„Dass niedergelassene Haus- und Fachärzte mittlerweile auf der Streichliste der großen Koalition stehen, ist offensichtlich“, erklärten dazu heute Frank Dastych und Dr. Günter Haas, die Vorstandsvorsitzenden der KV Hessen. „In ihrer Konzeptionslosigkeit bedienen sich die Politiker nun an den Honoraren der Niedergelassenen, um oft unrentable, qualitativ minderwertige und für die Versorgung nicht mehr gebrauchte Krankenhäuser finanziell am Leben zu erhalten. Denn die explodierenden Leistungen der Notfallversorgung können die Krankenhäuser ab 1. Januar 2016 zu 100 Prozent zu Lasten der Honorare der Niedergelassenen abrechnen. Das dubiose Notfallgeschäft, von dem man in Deutschland mittlerweile sprechen muss, beginnt zum großen Teil morgens mit der Öffnung der Notfallambulanzen und endet abends mit deren Schließung – und wird finanziell damit immer attraktiver. Schaut man sich diese Fälle an, bleibt aber häufig außer der Abrechnung weder ein Notfall noch eine qualifizierte Behandlung übrig. Das wird von Berlin jetzt auch noch mit massiven Honorartransfers aus der Ebene der haus- und fachärztlichen Grundversorgung belohnt. Gleichzeit sollen Krankenhäuser ein Vielfaches an Honorar für die gleichen Leistungen bekommen wie der niedergelassene Arzt. Nur wenige Abgeordnete, wie zum Beispiel die Abgeordnete Sabine Dittmar von der SPD, haben diesen Konstruktionsfehler erkannt und auch in der Debatte benannt.
Offensichtlich will oder kann die Politik die massive Überversorgung mit zum Teil einfach nur schlechten Krankenhäusern in Deutschland nicht angehen und hat nun das Honorar der niedergelassenen Haus- und Fachärzte als neue Finanzierungsquelle erschlossen. Allein in Hessen sind dadurch Kosten von rund 70 Millionen € pro Jahr zu erwarten, die zur Hälfte von Haus- und Fachärzten zu finanzieren sind. Honorareinbußen von bis zu 10% bei diesen Ärzten wären die Folge.
Zudem wird wieder die dringend notwendige Steuerung der Patienten in der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor verpasst. Die Schuld dafür liegt dabei nicht bei den Patienten, sondern die Politik lässt erneut die Chance verstreichen, dieses seit langem bekannte Problem durch eindeutige Regelungen zu lösen. Vieles legt aber auch den Verdacht nahe, dass die Politik diese Steuerung überhaupt nicht will, weil sie damit den flächendecken Abbau der ambulanten Versorgung zu erreichen gedenkt.
En passant beerdigt die große Koalition auch noch den über Jahre aus Kostengründen bewährten Grundsatz ambulant vor stationär. Denn dass Kostenerwägungen und der sorgsame Umgang mit Versichertengeldern keine Rolle mehr spielen, ist nun offensichtlich.“
Weil die Notfallambulanzen aufgrund fehlender Steuerung im Gesundheitswesen überlaufen, sollen nun so genannte Portalpraxen zur Notfallversorgung verpflichtend an Krankenhäusern installiert werden. Bezahlt werden soll auch diese Strukturmaßnahme ausschließlich aus dem Honorartopf der niedergelassenen Haus- und Fachärzte. Die KV Hessen geht davon aus, dass sich die Kosten für den Betrieb der Portalpraxen auf rund 25 Millionen € pro Jahr belaufen werden, zuzüglich der Kosten für die Besetzung der Praxen mit Ärztinnen und Ärzten.