Vereinsvorsitzende Ira Thorsting wurde in der Kinderklinik auf die Musiktherapeutin aufmerksam und sprach sie an, ob sie nicht auch für die herzkranken Kinder und für die Geschwister Musik machen könne. Sie konnte! Schon seit 14 Jahren ist Dorothea Weiss an der MHH beschäftigt – als freiberufliche Mitarbeiterin – finanziert ausschließlich von verschiedenen Elternvereinen. Das Krankenhaus selbst ist an der Finanzierung nicht beteiligt. „Als ich hier anfing war ich eine Pionierin“, sagt Dorothea Weiss. Sie lebt seit 30 Jahren in Hannover und hat an der Musikhochschule in Detmold studiert. Zunächst war sie dann viele Jahre als Musiklehrerin in verschiedenen Musikschulen tätig und brachte den Kindern das Querflöten- und Klavierspielen bei. „Als dann meine Kinder aus dem Haus waren, habe ich mich gefragt, was ich verändern könnte“, erzählt die vierfache Mutter und besann sich auf einen ganz frühen Wunsch, als Musiktherapeutin zu arbeiten. Berufsbegleitend machte sie eine entsprechende Ausbildung und erfüllte sich damit einen lang gehegten Traum. „Ich habe das nie bereut. Ich gehe jeden Tag mit großer Freude zur Arbeit, weil ich immer neue Menschen treffe, neue Situationen erlebe und Kindern und deren Eltern helfen kann. Es ist eine wunderbare Arbeit.“
Die Kinder nennen sie „Doro“ und freuen sich, wenn sie mit ihren Klangschalen oder Instrumenten an ihr Bett kommt. „Die meisten Kinder sind so schwer krank, dass sie nicht aufstehen können“, erklärt sie. Manche seien mit der Zeit sprachlos geworden, hätten den Kontakt zu ihrer Umwelt abgebrochen. „Einmal hatte ich ein Kind, das schon lange nicht mehr richtig gesprochen hatte. Die Eltern waren verzweifelt und wussten sich keinen Rat mehr“, erzählt die Therapeutin. An einem Tag aber sagte das Kind plötzlich: „Doro, wir können uns ja über Töne unterhalten.“ Der Mutter seien die Tränen gekommen – und auch für sie sei das ein ganz besonderes Erlebnis gewesen. „Es ist ja so, dass die Kinder über lange Zeiten den belastenden Geräuschen von Überwachungsgeräten und Infusionspumpen ausgeliefert sind“, sagt Dorothea Weiss. Darum sei es für viele eine Wohltat, sich einmal mit schönen Klängen berauschen zu lassen. Sie würden dann auf andere Gedanken kommen und sich entspannen. „Viele Kinder lieben es, sich auf von Musik begleitete Fantasiereisen zu begeben“, sagt Weiss.
Die möchte den Kindern in der Arbeit mit Musik Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Gefühle, inneren Bilder oder Ahnungen geben: „Einmal sagte ein Junge zu mir, dass er gar nicht mehr daran gedacht hat, dass ihm ja ständig übel ist.“ Ihre Erfahrung zeige, dass Musik gerade schwerkranken Kindern gut tun würde, insbesondere auch dann, wenn sie selber nicht so aktiv sein könnten.
Mehr als 200 Kinder liegen in der Kinderklinik der MHH – Dorothea Weiss betreut etwa acht bis zehn Kinder pro Tag. „Mit denen bin ich dann aber auch fast eine Stunde beschäftigt“, sagt sie. Der Tag würde für die Kinder dadurch auch eine Struktur bekommen, welche für die Zeit im Krankenhaus sehr wichtig sei. „Die wissen, am Dienstag kommt Doro und freuen sich darauf.“ Auch für Geschwisterkinder will sie da sein. Darauf legt besonders der Verein „Kleine Herzen Hannover“ viel Wert. Doch seit Sommer letzten Jahres war das bisher wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. Aber geplant ist es für die Zukunft. Auch mit ihren Geschwistern könnten die kranken Kinder über die Musik wieder mehr Kontakt bekommen.
Dorothea Weiss ist 61 Jahre alt und ist inzwischen auch dreifache Großmutter. Mit ihren Kindern hat sie immer Musik gemacht – und auch mit den Enkeln würde sie es gerne tun, „wenn die nicht so weit weg wohnen würden.“ Aber sie kann es verschmerzen, denn jeden Tag erfüllt sie ihre Arbeit mit großer Sinnhaftigkeit. Wenn sie für die Kinder Klangschalen anschlägt oder mit ihnen singt, dann kann sie den Erfolg der Therapie sogar an den Geräten am Bett ablesen. Die Sauerstoffsättigung im Blut steigt, die Herzfrequenz geht runter – die Kinder entspannen sich. Einige schlafen auch ein – verlieren dann ihre Anspannung, die sie den ganzen langen Tag über spüren. „Ich sorge dafür, dass sie im grauen Klinikalltag mal abschalten können und sich für einige Zeit ein wenig wohler fühlen“, sagte Dorothea Weiss. Und das sei das größte Glück, das sie mit ihrer Arbeit erreichen könne.