- Kleine Herzen Hannover gründete 2012 das Projekt „SOMITH“ auf der Kinderherzstation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
- Interview mit Dr. Nilgün Kimil, Sozialbetreuerin auf der MHH-Kinderherzstation
„Kleine Herzen Hannover“ ist jetzt 15 Jahre alt – wie bewerten Sie die Arbeit des gemeinnützigen Vereins?
Der Verein hat in den letzten 15 Jahren sehr wichtige Projekte initiiert. Sie sind mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil der kinderkardiologischen Abteilung der MHH geworden. Der Verein wurde für viele dieser Maßnahmen und Projekte für Preise nominiert und auch mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet. Aufgrund der bisherigen tollen Arbeit von Ira und Jörns Thorsting und den weiteren Beteiligten ist der Verein bisher schnell gewachsen und ich erwarte für die Zukunft, dass er weiter wachsen sowie neue, innovative und nachhaltige Konzepte und Maßnahmen entwickeln wird.
Der Verein hat sehr viel für die Kinderklinik getan – zwei Millionen Euro wurden bereits an Spenden gesammelt. Was können die Angebote bewirken?
Ich kann nicht sagen, was das alles in der MHH bewirken könnte, sondern eher was es alles schon konkret bewirkt hat. Das kann ich deswegen so sagen, weil ich in den letzten Jahren eine der engsten Zeugen der vielfältigen positiven Effekte dieser Spenden gewesen bin. Aufgrund meiner Aufgaben als Sozialbetreuerin stehe ich immer in Kontakt zu den Eltern. In diesen Gesprächen ist so ziemlich alles Thema, was die Menschen berührt. Oft sprechen wir über ihre besonderen Umstände, Gefühle und die Familiensituation. Und bei diesen Gesprächen bekomme ich sehr genau mit, was die Spenden von „Kleine Herzen“ für konkrete Effekte für diese Menschen haben. Hervorheben möchte ich die Vorbildfunktion des Vereins. So haben die Krankenkassen im Rahmen des Projekts „SOMITH - Sozialbetreuung mit Herz“ mittlerweile anerkannt, dass Sozialbetreuung ein unverzichtbares Element für die Arbeit einer Klinik ist. Das hatte bundesweit einen Modellcharakter für die Arbeit von Kliniken in diesem Bereich. Ebenso denke ich, dass das „Dolmetscher-Projekt“ ein wichtiges Beispiel auch für andere Kliniken darstellt.
Wie wichtig ist eine solche Sozialbetreuung für die Familien?
Wenn Eltern ein krankes Kind haben, kreisen alle ihre Gedanken und Vorstellungen nur noch um die Gesundheit ihres Kindes. Sie können dann an nichts Anderes mehr denken und fühlen sich häufig stark belastet und gestresst. Die herzkranken Kinder werden im Krankenhaus von Ärzten und Pflegekräften bestmöglich behandelt und betreut. Bei den Eltern ist die Situation jedoch anders. Sie müssen mit ihren eigenen Problemen sowie mit vielen neuen bürokratischen Vorgängen fertig werden, die zeitnah organisiert und in die Wege geleitet werden müssen.
Sie engagieren sich seit vielen Jahren auch noch in Ihrer Freizeit ehrenamtlich für die Herzkinder. Warum?
Ich habe in den letzten neun Jahren in der MHH-Kinderherz-Klinik fast schon alles erlebt. Ich sehe die Herausforderungen für das Gesundheitspersonal, die langen Zeiträume, wo Kinder manchmal Wochen oder sogar Monate in einem winzigen Raum im Krankenhaus verbringen müssen sowie die Schwierigkeiten, mit denen sie und ihre Eltern in dieser Zeit konfrontiert sind. Auf der anderen Seite sehe ich auch die Bemühungen von „Kleine Herzen“, allen Beteiligten bestmöglich Hilfen zukommen zu lassen. Das wird mit großem Engagement gemacht und ohne müde zu werden. Dabei wird bis ins kleinste Detail über alles nachgedacht und dafür Sorge getragen, dass sich in der Klinik sowohl die Kinder als auch ihre Familien etwas mehr entspannen und ihren Stress ein wenig reduzieren können. Ich selbst bin ein kreativer Mensch. Solange ich mich erinnern kann, hatte ich verschiedene kreative Hobbys und es kommen immer neue und weitere hinzu. Es macht mir große Freude, produktiv zu sein. Dann verkaufe ich die hergestellten Arbeiten und liebe es, dass sie Interesse finden. Das Geld, das ich dafür erhalte, stelle ich dem Verein zur Verfügung, die diese Mittel dann an den richtigen Stellen und für die entsprechenden notwendigen Zwecke verwendet. Für mich ist das der beste Weg, meine Hobbys und Fähigkeiten in den Dienst einer guten und sinnvollen Sache zu stellen.
