Mediziner sprechen von einer Frühgeburt bei Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche. Laut einer im Mai dieses Jahres veröffentlichten Studie von EFCNI kommen in Deutschland jedes Jahr rund 60.000 Babys zu früh auf die Welt. Die Zahl der Frühgeborenen liegt in Deutschland bei rund 9 % und damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt (ca. 7 %).
Die in München ansässige europäische Stiftung für Frühgeborene und Neugeborene mit Erkrankungen (EFCNI - European Foundation for the Care of Newborn Infants) fordert daher anlässlich des 2. Internationalen Tag des Frühgeborenen die Aufklärung der Öffentlichkeit für diese Thematik zu verstärken und Forschungsmittel zur Verfügung zu stellen, um dem eklatanten Mangel bei der Sicherung der Bedürfnisse in der Schwangerschaft, der Versorgung nach der Geburt und nach der Entlassung aus dem Krankenhaus entgegenzuwirken.
"In Deutschland benötigen wir zudem dringend eine verbesserte psychosoziale Unterstützung der Eltern im Krankenhaus sowie ein strukturiertes und flächendeckendes Nachsorge-programm", fordert Silke Mader, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende und Gründungs-mitglied der EFCNI.
EFCNI hat vor zwei Jahren den 17. November als Internationalen Tag des Frühgeborenen ins Leben gerufen, um auf die Probleme und Bedürfnisse der größten Kinderpatientengruppe aufmerksam zu machen. Diesem Tag haben sich auch Organisationen aus den USA (March of Dimes), Australien (National Premmie Foundation) sowie Afrika (Little Big Souls) angeschlossen. So wird der Internationale Tag des Frühgeborenen nicht nur innerhalb der Länder Europas sondern auch weltweit mit verschiedenen Aktionen begleitet. Größen aus Politik, Showgeschäft und Wirtschaft zeigen sich als engagierte Fürsprecher, um auf das Schicksal der Frühgeborenen und ihrer Familien aufmerksam zu machen.
EU-Interessensgruppe gegründet
Die bayerische Europaabgeordnete und Vorsitzende der Frauen-Union, Dr. Angelika Niebler, wurde vor zwei Jahren auf die Nöte der Familien von Frühgeborenen aufmerksam. Als Schirmherrin unterstützt sie seitdem die EFCNI bei ihrer politischen Arbeit in Brüssel und hat vor kurzem zusammen mit ihrem Kollegen, dem Kinderarzt Dr. Peter Liese, eine Interessensgruppe in Brüssel zu diesem Thema gegründet.
Durch diese Initiative soll die Thematik der Frühgeburtlichkeit auf politischer Ebene in Europa aber auch in den einzelnen Ländern selbst mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten.
Große Perinatalzentren als Partner von kleineren Krankenhäusern
Am Klinikum der Universität München (LMU) versteht man sich vor allem als Partner von kleineren Krankenhäusern bei der Betreuung von Risikoschwangeren und Frühgeborenen. Bei drohender extremer Frühgeburt wird eine Verlegung der Mütter an das Zentrum vorgeburtlich angestrebt, das Kind dort in der kritischen Phase seiner Erkrankung behandelt und nach Stabilisierung an ein Krankenhaus in Wohnortnähe zurückverlegt. Wichtig ist hierbei, dass auch die interdisziplinäre und langfristige Nachsorge gewährleistet ist.
"Erst durch den ständigen und langfristigen Umgang mit vielen solchen Kindern, die zu früh zur Welt kommen und vielleicht gerade einmal ein Geburtsgewicht von 500 Gramm haben, können die Ärzte und Pflegekräfte die notwendige Erfahrung gewinnen, die eine bestmögliche Versorgung voraussetzt. Insofern bestimmt die Größe der Abteilung die Qualität der Versorgung mit", betont Professor Andreas Schulze, Leiter der Neonatologie am Campus Großhadern. "Dabei besteht die Besonderheit, dass medizinische Maßnahmen am gefährdeten Lebensbeginn bei Frühgeborenen potenziell lebenslange Auswirkungen haben."
Die medizinische Behandlung dieser sehr kleinen Frühgeborenen in der kritischen Anfangsphase ist äußerst komplex für Geburtshelfer, Kinderärzte und das Pflegepersonal geworden. Jeglicher Transport in der Anfangszeit kann zu schwerwiegenden und lebenslangen Behinderungen führen. Daher schreibt der gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen und Ärztevertretung (GBA) ab 1. Januar 2011 vor, dass solche hochgefährdeten Kinder nur in Einrichtungen mit bestimmter Struktur und größerer Erfahrung betreut werden dürfen (Perinatalzentren Level 1). Dazu gehört die Versorgung von mindestens 30 Frühgeborenen unter 1250 g pro Jahr als Voraussetzung für die Qualitätssicherung der Betreuung.
"Aktuell ist zu befürchten, dass durch Bildung so genannter Verbundzentren aus mehreren kleineren und räumlich getrennten Versorgungsstandorten die Forderungen des GBA und der Elternverbände zwar auf dem Papier erfüllt werden, tatsächlich aber die Intention des GBA, eine Bündelung von Erfahrung zu sichern, unterlaufen wird", sagt Prof. Schulze. "Eine solche Entwicklung würde den unbefriedigenden Status quo in Deutschland erhalten. Sie wäre dem Ziel der Qualitätsverbesserung abträglich. Viele kleine Standorte müssten außerdem eine zunehmend komplexere Medizintechnik und viel Personal vorhalten, eine für die öffentliche Hand sehr teure und ineffektive Struktur."
Das Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, umfasst neben der Neonatologie mit der erst vor wenigen Wochen neu eröffneten Intensivstation die Bereiche Pränatalmedizin, Schwangerenambulanz, Präpartalstation, Geburtshilfe und Wochenbettstation. Erfahrene und qualifizierte Hebammen sorgen gemeinsam mit Pflegekräften und den Ärzten für ein individuelles und sicheres Umfeld vor, während und nach der Geburt.
Über EFCNI
European Foundation for the Care of Newborn Infants (EFCNI) ist die erste europaweite Organisation zur Vertretung der Interessen von Frühgeborenen und deren Familien. Sie vereint Eltern und medizinische Fachleute, die gemeinsam die gesundheitlichen Bedingungen von Neu- und Frühgeborenen verbessern wollen, indem sie sich für Präventions-, Behandlungs- und Unterstützungsmaßnahmen einsetzen. EFCNI erhält finanzielle Mittel von seinen Partnern Abbott und Nestlé Nutrition sowie anderen privaten Unternehmen und Einzelpersonen.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: http://www.efcni.org/