Jedes Jahr erhalten allein in Deutschland rund 70.000 Frauen die Diagnose Brustkrebs und die Tendenz ist weiterhin steigend. In den europäischen Nachbarländern herrscht eine ähnliche Situation. Zwar haben sich die Chancen auf Heilung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert, die Therapiewege könnten aber insbesondere im Bereich der Brustkrebs-Operationen noch schonender gestaltet und somit die Lebensqualität der Patientinnen weiter erhöht werden - davon sind heute zahlreiche Brust-Chirurgen im In- und Ausland überzeugt. Um jedoch sanftere Wege in der Therapie anbieten zu können, muss deren Wirksamkeit durch medizinische Studien bewiesen werden. Diese sind aufwändig und teuer. Zudem muss jede Studie auf hohen Fallzahlen gründen, um überhaupt eine Aussagekraft zu haben. Forschungsansätze, die für ein Weniger an Therapie plädieren, stoßen deshalb im wörtlichen Sinn schnell an Grenzen.
Internationale Studien konkurrierten untereinander
„Neben dem großen Problem, überhaupt Studien zur schonenden Operation von Brustkrebs zu ermöglichen, habe ich in den letzten Jahren immer mehr bedauert, dass die wenigen internationalen Studien in Konkurrenz zueinander standen und ihre Fragestellungen nicht miteinander abgestimmt haben“, sagt Professor Dr. med. Thorsten Kühn vom Klinikum Esslingen, der Initiator und Präsident von EUBREAST. Es sei unbefriedigend, seit Jahren zu beobachten, dass in verschiedenen Ländern Europas an ähnlichen Themen parallel geforscht werde ohne sich absprechen zu können und ohne zuverlässig die erforderlichen Fallzahlen zu erreichen. Dass in Europa künftig grenzübergreifend Studien durchgeführt werden können, ist EUBREAST-Initiator Kühn deshalb ein wichtiges Anliegen.
„Klinische Forschung ist leider sehr zäh“ (Prof. Dr. med. Thorsten Kühn)
Seit über 20 Jahren forscht Prof. Dr. med. Thorsten Kühn bereits neben seiner Arbeit als Chefarzt der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Esslingen daran, wie die Behandlung von Brustkrebs effektiver, aber auch schonender durchgeführt werden kann. „Vor 30 Jahren haben alle Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, eine totale Brustamputation und eine radikale Lymphknotenentfernung aus der Achselhöhle erhalten, die oftmals eine dauerhafte Einschränkung der Armfunktion nach sich zog,“ so Kühn, „In den letzten Jahren konnte jedoch durch systematische klinische Forschung gezeigt werden, dass eine brusterhaltende Therapie keine Nachteile gegenüber der Brustamputation aufweist“.
Auch werden den Patientinnen heute meist nur noch ein bis zwei Lymphknoten aus der Achselhöhle entfernt. An der Erarbeitung dieses Verfahrens und seiner Umsetzung in Deutschland war Kühn durch zahlreiche international publizierte Studien führend beteiligt.
„Klinische Forschung ist leider sehr zäh“ fasst Prof. Dr. med. Thorsten Kühn seine langjährige Erfahrung zusammen. Im Gegensatz zur Neueinführung von Medikamenten gibt es wenig wirtschaftliches Interesse an eingeschränkten Operationen. Daher erweist es sich als sehr schwer, die notwendigen Fördergelder für die entsprechende Forschung zu erhalten. Auch EUBREAST benötigt nun für die geplanten Studien, von denen zwei bereits in Startposition sind, Budgets in Millionenhöhe. Diese sollen durch unabhängige nationale Förderinstitutionen der Mitgliedsländer wie z.B. die Deutsche Krebshilfe sowie durch EU-Gelder bereitgestellt werden. Da die Beantragung solcher Mittel jedoch ein langer und schwieriger Weg ist, bedarf es darüber hinaus auch Spenden von Unternehmen und Privaten, um die Fördergelder-Beschaffung zu unterstützen.
Europäische Zusammenarbeit für direkten Patientennutzen
Anlässlich des europäischen Brustkrebskongresses in Wien 2017 lud Professor Kühn die führenden Leiter der großen europäischen Brustkrebsstudien ein, über gemeinsame Wege der Forschung in der Zukunft zu diskutieren. Diese Idee erhielt sehr viel Zustimmung und führte schließlich am 10. September 2018 zur Gründung von EUBREAST (European Breast Cancer Research Association of Surgical Trialists).
„Wir haben ein Jahr sehr hart an der Satzung und den Strukturen gearbeitet, um diese Non-Profit-Organisation ins Leben zu rufen, die rein auf Spenden basiert und bei der keinerlei Interessen außer dem Wohl der Patientinnen im Raum stehen,“ sagt Kühn, „Wenngleich wir uns damit nicht im aktuellen Zeitgeist bewegen, so sind wir als Ärzte sehr davon überzeugt, dass das europäische Miteinander hoch kompetenter Wissenschaftler von großem Vorteil für unsere Patientinnen ist und wir wissenschaftlichen Fortschritt sehr viel schneller in die klinische Praxis übertragen können“.
„Ich bin froh und dankbar, dass Esslingen die Wiege dieses wichtigen Forschungs-Projektes darstellt, das nicht nur der Wissenschaft sondern auch dem europäischen Miteinander dienen soll.“ (Prof. Dr. med. Thorsten Kühn)