Sie haben jetzt in Corona-Zeiten zum ersten Mal eine „Online-Spendenaktion“ organisiert. Was verbirgt sich dahinter?
Seit Februar sind wir dabei, kleine gehäkelte Figuren, Osterhasen oder andere Schmusetiere herzustellen. Unterstützt werde ich dabei von meinen beiden Freundinnen Gudrun Beckmann und Sedef Salmo. Wir haben auch Taschen, Baby-Rasseln oder Schlüsselanhänger gebastelt – insgesamt fast 80 Artikel. Meine Freundin Nilüfer Bacaksiz sorgt dann dafür, dass diese Produkte bei Instagram, in WhatsApp oder auf Facebook angeboten werden. Wir konnten schon sehr viele Artikel verkaufen und haben bereits eine schöne Spendensumme erreicht.
Sie haben auch früher schon Spendenaktionen gemacht?
Ja – im Jahre 2013 sind für unsere gebastelten Figuren 500 Euro zusammengekommen – 2018 waren es sogar schon 1.800 Euro. Damals habe ich für einen Osterhasen etwa eine Woche gebraucht. Durch Corona habe ich jetzt mehr Zeit, weil viele Freizeitaktivitäten meiner Kinder ausfallen. Mittlerweile schaffe ich einen Hasen schon in zwei Tagen.
Bekommen die Kinder in der MHH-Kinderherz-Klinik auch Ihre Figuren?
Vor Weihnachten habe ich kleine gehäkelte Lebkuchenmännchen an unsere Kinder verteilt. Dank der lieben Gudrun Beckmann sind unsere Kinder auf der Station immer gut mit kleinen Figuren versorgt. Die Materialkosten für Wolle und Garn tragen wir selber.
Zurück zum Verein „Kleine Herzen Hannover“: Sie kennen Ira Thorsting seit vielen Jahren – und auch ihr inzwischen verstorbener Ehemann Jörns war Ihnen gut bekannt. Wie bewerten Sie das Engagement dieses Ehepaares?
Ich glaube, dass das mehr ist als ein Engagement. Das war und ist ihr Leben. Was die beiden in den letzten 15 Jahren geschafft haben, hat viele Facetten. Wenn Sie beispielsweise in die Kinderklinik kommen und durch die Herzstationen gehen, dann sehen Sie mittlerweile helle, bunte, freundliche und wunderschön gestaltete Korridore und Räume. Für das medizinische Personal sind vielseitige Unterstützungsangebote geschaffen worden, die ihre schwere Arbeit erleichtern. Für die Eltern wurden soziale und psychologische Unterstützungsangebote aufgebaut, sie können mittlerweile auch bei ihren Kindern in der Klinik bleiben, in einem Ruhezimmer mit einer praktischen Pantry sich etwas ausruhen und abschalten, sie können malen und sich damit etwas entspannen und ablenken. Für die Kinder wurden die weißen Krankenhauswände spannender. Sie teilen ihre Zimmer mittlerweile mit Affen, Blumen oder einem Dschungel. Lichtspiele an der Decke erinnern sie an ihre Kinderzimmer und helfen Ängste abzubauen. Das Spielzimmer, das mit zahlreichen Büchern und Spielzeugen eingerichtet wurde, hilft den Kindern, etwas Abstand zu ihren täglichen Sorgen und Routinen zu bekommen. Zusätzliche Angebote zur Entspannung mit Hilfen von therapeutischen Klängen oder Mal-Angeboten, mit Mama und Papa im gleichen Zimmer schlafen zu können und natürlich ab und zu tolle Geschenke zu bekommen, runden diese Maßnahmen ab.
„Kleine Herzen Hannover“ arbeitet unermüdlich weiter für die Belange der „Herzkinder in der MHH“. Was wünschen Sie dem Verein für die Zukunft?
Ich wünsche allen Beteiligten und dem gesamten Team erstmal viel Gesundheit und viel Kraft in dieser schwierigen Zeit. Ich hoffe, dass wir auch in der Zukunft viele neue und innovative Projekte zusammen entwickeln und durchführen können. Und für den Verein wünsche ich mir, dass wir auch in Zukunft viele freiwillige und ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen können.
Anmerkung: Das Interview mit Dr. Nilgün Kimil führte Johann Ahrends für „Kleine Herzen Hannover“.