Der heute 47jährige Patient wurde dem Klinikum Darmstadt über das Lagezentrum der Bundesregierung am 12. Mai 2022 im Rahmen des sogenannten Kleeblatt-Mechanismus zugewiesen. Ein weiterer Patient befindet sich seit 13. Juni in stationärer Behandlung im Klinikum, die derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Für diesen Patienten ist eine Weiterbehandlung in einer Reha-Einrichtung notwendig.
„Es ist selbstverständlich, dass wir als Maximalversorger Schwerstverletzte aufnehmen und bestmöglich versorgen, das ist unser Auftrag und dem kommen wir gerne nach. Unverständlich ist allerdings die Bürokratie und das wochenlange Nichtentscheiden von Zuständigkeiten von Seiten des Landes, das uns Krankenhäuser in einer sowieso schon angespannten Lage im Stich lässt“, führt Prof. Dr. Nawid Khaladj aus.
Das Land Hessen hat sich bis zum 29.7.2022 Zeit gelassen, festzulegen, wer für die Behandlungskosten in den Krankenhäusern und für die Kosten der Anschlussbehandlungen zuständig ist. Das Land hätte auch entscheiden können, dass es für diese Kosten aufkommen wird. Doch es entschied, dass das zuständige Regierungspräsidium durch Zuweisung der Patienten in einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt auf Basis der Landesverordnungen die verantwortliche Gebietskörperschaft festlegt, in der alle Antragstellungen vorgenommen werden müssen. Damit verbunden ist auch die Klärung der Finanzierung der Behandlungskosten und Unterbringung im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt.
„Diese Entscheidung kommt Wochen zu spät“, kritisiert Prof. Dr. Nawid Khaladj. „Wertvolle Zeit für einen Menschen und für die Mitarbeitenden im Haus, die im Unklaren gelassen werden, wo der Patient bei welcher Ausländerbehörde angemeldet werden muss, wer für die Kosten der Krankenhausbehandlung und der Hilfsmittel aufkommt und wer sich um den Patienten nach seiner Entlassung kümmert.“ Solange diese bürokratischen Schritte nicht erledigt werden können, darauf weist er weiter hin, solange kann ein Patient auch nicht entlassen oder zur Weiterbehandlung verlegt werden. Gerade Schwerstverletzte müssen zur Sicherung des Behandlungserfolges ambulant weiterversorgt werden, viele Hilfsmittel wie z.B. Prothesen können erst nach der stationären Behandlung angepasst werden.
„Die Folgen des Verfahrens in Hessen für Patient*innen, die als Kriegsverletzte nach Deutschland kommen und nach dem Kleeblattsystem dem Klinikum Darmstadt zugewiesen werden, sind auch für die Wissenschaftsstadt Darmstadt von erheblicher Bedeutung“, ergänzt Bürgermeisterin Barbara Akdeniz. Denn, entgegen der Aussagen des Landes im Erlass vom 30.06.2022 und den Hinweisen vom 29.07.2022 besteht nicht für alle Kriegsverletzten die Möglichkeit Leistungen der Krankenkasse nach dem SGB V in Anspruch zu nehmen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Personenkreis oftmals um Menschen, die aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht erwerbsfähig sind oder keine Sozialleistungen beanspruchen und damit nicht die Voraussetzungen zur Aufnahme in eine Krankenkasse erfüllen. Um die Behandlungskosten und alle Folgekosten zu finanzieren, müssen die Kriegsverletzen Leistungen nach dem SGB XII beim Sozialamt beantragen, die vollumfänglich durch die Wissenschaftsstadt Darmstadt zu tragen sind. Eine Erstattung der Kosten durch das Land ist nicht vorgesehen. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien das Land Hessen in Kooperation mit dem Regierungspräsidium Darmstadt die Zuweisungen der Kriegsverletzten in Hessen auf die 26 Gebietskörperschaften vornimmt, obwohl es große Unterschiede in Bezug auf die bereits aufgenommenen Geflüchteten gibt und die Wissenschaftsstadt Darmstadt im letzten Quartal ihr Aufnahmesoll schon mit mehr als 200 Personen übererfüllt hat“, erläutert Akdeniz weiter.
Dieses Verfahren in Hessen, wonach aktuell die Zuweisung der Kriegsverletzten in die Kommune des Krankenhausstandortes erfolgt belastet einmal mehr den kommunalen Haushalt. „Humanitäre Hilfstransporte von Kriegsverletzten sind wichtig und werden ausdrücklich begrüßt, allerdings ist die Kostentragung der Behandlung, Unterbringung und Nachversorgung innerhalb des Landes Hessen gleichmäßig zu verteilen und nicht den Kommunen des Krankenhausstandortes allein aufzubürden“, kritisiert die Bürgermeisterin