„Wir befinden uns fast wieder im Normalbetrieb“, betont der Direktor der Klinik für Gefäßmedizin, Gefäß- und Endovascularchirurgie, Privatdozent Dr. med. Farzin Adili. „Die Angst vor einer Corona-Infektion im Krankenhaus ist weitgehend unbegründet“. Alle Patienten und Besucher werden vor der Aufnahme und vor dem Betreten der Kliniken gescreent, Corona-Risikopatienten werden abgestrichen und solange isoliert, bis ein Testergebnis vorliegt. Ist der Corona-Test positiv, dann werden diese Patienten strikt isoliert und während des Krankenhausaufenthaltes alle Hygienemaßnahmen getroffen, um eine Ausbreitung der Infektion zu unterbinden. „Wir tun alles dafür, dass unsere Patienten und Mitarbeitenden bestmöglich geschützt werden.“
In Deutschland erleiden jedes Jahr bis zu 30.000 Menschen einen Schlaganfall, der von Ablagerungen (Plaque) in der Gefäßwand einer verengten Halsschlagader ausgehen – einer sogenannten Carotisstenose. „Das entspricht 15 Prozent aller durch eine Durchblutungsstörung bedingter Schlaganfälle“, erklärt Adili. Die Verengung fällt häufig lange Zeit nicht auf, weil sie zunächst keine Beschwerden verursacht und die Halsschlagader der Gegenseite eine etwaige Minderdurchblutung ausgleichen kann. Problematisch wird es jedoch, wenn sich an der Oberfläche der Ablagerungen Blutgerinnsel bilden, die sich von Zeit zu Zeit ablösen können und immer wieder Blutgefäße im Gehirn verstopfen. Es kommt dann, je nach Größe der Gerinnsel sowie der Hirnregion, in die sie abgeschwemmt wurden, zu vorübergehenden oder dauerhaften Durchblutungsstörungen des Gehirns und neurologischen Ausfallserscheinungen, einem Schlaganfall.
„Zeigt ein Betroffener etwa vorübergehende Lähmungserscheinungen oder Kribbeln an Händen, Armen oder Beinen einer Körperhälfte, oder spürt er ein seitenbetontes Schwächegefühl und knickt beispielsweise mit dem Bein ein, ist Dringlichkeit geboten“, erklärt Dr. Adili weiter. Das gilt ebenfalls für Sprach- oder einseitige Sehstörungen.
Ultraschalluntersuchung macht Ablagerungen sichtbar
Auch stark zerklüftete Ablagerungen oder ein hoher Anteil an Fetten oder Blutgerinnseln in der Plaque sind gefährlich. Eine Ultraschall-Untersuchung ist sehr gut geeignet, die Ablagerungen sichtbar zu machen. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin empfiehlt ein jährliches Ultraschall-Screening der Halsschlagader ab dem 65. Lebensjahr, wenn Risikofaktoren vorliegen. Zu diesen Risiken zählen Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, die periphere arterielle Verschlusskrankheit, Nikotinkonsum oder Bluthochdruck. „Herzpatienten etwa können ihren Kardiologen bitten, auch die Halsschlagader zu untersuchen“, rät Klinikdirektor Adili. Mit einer schmerzlosen und wenig belastenden Duplex-Sonographie lässt sich innerhalb weniger Minuten feststellen, ob eine Verengung der Halsschlagader vorliegt und falls ja, wie ausgeprägt sie ist.
