Allein ein Beispiel mache deutlich, dass die Schere zwischen Kosten und Finanzmitteln immer weiter aufgehe, auch wenn das Land Hessen seine Finanzmittel für Krankenhäuser erhöht hat von jährlich 300 auf 380 Millionen Euro für 2023: „Der Landesbasisfallwert, der der Basispreis für die einzelnen DRG-Leistungen ist, der in jedem Bundesland zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt wird, steigt in 2023 um 4,32 Prozent. Die Inflation aber liegt bei 10 Prozent, die Energiekosten steigen, ebenso die Preise der Verbrauchsmaterialen und wir erwarten eine Tarifsteigerung um bis zu zehn Prozent“, erläutert Maurer.
Hessische Prognose: Defizite verdoppeln sich in 2023
Eine anonymisierte Umfrage des Klinikverbunds Hessen – in dem alle kommunalen hessischen Krankenhäuser vertreten sind – habe unter den teilgenommenen Häusern aufgezeigt, dass die Krankenhäuser bei einem Umsatz von 2.271,6 Millionen Euro in 2022 ein Defizit von 71,8 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Und dass sich dieses Defizit in 2023 mehr als verdoppeln und prognostiziert auf 153, 2 Millionen Euro ansteigen wird. „Die Zahlen sind dramatisch. Selbst Krankenhäuser, die in den letzten Jahrzehnten eine exzellente Patientenversorgung auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage anbieten konnten, würden bei unveränderter Gesetzeslage im nächsten Jahr zwangsläufig defizitär“, so Maurer weiter.
Der Aufsichtsrat der Klinikum Darmstadt GmbH hat in seiner letzten Sitzung den Wirtschaftsplan 2023 verabschiedet. „Konnte das Klinikum Darmstadt das laufende Jahr 2022 noch leicht negativ abschließen, so wird dies aufgrund der Rahmenbedingungen in 2023 nicht gelingen können“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender und Klinikdezernent André Schellenberg. „Der von uns für 2023 verabschiedete Wirtschaftsplan rechnet mit einem Minus von 16,88 Millionen Euro. Die GmbH ist trotzdem stabil aufgestellt. Auch dank der Unterstützung der Wissenschaftsstadt Darmstadt in Höhe von 15 Millionen Euro, die wir unserem kommunalen Krankenhaus als Liquiditätsmittel zur Verfügung stellen.“
Kommune muss in die Bresche springen
„Dass die Kommune allerdings in die Bresche springen muss, um diese wichtige Daseinsfürsorge am Leben zu halten, ist ein Unding. Das muss man auch klar so benennen mit Blick auf die Kostenträger. Die jetzige Krankenhauspolitik von Bund, Land und Krankenkassen lässt die Häuser im Stich und kann die notwendigen Finanzmittel derzeit nicht abbilden. Und es sind mal wieder die Kommunen, die da einspringen müssen, dabei ringen diese ja auf allen Ebenen mit steigenden Beträgen, Zuweisungen, Anforderungen und genehmigungsfähigen Haushalten“, so Schellenberg, der auch Stadtkämmerer ist, weiter.
Dabei weiß der Aufsichtsrat mit Blick auf andere Krankenhäuser das Klinikum Darmstadt gut aufgestellt: Einige haben bei einem Drittel des Umsatzes des Klinikums schon in 2022 einen Verlust von 14 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Umsatz der Klinikum Darmstadt GmbH wird in 2023 bei 279 Millionen Euro liegen. „Das Klinikum Darmstadt hat in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und das Portfolio kontinuierlich ausgebaut. So sind wir in der glücklichen Lage, ein modernes Haus mit moderner Medizintechnik und weit gehender Digitalisierung in kommunaler Hand zu haben,“ betont Schellenberg.
