Drei verschiedene Ansätze werden jetzt verfolgt. Anne Nissen ist mittwochs in der Kinderkardiologie – vormittags bei den Kindern, nachmittags bietet sie eine kostenlose Kunsttherapie für Eltern an. Und einmal im Monat gibt es das „Wochenend-Malen“ für die ganze Familie. „Das ist dann immer recht quirlig“, sagt Anne Nissen. Wenn Mama, Papa, Onkel, Tante und Geschwister zusammen mit dem erkrankten Kind bunte Kunstwerke auf die Leinwand bringen, dann findet ein reger Austausch statt, dann wird gelacht und gestaunt – eine willkommene Abwechslung im sonst oft so traurigen Klinik-Alltag. Dieses Familienangebot musste im vergangenen Jahr aber leider wegen der Corona-Pandemie unterbrochen werden. Die ebenfalls ausgesetzten Angebote am Mittwoch finden jedoch seit September wieder statt.
Wenn Anne Nissen mittwochs in die Klinik kommt, dann bespricht sie zuerst mit den Pflegekräften, welche Kinder an diesem Tag für eine Kunsttherapie in Frage kommen. Für einige besonders schwerkranke Kinder kann das Angebot zu anstrengend sein, andere haben wichtige Untersuchungen oder Behandlungen. „Manche Kinder entdecken beim Malen ihre Stärken, andere bewältigen ihre Ängste“, sagt Anne Nissen. Sie sollen ein Gefühl für sich bekommen und dürfen darum auch frei wählen, ob sie mit Buntstiften, mit Pinsel und Tusche oder gar mit einer Farbwalze arbeiten wollen. Die Malerei müsse zu dem Kind passen, sagt Anne Nissen. Auch könne es wählen, ob es mit einem kleinen oder großen Blatt anfangen möchte. „Bei kleineren Kindern ist das Mischen der Farben in der Palettenschüssel zu einer braunen Matschepampe oft spannender als das Ergebnis auf der Leinwand“, weiß Anne Nissen aus Erfahrung. Aber das sei völlig in Ordnung. In der Klinik sollten die Kinder frei von jeglichen Zwängen und Erwartungen sein.
„Fast jedes Bild beginnt mit dem ersten Strich“, sagt Anne Nissen. Es gehe dabei um das Ausprobieren. Manche Eltern würden sich ein schönes Bild von ihren Kindern wünschen. „Wenn das aber nicht entsteht, dann versuche ich den Eltern zu vermitteln, dass es auf die Experimentierfreudigkeit ankommt und nicht auf das Ergebnis“, sagt die Kunsttherapeutin. Kinder würden einfach loslegen, sobald sie ein Stück Papier und einen Pinsel in der Hand haben, sagt Anne Nissen. Sollten die Patienten aber schon etwas älter sein, sei es schwieriger. Bei einem 16jährigen Jungen habe sie meistens wenig Erfolg. Auch die Arbeit mit den Eltern sei immer wieder eine besondere Herausforderung. Sie sind jeden Mittwoch von 14 Uhr bis 15:30 Uhr dran. Der Therapeutin steht für Kinder und Eltern ein ehemaliges Arzt-Zimmer zur Verfügung. An den Wänden hängen die vielfältigen Kunstwerke der herzkranken Kinder – und auch einige ihrer Eltern. Für die Bereitstellung dieses Raumes hat Ira Thorsting gesorgt, die Vorsitzende des Vereins „Kleine Herzen“. Schon seit 2006 engagiert sich der Verein für herzkranke Kinder in der MHH und wurde bereits mehrfach – auch bundesweit – für seine Projekte ausgezeichnet.
Über das Malen mit den Eltern kann Anne Nissen so manch interessante Geschichte erzählen. Die meisten seien anfangs sehr zurückhaltend – viele würden sagen, dass sie gar nicht malen können. Die Kunsttherapeutin lässt das aber meistens nicht gelten. Sie sagt ihnen dann, dass jeder malen kann, der einen Stift in der Hand halten kann. Und so manches Mal hat sie damit das Eis gebrochen und auch bereits eindrucksvolle Erfolge gehabt. „Wenn sich jemand darauf einlässt, kann diese Person in eine ganz andere Welt abtauchen“, sagt Anne Nissen. Einmal sei eine Mutter durch sie zum Malen gekommen und habe darin ihre Erfüllung gefunden. Ihre kranke Tochter habe drei Jahre lang in der Klinik auf ein Spenderherz gewartet. Eine lange Zeit mit vielen Besuchen, in der die Mutter ihre Sorgen mit der Malerei ein wenig kompensieren konnte. „Es ist ein Ausgleich, den viele auch dringend nötig haben“, sagt Anne Nissen. Durch ihre jahrelange Arbeit habe sie immer wieder erfahren, unter welch großer seelischer Anspannung die Eltern stehen.
Einmal im Monat gibt es das „Wochenend-Malen mit der ganzen Familie“. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie musste dieses Angebot unterbrochen werden. Anne Nissen hofft, dass es irgendwann im Sommer weitergehen kann. Auch dieses Angebot wird von „Kleine Herzen“ finanziert. Es dient dazu, die mitunter langen Besuchszeiten gerade an den Wochenenden aufzulockern und den Angehörigen und Patienten einen etwas anderen Austausch zu geben. „Denn oft sitzen die Eltern und Geschwister stundenlang am Bett und wissen irgendwann nicht mehr, was sie noch reden sollen“, sagt Anne Nissen. Durch diesen kreativen Freiraum will sie den kranken Kindern und ihren Besuch die Möglichkeit geben, einmal den Klinikalltag mit Untersuchungen und Behandlungen zu vergessen und sich von Spannungen und Ängsten zu lösen. Einmal hätte eine Mutter zu ihr gesagt: „Ich wusste gar nicht, dass Malen so gut tut. Das müsste man wirklich öfter machen.“
Anne Nissen ist 54 Jahre alt, wurde in Flensburg geboren und hat in Stuttgart und Hannover Kunst studiert. Sie arbeitet in Hannover als Bildende Künstlerin und hat für ihre Werke bereits mehrere Preise gewonnen. Von 2010 bis 2013 absolvierte sie an der Kunsthochschule Berlin das Masterstudium zur Kunsttherapeutin. Neben der Kinderklinik der MHH bietet sie ihre Kurse auch im Psychiatrischen Krankenhaus Wunstorf sowie in der Heilpädagogisch-Therapeutischen Wohngruppe „Lichtblick“ in Hannover an. Von der Arbeit des Vereins „Kleine Herzen“ ist sie immer wieder beeindruckt. Anne Nissen: „Es berührt mich, mit wie viel Engagement, Ideenreichtum, Ausdauer, Überzeugung, Motivation, Hartnäckigkeit und Herzblut sich der Verein einsetzt und kleine und große Dinge für die herzkranken Kinder und deren Familien bewegt und realisiert.“
Weitere Informationen unter https://www.kleineherzen.de/...
Unsere MHH-Kunsttherapie im Video: https://www.youtube.com/...
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