In Deutschland wird fast jede zweite Ehe geschieden, meist gehen der endgültigen Trennung schon längere Streitphasen voraus. Und auch in Beziehungen, die nicht in einer Scheidung enden, gibt es Konflikte. Leben in kriselnden Partnerschaften auch Kinder und Jugendliche, sind sie selbst zwar meist nicht Zentrum des Streits, trotzdem müssen sie Stress, verbale und manchmal auch körperliche Gewalt ihrer Eltern miterleben und aushalten. "Wir wissen heute sehr genau, dass Kinder, die unter Dauerstreit ihrer Eltern aufwachsen, verletzlicher sind als andere. Sie reagieren mit Schlafstörungen, Lernschwierigkeiten, depressiven Verstimmungen, entwickeln keine sichere Bindung. Außerdem haben sie als Erwachsene häufiger selbst Schwierigkeiten in der Beziehung", sagt Privatdozent Dr. Karl-Heinz Brisch, Leiter der Bindungskonferenz und Leiter der Pädiatrischen Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital. Die Botschaft ist trotzdem nicht, dass streitende Eltern ihre Kinder prinzipiell krank machen. Wer (gelegentlich) aneinander gerät, die Situation nicht eskalieren lässt und sich auch wieder versöhnt, zeigt den Kindern, dass Konflikte in Beziehungen normal und lösbar sind. Anders sieht es aus, wenn Dauerstreit herrscht, die Situation verbal entgleist oder sogar körperliche Gewalt im Spiel ist. "Schon Babys bekommen Streit mit, sie fangen unter der Spannung dann an zu brüllen", erklärt Brisch. "Ältere Kinder und Jugendliche verarbeiten den Stress der Eltern nicht mehr so direkt." Auf jeden Fall brauchen sie aber Hilfe in Form einer Traumatherapie, wenn sie etwa Zeuge von Gewalt zwischen den Eltern waren oder selbst zum direkten Opfer wurden. Streitenden Eltern rät Brisch ebenfalls, sich dringend Hilfe zu holen: "Paare müssen lernen, die Paarebene und die Elternebene zu trennen. Man kann lernen, als Paar zu scheitern, aber trotzdem weiterhin gute Eltern zu sein."
Die Internationale Bindungskonferenz "Bindungen - Paare, Sexualität und Kinder" ist eine Veranstaltung der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU-Klinikums. Sie findet am 13. und 14. November 2010 im Auditorium Maximum der Ludwig-Maximilians-Universität (Geschwister-Scholl-Platz) in München statt. Am 12. November gibt es einen Vorkonferenz-Workshop mit der renommierten Trauma-Psychotherapeutin Michaela Huber zum Thema "Destruktive Täter-Opfer-Bindungen: Ursachen, Dynamik, Therapie". Die Konferenz richtet sich an Kinderärzte, Kinderpsychiater, Kinder- und Jugendlichen-Psycho-therapeuten, Kinderpsychologen sowie an alle Therapeuten, die sich mit Familienproblemen beschäftigen. Darüber hinaus sind auch Psychiater, Neurologen, Psychotherapeuten, Heilpädagogen, Erzieherinnen, Ergotherapeuten, Krankengymnasten, Sonderpädagogen, Sozialarbeiter, Seelsorger, Juristen, Politiker und Eltern angesprochen. Bei der Hauptkonferenz sind 1.000 Teilnehmer angemeldet, an der Vorkonferenz 500. Beide Veranstaltungen sind komplett ausgebucht.