Mit dem Zentralen Neubau des Klinikums Darmstadt ist auch vieles umgesetzt worden, was auf den ersten Blick verborgen bleibt: Das Klinikum Darmstadt hat sich in den letzten Jahren auf den Weg zur Nachhaltigkeit gemacht. Es bezieht seit Jahren Ökostrom, klimaneutrales Erdgas und Fernwärme mit hohem Anteil aus erneuerbaren Energien. Insgesamt lag der Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix des Klinikums in den letzten Jahren bereits bei etwa 70 Prozent. Ziel ist die weitere Energieeinsparung, der Ausbau der Eigenerzeugung erneuerbarer Energien und der Start der umfassenden Datenerhebung bereits in 2024 zur Vorbereitung auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2025 nach den CSRD-Richtlinien.
Neubau der Energiezentrale
Mit der Zusammenlegung der zwei Klinikstandorte wurde eine Erweiterung der zentralen Versorgungsanlagen auf dem Campus Innenstadt zwingend notwendig. Die Planung des Zentralen Neubaus begann 2013; die letzten Gebäudeteile wurden 2020 in Betrieb genommen. Auf Basis des aus der Ausführungsplanung des Neubaus ermittelten Bedarfs wurde 2016 mit der Planung der Energieversorgung begonnen – zunächst in Verantwortung des damaligen technischen Gebäudemanagements. Seit 2021 wird das Projekt von der Abteilung Bau und dem Team von Stefan Lösch gesteuert.
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Anlagen errichtet und sukzessive in den laufenden Betrieb übernommen: 2019 wurde das Klinikum Darmstadt an die Fernwärme angebunden und seither mit einem Anteil von 87 Prozent erneuerbarer Energien mit Wärme versorgt. Zur allgemeinen Stromversorgung wurden zwei Trafostationen (Mittel- und Niederspannung) errichtet sowie zwei neue Gebäudehauptverteilungen für Allgemeinstrom und Sicherheitsstromversorgung in der Energiezentrale selbst.
Die Sicherheitsstromversorgung des Klinikums wurde um zwei neue Netzersatzanlagen mit einer Leistung von jeweils 2,35 MVA (Mega Volt Ampere) erweitert. Damit wird sichergestellt, dass bei einem Stromausfall die für die Versorgung und die Sicherheit aller Patientinnen und Patienten notwendigen Anlagen mit Diesel-Generatoren versorgt werden können.
Zur zentralen Kälteversorgung wurden sieben Kältemaschinen mit vier Eisspeichern und einer Gesamtleistung von 5,2 MW (1 Megawatt = 1.000 Kilowatt = 1.000.000 Watt) auf dem Dach eines Gebäudes an der Bleichstraße installiert.
Alle neuen Anlagen wurden in die Gebäudeautomation des Klinikums integriert – zur Steuerung und damit Störungen jederzeit bemerkt und behoben werden können.
„Bis Ende dieses Jahres werden zwei neue Blockheizkraftwerke mit jeweils 500 KW Wärme- und jeweils 435 KW elektrischer Leistung in Betrieb genommen werden. Diese decken künftig die Grundlast von Wärme und Strom ab. Darüber hinaus wird weiterhin Fernwärme genutzt. Sollte beides nicht ausreichen, kann über einen Erdgaskessel nachgeheizt werden“, teilt Stefan Lösch mit. Mit der technischen Fertigstellung der Energiezentrale 2023 sind die Erweiterung der Energieversorgungsanlagen abgeschlossen und sämtliche Übergangsmaßnahmen wie etwa die im Außenbereich aufgestellten Interimskühlanlagen an der Bleichstraße und vor der alten Frauenklinik abgelöst.
„Aus wirtschaftlichen Gründen, die der aktuellen bundesweiten Lage und der nicht ausreichenden Krankenhausfinanzierung geschuldet sind, muss die bauliche Fertigstellung der Gebäudehülle zurückgestellt werden – diese ist für den Betrieb nicht notwendig“, so der Sprecher der Geschäftsführung Clemens Maurer.
Hoher Energieverbrauch
Im Jahr 2022 hat das Klinikum Darmstadt am Campus Innenstadt etwa 38 Gigawattstunden (d.h. 38 Millionen Kilowattstunden) Energie verbraucht; davon 17 GWh Strom, 12 GWh Fernwärme, 7 GWh Erdgas zur Heizung sowie 2 GWh Erdgas für Prozesswärme und Dampferzeugung zur Sterilisation. Hinzu kommen die im Vergleich geringfügigen Verbräuche der Tochterstandorte Marienhospital, St. Rochus und der Emilia Seniorenresidenz.
Zum Vergleich: Eine Person verbraucht in Deutschland durchschnittlich 1.300 kWh Strom im Jahr. Das heißt: Allein der Stromverbrauch des Klinikums entspricht dem einer Kleinstadt mit 13.000 Einwohner*innen.
Mit den neuen Blockheizkraftwerken beginnt das Klinikum wieder mit der Eigenerzeugung nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Der nächste Schritt soll die Nutzung erneuerbarer Energien sein, wofür das Haus öffentliche Förderung und die Unterstützung seiner Träger benötigen wird.
Einführung eines Energiemanagements
Zu Beginn des Jahres 2023 wurde ein umfassendes Energiecontrolling aufgebaut und ein jährliches Berichtswesen etabliert. Zur kontinuierlichen Verbesserung des Energieverbrauchs wird das Klinikum auch ein eigenes Energiemanagement einführen. Hierfür wurden im Rahmen der Kommunalrichtlinie Fördermittel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beantragt.
Im Juni wurde bereits ein qualifizierter Energiebeauftragter eingestellt, der sich fortan ausschließlich um die Belange der Energie kümmert. In der komplexen Struktur des Klinikums wurden ein Messkonzept ausgearbeitet und erste Werte aus verschiedenen Quellen wie vorhandenen Messstellen, manuellen Ablesungen, Abrechnungen, EVU-Lastgängen, Datenloggern, Gebäudeautomation etc. zusammengestellt und so ein immer schärferes Bild der Gesamtverteilung entwickelt. Die nächsten Ziele sind die Vervollständigung der Zählerstruktur auf den relevanten Ebenen, die kontinuierliche Verfolgung der Messwerte und die systemische Integration. Auch eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001 wird angestrebt, so Stefan Lösch weiter.
Analyse Energieberatung so gut wie fertig
Zur Energieeinsparung, zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen und zum sommerlichen Hitzeschutz an einzelnen Stellen wurde bereits eine umfassende Analyse und Beratung durch ein renommiertes Energieberatungsunternehmen aus dem Industrieumfeld beauftragt. Diese Analyse konzentriert sich hauptsächlich auf die Verbrauchsseite, da die sogenannte Erzeugerseite mit der gerade erst fertiggestellten Energiezentrale auf neuestem Stand ist. Auch diese ist weitgehend abgeschlossen. Bis Ende des Jahres werden daraus konkrete Maßnahmenvorschläge abgeleitet mit Bewertung des Einsparpotenzials, der voraussichtlichen Investitionskosten und der Fördermöglichkeiten.