In seiner 1945 vollendeten Sinfonie in drei Sätzen hatte Strawinsky neoklassizistische Spielerei und erst recht alle romantischen Einflüsse hinter sich gelassen. Zwar deutete er an, das Werk würde Spuren einer »schwierigen Zeit ..., ihrer Verzweiflung und Hoffnung, ihrer unausgesetzten Peinigung, ihrer Spannung und schließlich Entspannung und Erleichterung« tragen, doch wies er gleichzeitig jegliche Programmatik der Sinfonie von sich und wollte nicht »verraten, wie und in welcher Form die Dinge dieser Welt in die Musik Eingang finden«.
Richard Strauss hingegen trug das Herz auf der Zunge (oder besser: in den Partituren) und scheute auch vor der klingenden Mitteilung von häuslicher Privatheit nicht zurück. Für den Naturfreund und begeisterten Bergsteiger war es wohl geradezu verpflichtend, sich eines Tages musikthematisch auf die bayrische Heimat zu beziehen. Da er das allerdings sehr bald nach der Uraufführung seines »Rosenkavaliers« 1911 tat, der ihn über Nacht den Ruf eines Modernisten gekostet hatte, schob ihn das »reine Nachbilden sicht- und hörbarer äußerer Sinneseindrücke« (Hartmut Becker) seiner »Alpensinfonie« (1915) endgültig in die Ecke der Konservativen.
Zwei Kompositionen, die doch eines gemeinsam haben: zwei Sinfonien, die auf andere Gattungen verweisen. Die eine erinnert mit ihrer rhythmischen Vielfalt an die früheren Ballette ihres Schöpfers, allen voran das skandalös wilde »Le Sacre du Printemps«. Die andere gleicht eher einer Tondichtung: »Einmal Gipfel und zurück«, könnte man diese musikalische Bergwanderung beschreiben - damit freilich auch als ein Sinnbild menschlichen Lebens.
Über die Gipfel führt der US-amerikanische Dirigent Lawrence Foster, der derzeit das Amt des künstlerischen Leiters und des Chefdirigenten beim portugiesischen Orquestra Gulbenkian inne hat. Er gilt als »ein ungemein präzise agierender Dirigent, der gestenreich bis hin zur Pantomime seinem Orchester die Feinheiten und die Grobschlächtigkeiten der Partitur vorzeichnet.« (Frankfurter Rundschau). Im Konzerthaus Berlin bot er zuletzt 2009 während der Young Euro Classic mit dem Schleswig-Holstein-Festival-Orchester »höchste Orchestervirtuosität«, die das Publikum toben ließ, »als gelte es, das altehrwürdige Konzerthaus zum einstürzen zu bringen.«, so Isabel Herzfeld. Nun kehrt Lawrence Foster als erfahrener »Bergführer« an das Pult im Großen Saal zurück.
Konzerthausorchester Berlin
Lawrence Foster
Igor Strawinsky Sinfonie in drei Sätzen
Richard Strauss »Eine Alpensinfonie« op. 64