Ab 50-prozentiger Verengung kommt ein Eingriff in Frage
Die neue Experten-Leitlinie zur Carotisstenose aus dem Februar dieses Jahres empfiehlt, dass bei einem Menschen mit Symptomen einer Durchblutungsstörung des Gehirns und gleichseitiger Halsschlagaderverengung von mehr als 50 Prozent, eine Operation der Halsschlagader durchgeführt werden sollte, um einem drohenden Schlaganfall vorzubeugen. Für die Operation an der Halsschlagader gilt: Sie gehört zu den wissenschaftlich bestuntersuchten Eingriffen und ist sicher, sofern der Gefäßchirurg über entsprechende Expertise verfügt, erläutert PD Dr. Farzin Adili, der auch in 2020 wieder zu den Top-Ärzten der Focus-Ärzteliste zählt und dessen Klinik auch für 2021 als Top-Klinik Deutschlands für Gefäßchirurgie ausgezeichnet ist. „Die Komplikationsrate des Chirurgen darf bei Vorliegen einer symptomatischen Verengung maximal vier Prozent betragen“, so Adili. „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, die Ergebnisse der Carotisoperationen zu melden. Sie werden in jährlichen Qualitätsberichten angegeben. Patienten können sich bei ihrem Gefäßchirurgen danach erkundigen.“
Mit Blick auf den Eingriff sollte daher, so Adili weiter, für bestimmte Patienten die Operation dem Einsatz eines Stents vorgezogen werden. Bei dem Stent handelt es sich um eine kleine Gefäßstütze aus Draht, die an die mit einem Ballonkatheter aufgeweitete Engstelle platziert wird. „Das Risiko, während einer solchen Stentimplantation einen Schlaganfall zu erleiden, ist etwas größer als bei der Operation“, erklärt Adili. Zudem verbleibe mit dem Stent ein Fremdkörper in der Schlagader und die Ablagerung wird lediglich in die Wand gedrückt, statt entfernt zu werden.
Im Klinikum Darmstadt arbeiten Gefäßchirurgen, Neurologen und Radiologen eng zusammen. Patienten mit neurologischen Symptomen werden bereits bei Aufnahme von einem Neurologen untersucht und im Bedarfsfall auf eine spezialisierte Station, der „Stroke Unit“ aufgenommen. Es findet ein unmittelbarer Austausch mit den Spezialisten aus Radiologie und Gefäßchirurgie über das weitere Management und die beste Therapie statt. Ungeachtet dessen treffen sich alle auf Gehirn und Gefäße spezialisierten Fachabteilung des Klinikums bei einer wöchentlichen „Neurovaskulären Konferenz“, wo alle Patienten mit Carotisstenose, die sich im Klinikum vorstellen, ausführlich besprochen werden.
Die Operation kann Schlaganfälle verhindern
Für die Operation einer Carotisstenose stehen dem Gefäßchirurgen grundsätzlich zwei Techniken zur Verfügung: Entweder der Operateur klemmt die Arterie vor und hinter der Engstelle ab, schneidet den abgeklemmten Abschnitt längs auf, schält die Plaque mit einem Spatel heraus und verschließt anschließend das Gefäß mit einem Flicken aus Polyester, Teflon oder Rinder-Herzbeutel. Oder, es wird eine sog. „Eversions-Endarteriektomie“ durchgeführt: Dabei wird nach dem Abklemmen die hirnversorgende Arterie quer durchtrennt und die Ablagerungen über die Öffnung entfernt. Anschließend wird das Gefäß wieder angenäht. „Wenn für die Naht ein Faden verwendet wird, der sich nach einiger Zeit von selbst auflöst, bleibt nach der Operation keinerlei Fremdmaterial im Patienten zurück, ein absolut biologisches Rekonstruktionsverfahren“, erläutert Dr. Adili.
Wachoperation oder Vollnarkose
„Beide chirurgischen Operationsverfahren können unter Vollnarkose oder Regionalanästhesie durchgeführt werden“, erklärt Adili. Ist der Patient nur regional betäubt, bleibt er während der Operation ansprechbar. „Das hat den Vorteil, dass wir sofort merken, wenn sich eine Durchblutungsstörung bzw. neurologische Komplikation einstellt.“
Nach einer Halsschlagaderoperation muss der Patient keine zusätzlichen Medikamente einnehmen, die er nicht ohnehin schon aufgrund bestehender Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung oder Herzrhythmusstörungen einnehmen muss. Regelmäßig sollte er sich in jedem Fall die Halsschlagadern kontrollieren lassen. Wie? „Natürlich mit Ultraschall!“, sagt Dr. Adili.