Das sind 1,9 Millionen Euro pro Jahr", erklärte Baden-Württembergs Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) am Donnerstag in Stuttgart. Betroffen waren 5.601 Personen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden waren und dann Zahlungsprobleme hatten. Sie konnten der Vollstreckung einer gegen sie angeordneten Ersatzfreiheitsstrafe dadurch entgehen, dass sie unentgeltliche gemeinnützige Arbeit leisteten.
Seit Mitte 2007 zeichnet für die künftige landesweite Vermittlung gemeinnütziger Arbeit das Netzwerk Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg GbR verantwortlich. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss aus dem Badischen Landesverband für soziale Rechtspflege, dem Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e.V. und dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband - Landesverband Baden-Württemberg.
Spätestens ab dem 1. Januar 2008 werden über die örtlichen Mitgliedsvereine des Netzwerks alle Fälle von gemeinnütziger Arbeit zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe sowie zur Erfüllung von Arbeitsauflagen, die als Bewährungs- oder Gnadenauflage angeordnet wurden, vermittelt. Das Aufgabenfeld umfasst ein Erstgespräch mit dem Probanden, eine Tilgungsberatung, die Vermittlung der Arbeitsstelle und auch die Überwachung der Arbeitsleistung.
"Ich freue mich, dass wir für die flächendeckende Übertragung des Projekts "Schwitzen statt Sitzen" einen so kompetenten Partner gewinnen konnten", erklärte der Justizminister. Mit der Vermittlungstätigkeit übernehme das Netzwerk Straffälligenhilfe eine bedeutsame Aufgabe im Rahmen der gesamten Strafrechtspflege in Baden-Württemberg. Schätzungsweise werde sich das Netzwerk mit seinen örtlichen Mitgliedsvereinen landesweit mit über 12.000 Vermittlungsaufträgen pro Jahr befassen müssen, so Goll.
"Schwitzen statt Sitzen" sei seit Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil der Strafrechtspflege. Es würden nicht nur Haftkosten gespart, sondern auch unnötige Gefängniserfahrungen vermieden. "Viele zu einer Geldstrafe Verurteilte sind ja gerade keine Täter, die unbedingt ein Gefängnis von innen kennen lernen müssen. Jeder Gang in die Zelle, der verhindert werden kann, liegt auch im Interesse der Allgemeinheit", bemerkte der Minister.
Die Neuorganisation von "Schwitzen statt Sitzen sei nach der flächendeckenden Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf die Neustart gGmbH notwendig geworden, da spätestens mit Beginn des Jahres 2008 die Arbeitskraft bei der Gerichtshilfe, die bislang zum großen Teil für die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit verantwortlich gewesen sei, wegfalle, erläuterte Goll. "Die Gerichtshilfe soll sich künftig ausschließlich um die ihr gesetzlich zugeschriebenen Aufgaben der Täter- und Opferberichterstattung in Straf- und Ermittlungsverfahren kümmern.
Hierzu zählt die Tätigkeit der Vermittlung an gemeinnützige Arbeitsstellen gerade nicht. Diese Lücke konnten wir schließen. Dabei war von Anfang an beabsichtigt, einen freien Träger zu gewinnen, der vom Land nicht vollfinanziert, sondern nur bezuschusst wird", sagte Goll. Im Haushaltsplan 2007/2008 seien 900.000 Euro für das Jahr 2007 und 1 Million Euro für das Jahr 2008 eingestellt worden.
Der neue Träger Netzwerk Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg GbR habe für seine Tätigkeit im Jahr 2007 bereits eine Zuwendung in Höhe von 550.000 Euro als Zuschuss bewilligt bekommen. Die restlichen 350.000 Euro aus dem im Landeshaushalt für 2007 eingestellten Gesamtbetrag seien zuvor nochmals an die auch schon in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet tätig gewordenen freien Träger ausgekehrt worden.
"Durch die jetzt gefundenen arbeitsteiligen Strukturen zwischen Gerichts- und Bewährungshilfe auf der einen sowie den freien Trägern der Straffälligenhilfe auf der anderen Seite wird das von uns von Anfang an ins Auge gefasste "Zwei-Säulen-Modell´ Realität", betonte Goll.
Neben einem staatlich vollfinanzierten freien Träger für die Bewährungs- und Gerichtshilfe bleibe in Baden-Württemberg die traditionell sehr ausgeprägte freie Straffälligenhilfe ein starker Partner der Justiz zur Bewältigung der Aufgaben in der Strafrechtspflege. Die Verantwortlichen könnten sich so in beiden Säulen intensiv und fachlich fundiert um die ihnen zugewiesenen Arbeiten kümmern, ohne dass es hierbei ineffiziente Überschneidungen oder Doppelarbeit gäbe.
"Die Vereine der freien Straffälligenhilfe waren gerade zu prädestiniert dafür, in die entstandene Lücke zu stoßen. Sie haben sich bereits in der Vergangenheit als verlässlicher, starker und auf fachlich hohem Niveau arbeitender Partner der Justiz erwiesen und können ihr eigenständiges Profil beim Projekt 'Schwitzen statt Sitzen' nun noch weiter ausbauen", erklärte der Minister.
Was steckt hinter Schwitzen statt Sitzen:
Wer aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, seine Geldstrafe zu bezahlen, muss mit Ersatzfreiheitsstrafe rechnen. Gründe für die Verurteilung können z.B. ein Ladendiebstahl oder hartnäckiges Schwarzfahren gewesen sein. Durch Ableistung gemeinnütziger Arbeit können Verurteilte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, also einen Gefängnisaufenthalt abwenden.
Ein Tagessatz der Geldstrafe entspricht dabei vier Stunden freier Arbeit. Die Verpflichtung, gemeinnützige Arbeit abzuleisten, kann aber auch als Auflage insbesondere im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung oder bei einer Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen Geldauflage geschuldet sein.
In der Vergangenheit erfolgte in Baden-Württemberg die Vermittlung entsprechender Personen an gemeinnützige Arbeitsstellen in erheblichem Umfang durch die ehemals organisatorisch zu den Staatsanwaltschaften des Landes gehörende Gerichtshilfe. Daneben waren in einigen Gerichtsbezirken seit Jahren auch freie Träger in diesem Bereich tätig, z.B. der Bewährungshilfeverein Stuttgart e.V..