Die Wissenschaftsstadt Darmstadt hat 2022 einen kommunalen Klimaschutzplan erlassen und strebt die Treibhausgasneutralität sämtlicher Objekte und Unternehmen im Einflussbereich des Magistrats bis zum Jahr 2035 an. Die im Zuge der Klimaschutzplanung definierten Maßnahmen betreffen die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger; zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung in Tochtergesellschaften und Eigenbetrieben sind separat zu entwickeln und im Rahmen eines festgelegten Klimavorbehalts abzustimmen. Die Stadt Darmstadt hat hierfür ein eigenes Amt für Klimaschutz und Klimaanpassung eingesetzt.
Die Klinikum Darmstadt GmbH ist der kommunale Maximalversorger in Südhessen. Zur GmbH, die die größte kommunale Arbeitgeberin in der Wissenschaftsstadt Darmstadt ist, gehören 3.350 Mitarbeitende. Am innerstädtischen Standort stehen 1.000 Betten in komfortablen Stationen bereit. Der Gebäudebestand ist in großen Teilen weniger als 15 Jahre alt. Zuletzt wurde 2020 ein zentraler Neubau zur Zusammenlegung mit dem ehemaligen Klinikstandort Eberstadt in Betrieb genommen. Im Zuge der Neubebauung wurde die zentrale Energieversorgung des Standorts neu aufgesetzt; erzeugerseitig sind die Anlagen nachhaltig ausgelegt und auf neuestem Stand.
Um diesen Weg entschlossen weiterzukommen, plant die Klinikum Darmstadt als gemeinnützige GmbH in städtischer Trägerschaft in den kommenden Jahren seinen Energiebedarf signifikant zu senken und will überdies 2030 ein Transitionskonzept erstellen.
Auf Basis einer umfassenden Energieberatung zur Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Nutzung erneuerbarer Energien soll ein kommunales Modellprojekt aufgesetzt werden, um ein Krankenhaus der Maximalversorgung in die Treibhausgasneutralität zu führen. Bei der Untersuchung wurden Maßnahmen definiert, bewertet und Einzelförderungsmöglichkeiten geprüft. Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann das Klinikum Darmstadt im Rahmen der dualen Krankenhausfinanzierung aus eigenen Mitteln nicht umsetzen und ist auf Förderung angewiesen.
Das Klinikum Darmstadt ist schon seit längerem sehr aktiv in Energie- und Nachhaltigkeitsfragen unterwegs. „Das Thema Nachhaltigkeit ist als Stabsstelle direkt der Geschäftsführung unterstellt. Darin sieht man auch die Bedeutung, die das Thema bei uns hat“, erklärt Clemens Maurer, Sprecher der Geschäftsführung. Das Krankenhaus bezieht seit mehr als zehn Jahren erneuerbare Energien bei Strom und Fernwärme. Diese Langfristigkeit hat sich ausgezahlt: Das Haus konnte seine Energiekosten sogar im Krisenjahr 2023 senken. Am Standort „Innenstadt“ hat das Klinikum 2023 etwa 15 GWh Strom, 6,8 GWh Fernwärme und 14,8 GWh Erdgas zugekauft; ca. 2,5 GWh Strom und 3,2 GWh Wärme wurden in Blockheizkraftwerken selbst erzeugt. Die zugeführte Energiemenge konnte im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 % auf 36,7 GWh gesenkt werden. Bereits im Vorjahr 2022 konnte der Energiebedarf des Hauses um 7,4 % reduziert werden.
Modellhaftigkeit
Das Klinikum Darmstadt eignet sich wegen seiner mittleren Größe, der maximalen medizinischen Versorgungsstufe sowie aufgrund seiner geografischen und innerstädtischen Lage im Klima-Hotspot Südhessen als Modell für andere Krankenhäuser im Handlungsfeld Energie- und Ressourceneffizienz.
Ein Krankenhaus ist mit seinem hohen Energiebedarf im Vergleich zu anderen kommunalen oder öffentlichen Gebäuden oder Betrieben besonders relevant und schwierig auf eine THG-Neutralität umzustellen. Für Krankenhäuser bedeutet die Transformation der Energieversorgung im laufenden Betrieb, oft auch in gewachsenen Versorgungsstrukturen und immer unter Erhaltung der Versorgungssicherheit und redundanter Versorgungswege zum Schutz von Leib und Leben der Patientinnen und Patienten sowie zur Erfüllung des öffentlichen Versorgungsauftrags ein komplexes Unterfangen und so dürfte das Darmstädter Modell zu einem Beispiel für andere Häuser mit der gleichen Umstellungsproblematik werden, diesem Vorbild zu folgen.
Darüber hinaus ist die Sanierung die häufigste Ausgangsbedingung für die Transition von Krankenhäusern. Die im Rahmen des Modellprojekts in Darmstadt gesammelten Erfahrungen werden daher typisch für viele andere Kliniken und hoch replizierbar sein. Auf Seiten des Klinikums treiben das Modell Andrey Hepting, B.Sc. Energiewirtschaft sowie Carsten Cuny, Dr.-Ing. Architektur an. Beratend unterstützt wird das Projekt durch das Amt für Klimaschutz und Klimaanpassung der Wissenschaftsstadt Darmstadt.
Geplante Maßnahmen
Zur Förderung beantragt wurden folgende Bau-/Maßnahmen:
- Photovoltaikanlagen auf den Dächern (insgesamt 1.350 kWp), deren Ertrag aufgrund des hohen Lastgangs des Klinikums vollständig selbst genutzt werden kann
- Wärmerückgewinnung aus Druckluft- und Kälteerzeugungsanlagen
- Sanierung der Gebäudehülle von drei besonders bedürftigen Bestandsgebäuden
- Vervollständigung der LED-Beleuchtung in Versorgungstunneln
- Einbau von Wärmepumpen
- Erstellung des Transitionskonzept nach Umsetzung der Maßnahmen
- Filtertausch gegen hocheffiziente Filter in Lüftungsanlagen
- Anpassungen in Anlagensteuerungen
- Anpassung der BHKW-Regelstrategie
Am Ende des Projektes sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen der Energieberatung umgesetzt sein, um die bestmögliche Voraussetzung für die nachfolgende Transition zur Treibhausgasneutralität 2035 zu schaffen. Hauptziele sind dabei die Steigerung der Energieeffizienz, Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowie die Reduzierung der Energiekosten. Durch die Einführung eines Energiemanagements soll der Energieverbrauch aktiv gesteuert und kontinuierlich reduziert werden.
Das ehrgeizige Projekt sieht weiter vor, die maximale Energieeinsparung bereits bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Durch die Umsetzung der beschriebenen Vorhaben sollen die von außen zugeführte Energiemenge durch Eigenproduktion (PV-Anlagen) und Einsparungen um 19,1 % und die Emission von Treibhausgasen um 1.700 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Abschließend soll im Rahmen des Modellprojekts ein Transitionskonzept zur Erreichung der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2035 erstellt und damit ein realisierbarer Weg zur klimaschonenden medizinischen Bevölkerungsversorgung modellhaft aufgezeigt werden.