inmitten dieser Debatte findet der Streit ums Bürgergeld seinen Raum. Es geht bei der Debatte über diese Sozialleistung im Kern nicht darum, ob ein Bedürftiger 50 Euro mehr bekommt oder nicht – in Zeiten staatlicher Hyper-Alimentierung ohnehin eine eher irrelevante Größe – oder ob der Begriff ‚Bürgergeld‘ netter klingt als der als Kampfbegriff instrumentalisierte Begriff ‚Hartz 4‘. Es geht vielmehr um die Frage, ob sich Arbeit noch lohnt und ob wir überhaupt noch so arbeiten und wirtschaften können wie bisher. Und es geht um die Frage, wie viel staatliche Eingriffe und Umverteilungsmaßnahmen überhaupt sinnvoll und gewünscht sind.
Fakt ist, dass derjenige, der das neue Bürgergeld bekommen soll, nicht mehr sanktioniert wird, wenn er Arbeit ablehnt. Fakt ist auch, dass dadurch, aber auch durch andere Erleichterungen im Rahmen der Sozialreform, diejenigen, die nicht arbeiten, einkommenstechnisch näher an die heranrücken, die arbeiten, aber mit ihrer Arbeit nur wenig verdienen. Es könnte tatsächlich sein, dass sich schlechter bezahlte Arbeit dann nicht mehr lohnt und die soziale Hängematte für einige noch attraktiver wird. Diese Debatte wird geführt, aber auch sie trifft im Grunde nicht ganz den Kern.
Denn, ob jemand wenig oder sehr wenig hat, macht in der Praxis des Bestreitens des eigenen Lebens kaum einen Unterschied. Beide Gruppen greifen zu billigen Produkten, sparen an Qualität und nehmen wenig Rücksicht auf Nachhaltigkeit. Mit diesen Konsumenten ist Nachhaltigkeit schlicht nicht zu machen. Das ist kein Vorwurf an diese Menschen, es ist ein Vorwurf an einen Staat und eine Gesellschaft, die Nachhaltigkeit fordert, saubere Lieferketten verlangt, eine möglichst rein biologische Landwirtschaft und Produktion forciert und die mit moralischen Ratschlägen an keiner Stelle geizt, die es aber Menschen bis weit in die Mittelschicht hinein nicht ermöglicht, diesem Weg zu folgen. Wer ethisches und nachhaltiges Handeln und Konsumieren einfordert, der muss dies den Menschen auch ermöglichen.
Wer aber Menschen nur alimentiert und damit in Unmündigkeit und Abhängigkeit hält, und wer diejenigen, die noch arbeiten und Leistung bringen, teilweise enteignet, um es dann großzügig umzuverteilen, der fördert damit keine Nachhaltigkeit, sondern forciert einen ethischen Ausverkauf. Immer mehr Menschen werden gezwungen, unten ins Regal zu greifen. Und dafür zahlen andere den Preis: die Umwelt und die Natur, Tiere und Pflanzen, Böden und Erzeuger, Produzenten oder Billigarbeiter im In- und Ausland sorgen dafür, dass ein Produkt billig angeboten werden kann.
In diesem Sinne ist das neue Bürgergeld nur alter Wein in neuen Schläuchen – es verfestigt ungewollte soziale und ökonomische Strukturen. Es ist keine Lösung. Es ist nicht nachhaltig, weil es positive Entwicklungen kaum zulässt. Daran ändern auch die propagierten Schulungsmaßnahmen nichts, die die Bürgergelderfinder als Fortschritt preisen.
Was stattdessen sinnvoll wäre, wäre, den Menschen mehr Brutto vom Netto übrigzulassen. Weniger Steuern und weniger Sozialabgaben, damit die Menschen selbst entscheiden können, wofür sie ihr Geld ausgeben – und sie so in die Lage versetzen, selbstbestimmt in dem Rahmen nachhaltig zu agieren, den ihre eigene Leistung ihnen ermöglicht – ist der bessere Weg. Es ist der Weg der Eigenverantwortung, der individuellen Leistung und der konsumistischen Selbstbestimmung.
Dann würde sich beweisen lassen, dass die Menschen sehr wohl zu mehr Bioprodukten und nachhaltigen Gütern greifen würden. Nachhaltigkeit würde verinnerlicht, gesellschaftlich gelebt. Neben den moralischen Appellen könnte so Nachhaltigkeit staatsbürgerliche Praxis werden und kein Privileg derer, die sich trotz und nicht wegen staatlicher Umverteilung ethisch einwandfreie Produkte leisten können.
Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn sie praxistauglich umgesetzt werden kann – auch individuell und monetär. Nicht Zuschüsse und Förderungen verändern eine Wirtschaft und eine Haltung, sondern die Menschen. Die sollte man einfach mal machen lassen. Das Bürgergeld ist organsiertes Nichtmachen. Es wird Zeit, die echte Debatten zu führen.“