Denn zukünftig gibt es eine verbindliche Lohnuntergrenze, unter der nichts mehr geht. Die KAB hat auch immer wieder gefordert, endlich die rentenrechtliche Anerkennung der Erziehungszeiten vor 1992 in Angriff zu nehmen und die Mütter nicht leer ausgehen zu lassen. Ein Punkt mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung hilft den Müttern (und Vätern). Auch die Stärkung der Tarifautonomie durch die angekündigte Novellierung des Instruments der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) ist ein gutes Programm. Zukünftig soll es ausreichen, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt und das wird bekanntlich politisch festgestellt. So weit so gut.
Bei der Bekämpfung der atypischen Beschäftigungen sind wir keinen Schritt weiter. Das ist ärgerlich, denn dies wäre an der Zeit gewesen. Mitbestimmungsrechte werden den Betriebsräten bei Werkverträgen weiterhin nicht zugestanden. Auch beim Einsatz der Leiharbeit gibt es leichte Fortschritte, aber keinen grundlegenden Durchbruch. Da fast die Hälfte der Leiharbeiter/-innen unter drei Monaten in einem Beschäftigungsverhältnis steht, greifen die Fristen für viele nicht. Den von der KAB geforderten "Prekaritätszuschlag" haben die Koalitionäre erst gar nicht diskutiert. Der Koalitionsvertrag zeigt aber immerhin, dass diese "Problemzone" erkannt ist und das Leitbild "gute Arbeit" zum politischen Paradigma werden soll, eine Forderung, die wir ebenfalls als KAB schon lange erheben. Gleichwohl ist hier dringende Nachbesserung angesagt, wenn es den Koalitionären ernst ist mit der "guten Arbeit für alle".
Vermissen lässt das Papier eine große Offensive gegen die Arbeitslosigkeit. Schade. Der Teil des Vertrages, der sich mit Europa und seiner Zukunft beschäftigt, ist weitgehend getragen von Absichtserklärungen und wird den Krisen nicht gerecht. Schade. Mehr Gerechtigkeit durch eine gerechte Steuerpolitik zu schaffen, diese Forderung, mit der die SPD den Wahlkampf bestritten hat: Fehlanzeige. Nichts davon ist übrig geblieben. Das ist sträflich.
An große Koalitionen richten sich immer große Erwartungen, da sie über komfortable Mehrheitsverhältnisse im Parlament verfügen. Was umgesetzt wird, entscheidet aber die politische Realität. Ein Koalitionsvertrag ist ein Koalitionsvertrag. Es kommt darauf an, was daraus gemacht wird. Und dies entscheidet sich nicht zuletzt an den Ressortzuschnitten der Ministerien und der damit einhergehenden "Durchsetzungsmacht" - nicht nur in einer großen Koalition. Da wird es noch spannend, wenn nach der SPD-Mitgliederbefragung die Katze aus dem Sack gelassen wird. Entscheidend ist aber, welche Politik wir wollen. Gerechtigkeit einzufordern, bleibt vorrangig auf der Tagesordnung, um die soziale Spaltung unserer Gesellschaft zu bekämpfen.
Das wird uns keine große Koalition abnehmen!