Weg der Spezialisierung ist zukunftsfähig
Für Geschäftsführer Clemens Maurer steht fest: Der Weg der zunehmenden Spezialisierung und Konzentration der Versorgungsangebote nach Leistungsstufen – wie ihn die Regierungskommission mit ihrem Reformpapier vorgibt – kommt dem Klinikum Darmstadt zugute. „Diesen Weg gehen wir schon einige Jahre. Wir haben unser medizinisches Portfolio immer weiter spezialisiert. Heute sind wir das Krankenhaus in Südhessen, das als Onkologisches Zentrum für die Krebsbehandlung zertifiziert ist – mit mehreren von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Zentren. Wir sind der einzige Maximalversorger, der 24/7 an 365 Tagen im Jahr für die Menschen in Südhessen da ist und das einzige Krankenhaus in der Region mit der höchsten, der umfassenden Notfallversorgungsstufe. Und wir sind für unsere Mitarbeitenden die verlässliche Arbeitgeberin mit maximalen Karriere- und Arbeitsmöglichkeiten.“
Sein Fazit lautet: „Wir haben gezeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten, unser Haus wirtschaftlich führen können. Das würde uns auch in 2023 gelingen, wenn die duale Krankenhausfinanzierung auskömmlich wäre. Das operative Geschäft ist auch im nächsten Jahr leicht positiv.“
Bisherige Finanzmittel reichen nicht aus
Weiter führt der Geschäftsführer aus: „Wir sind dem Land Hessen dankbar, dass es die Investivmittel für die Krankenhäuser angehoben hat. Aber leider reichen auch diese Mittel nicht aus. Auch weil wir mit unserem realisierten Zentralen Neubau einen hohen Eigenfinanzierungsanteil haben und bedienen müssen. Die Vorkehrungen als Krankenhaus der kritischen Infrastruktur, die weitere Digitalisierung und die für die Klimarettung notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen sind da noch gar nicht beziffert und schlagen auch mit Millionenbeträgen zu Buche. Da reichen auch nicht die kurzfristig von der Bundesregierung zugesicherten 8 Milliarden Euro, die sie Krankenhäusern angesichts der hohen Inflation und der stark gestiegenen Energiekosten zur Verfügung stellen will. Da wir langfristige Verträge mit unserem regionalen Energieversorger haben, erhalten wir zum Beispiel aus diesem Topf überhaupt keine Mittel.“
Hoffnung mache die angekündigte Revolution von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. In dem Entwurf der Regierungskommission sei vieles aufgegriffen, was die bundesweit agierende Allianz der kommunalen Krankenhäuser – zu der das Klinikum Darmstadt gehört – bereits ausgearbeitet hatte. „Die Leistungen zu konzentrieren und Vorhalteleistungen zu bezahlen, das geht in die absolut richtige Richtung. Wir haben zu wenige Fachkräfte und müssen diese besser verteilen. Zumal wir aus allen medizinischen Qualitätsberichten wissen, dass Qualität vor Nähe geht. Daher sind wir so stolz auf unsere Zentren auch abseits der Onkologie, sei es die Stroke Unit, das Perinatalzentrum und viele weitere mehr, sie alle können den Menschen eine qualitativ hochwertige Versorgung bieten.“
Notwendige Konzentration: Qualität geht vor Nähe
Das Land Hessen habe in der Corona-Pandemie mit dem Planungsstab und den sechs koordinierenden Häusern in den hessischen Regionen ein gut funktionierendes Modell aufgestellt, das auch beim anstehenden Transformationsprozess tragfähig sein könnte, so Maurer. „Dieses Gremium könnte auch jetzt die richtungsweisenden Schritte einleiten und für die dafür notwendigen Absprachen zwischen den Häusern und den verschiedenen Versorgungsstufen führen. Denn wir brauchen eine gute und kluge Verschränkung von stationären und ambulanten Angeboten in der Gesundheitsversorgung, eine bedarfsgerechte Verlagerung und Konzentration nach qualitativen Kriterien. Im Zeitalter hochspezialisierter Medizin gewinnt die Strukturqualität richtigerweise gegenüber der Nähe an Bedeutung. In einer so bereinigten Struktur kann die Krankenhausversorgung bedarfsgerecht auskömmlich finanziert werden und wir mindern den Fachkräftemangel durch sinnvolle Bündelung.“
„Der Aufsichtsrat der Klinikum Darmstadt GmbH ist sich sicher, dass das kommunale Krankenhaus der Maximalversorgung mit der Weiterentwicklung des medizinischen Portfolios eine tragfähige und zukunftsorientierte Antwort für das Gesundheitsunternehmen, seine Patientinnen und Patienten und auch für seine Mitarbeitenden gibt, um den hohen Anspruch – Gemeinsam fürs Leben – auch weiterhin einlösen zu können. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt steht als Trägerin bereit, das Haus in allen Belangen zu unterstützen“, sagt André Schellenberg abschließend.