In seinem 1919 verfassten »Brief an den Vater« versucht Franz Kafka, seinen Vaterkonflikt zu bewältigen. Der Brief endet mit der Hoffnung, dass sich beide ein wenig beruhigen und somit das Leben und Sterben leichter werden. Allerdings wurde der Brief nie abgeschickt. Kafka selbst bezeichnete ihn als "Advokatenbrief", als inszenierte Darstellung, die deutlich von den nachprüfbaren Tatsachen abweicht.
Auf diesen Brief formulieren nun fünf junge Berliner Komponisten, die dem Verein Klangnetz angehören, ihren eigenen Zugriff auf die Problematik. Sie nähern sich dem Brief aus verschiedenen künstlerischen und persönlichen Richtungen und beziehen unterschiedliche Medien mit ein. Ohne die anderen Werke und deren Besetzung zu kennen, beziehen sie sich auf einen Abschnitt des Briefes und vertonen ihn zu einem 15-minütigen Miniatur-Musiktheaterwerk. Dieses "kompositionsdramaturgische Experiment" ist auf einen vielseitigen und vielschichtigen Blick auf den Brief angelegt, bei gleichzeitiger Umkreisung des zentralen Themas: des Machtkampfs zwischen Vater und Sohn.
Gerahmt und assoziativ verbunden werden diese Miniaturen durch szenische Intermezzi. Die Figur des Schauspielers versucht, mit dem unsichtbaren Vater zu kommunizieren und findet sich hin- und hergerissen zwischen dem schuldgetriebenen, komplexbeladenen Sohn und dem souveränen Schriftsteller, der diesen Vater selbst erfunden hat und durch dessen Gestaltung die Oberhand zu gewinnen sucht.
Kompositionen von SEBASTIAN ELIKOWSKI-WINKLER, LAURA MELLO, SARAH NEMTSOV, TOM ROJO
POLLER, ARNE SANDERS
LOTTE GRESCHIK Regie
MAURICIO VELOSO Dramaturgie
NICOLAS WIESE und STEFAN ROSINSKI Szenographie und Live-Video
SUSANNE FRÖHLICH Blockflöte
PETTERI PITTKO Cembalo
MATTHIAS ENGLER Schlagzeug
SETH JOSEl E-Gitarre
CLAUDIA VAN HASSELT Mezzosopran
JAKOB SPINDLER Schauspieler
Klangnetz
Der gemeinnützige Verein verfolgt das Ziel, junge Komponisten in ihrem Schaffen nachhaltig zu unterstützen. In ihm haben sich über 25 Musikschaffende aus Deutschland, Island, Israel, Spanien, Schweden, Großbritannien, der Schweiz, den Niederlanden, Serbien, Usbekistan, Japan, China, den USA, Brasilien und Argentinien zusammengeschlossen, die alle ehrenamtlich und ohne Hierarchien arbeiten. Ziel sind einerseits Projekte, bei denen Neue Musik mit anderen Kunstformen wie Tanz, Literatur, Video-Kunst, Theater oder Medienkunst eng verknüpft wird; andererseits gilt das Interesse des Vereins dem Kulturaustausch mit Komponisten und Musikern aus anderen Ländern, insbesondere den Ländern Osteuropas.
www.klangnetz.org