- SA 10.04. - SO 18.04.10 | Konzerthaus Berlin, alle Säle
- MO 12.04.10, 20.00 Uhr | DI 13.04.10, 21.00 Uhr | Radialsystem V
Seit 2002 wird Berlin alle zwei Jahre acht Tage lang zur Hauptstadt der Alten Musik - und das Konzerthaus Berlin zum internationalen Treffpunkt der Szene. Von Anfang an stand zeitfenster für erstklassige, beispielhafte Interpretationen in aktuellem Kontext: Hier steht Alte Musik nicht in musealen Vitrinen, sondern mitten im Leben. So auch 2010 zum 5. Geburtstag.
zeitfenster thema: Fallstudien
»Hochmut kommt vor dem Fall.« Dieser kurze Satz des biblischen Königs Salomon beschreibt präzise ein urmenschliches Phänomen. Hybris, Selbstüberschätzung und Verkennung der Realitäten führen in der Regel zum jähen Absturz und persönlichen Tragödien. Die Beispiele aus Jahrtausenden Menschheitsgeschichte sind Legende. Trotzdem wird der Mensch nicht klüger (Banker und Politiker schon gar nicht). Bereits früh haben sich Autoren und Komponisten für die Hybris der Macht interessiert. Genauso wie später im Kino Hollywoods wurden in der frühen Oper Geschichten über Aufstieg und Fall von Potentaten erzählt - und das Publikum weidete sich am menschlichen Schicksal.
Das Eröffnungskonzert am Sonntag, 11. April wartet mit dem babylonischen Tyrannen Nebukadnezar, dem ebenso grausamen wie erfolglosen römischen Feldherren Germanicus und dem Vandalenkönig Geiserich, der Rom überrannte, mit gleich drei ausgesprochen fiesen Gestalten auf, deren unrühmliches Wirken in großartigen Opern von Reinhard Keiser und Georg Philipp Telemann festgehalten wurde. Mittelalter-, Fantasy- und Wagner-Fans sollten sich den 13. April vormerken, der sich um das »Rheingold« dreht. Benjamin Bagby hat den ältesten europäischen Mythos, der Generationen von Künstlern bis hin zu Wagner faszinierte und inspirierte, entstaubt. Die Geschichte um Gold, Gewalt und Rache, von Drachen und Helden wird von ihm und seinem Ensemble Sequentia musikalisch rekonstruiert.
Mit »Schicksalsmusik« am 14. April ist auch das Konzerthausorchester Berlin unter Olof Boman an zeitfenster beteiligt. Hier treffen Mauricio Kagels »Märsche, um den Sieg zu verfehlen« auf Gregorio Allegris »Miserere«, kontrastieren Verdis »Macht des Schicksals« mit einem zeitgenössischen Stück für Vokalensemble und tickende Metronome, während Jörg Widmanns »Ikarische Klage« den Lamentationen von Orlando di Lasso begegnen. Die Geschichte der stolzen Königin Dido und dem ihr in Liebe verfallenen Aeneas - inklusive tragischem Ende - gibt es am 15. April in der Opernversion von Christoph Graupner. Am folgenden Abend widmet die Accademia Bizantina ihr Konzert den Helden-, Intrigen- und Liebesgeschichten aus dem alten Rom, mit »Evergreens« von Händel sowie Auszügen aus Vivaldis Oper »Tito Manlio« und weiterer italienischer Instrumentalmusik.
Was lehren uns all diese »Fallstudien«? Auf Hochmut folgt Fall, auf Fall folgt Reue - auf Reue folgt Rehabilitation? zeitfenster schließt am 18. April mit »Gottesmacht«, einer eindringlichen musikalischen Erinnerung an die Begrenztheit des menschlichen Lebens und Strebens.
zeitfenster fokus: Viola da Gamba
Sie war das Instrument der Mächtigen und zählte zu den wichtigsten Musikinstrumenten des 16. und 17. Jahrhunderts: die Gambe. Bibliotheken voller Literatur legen davon Zeugnis ab. Spätestens seit dem Film »Die Siebte Saite«, der die Geschichte des um seine Frau trauernden Gambenkomponisten Sainte-Colombe erzählt, hat das Instrument wieder ein breiteres Publikum jenseits der Spezialisten gefunden. zeitfenster hat mit Hille Perl, Jordi Savall und Paolo Pandolfo drei der wichtigsten Vertreter der exotisch anmutenden Kniegeige eingeladen, um ein eindringliches Plädoyer abzugeben.
zeitfenster spezial
Freiraum für Experimente und nächtliche Erfahrungen, in denen u.a. menschliche Empfindungen und versunkene Klangwelten eine große Rolle spielen. Was Sie hier erleben, wird Sie lange beschäftigen - beim Nachtkonzert am Freitag, 16. April ab 22.30 Uhr weit über Mitternacht hinaus. Die Tiroler Harfenistin Margret Köll und der Mailänder Lautenist Luca Pianca sind mit Werken von Claudio Monteverdi, John Dowland, Jimmy Page (!), Johann Sebastian Bach u.a. zu erleben. Aber auch an den beiden Abenden im Radialsystem V am Montag und Dienstag wird es spannend: Alte und Neue Musik treten in einen dialogischen Wettstreit um die musikalische Beschreibung menschlicher Gefühle. Daumen hoch oder runter: Das Publikum entscheidet über Sieg oder Niederlage!
Konzerthaus für Kinder!
Zum traditionellen Kindertag als Festival-Auftakt am Samstag, 10. April bietet das Konzerthaus wieder ein buntes Programm. Zuhören, Mitmachen und Entdecken: Die Reise in vergangene Zeiten und die eigene Phantasie startet um 14.00 Uhr. Neben Verkleidungsaktionen, mittelalterlichen Blasinstrumenten, Geschichten einer Märchenerzählerin, einer mobilen Perkussionsperformance und einem Gambenconsort aus Kindern und Jugendlichen gibt es als Höhepunkt »Die Feenkönigin«, eine musikalisch-szenische Erzählung mit Musik des »Orpheus britannicus« Henry Purcell.
Ausführliche Informationen zum Programm, das begleitende Buch als PDF, Biografien und honorarfreie Fotos finden Sie auf der eigens eingerichteten Homepage: www.zeitfenster.net